Der aus Vettelschoß stammende
Dr. Egidius Schneider
kehrte als Offizier aus dem Ersten Weltkrieg zurück, war nach Studium und Promotion als Dezernent im „Volksverein“ tätig, wurde zum Landtagsabgeordneten gewählt, im
Zweiten Weltkrieg ins „Amt Canaris“ dienstverpflichtet, als Sympathisant des
„Kreisauer Kreises“ verhaftet, des Hochverrats angeklagt und tröstete
Mithäftlinge in Plötzensee (Berlin), die vor der Hinrichtung standen.
Nach dem Nazispuk engagierte er sich in der ländlichen
Erwachsenenbildung und begründete
die Landvolkshochschule in Rhöndorf.
Als sein Ideal galt Friedrich Wilhelm Raiffeisen.
Von H. H. Mohr
Die „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf
wurde Opfer der Sparzwänge des Erzbistums Köln.
In der Kölner Kirchenzeitung vom 24.10.2003 war zu lesen: „Das Erzbistum Köln hat beschlossen, den Tagungsbetrieb im Tagungszentrum Rhöndorf einzustellen. Zu diesem Tagungszentrum gehören das Haus St. Hedwig, die Villa Merkens 1 sowie das Gebäude der Landvolkshochschule. Die Landvolkshochschule selbst bleibt bestehen und wird an anderem Ort fortgeführt. Hintergrund für diese Entscheidung ist der immense Renovierungsbedarf am Gebäudebestand.
Bereits heute entspricht der Zustand der Gästezimmer nicht mehr den Anforderungen von Tagungsveranstaltern und Tagungsgästen, was sich in einer unzureichenden Auslastung zeigt. Die für eine grundlegende Renovierung notwendigen Mittel stehen aufgrund der finanziellen Möglichkeiten des Erzbistums Köln und der für die Zukunft nötigen Sparzwänge nicht zur Verfügung. Hinzu kommt, dass auch nach Schließung des Tagungszentrums Rhöndorf die im Bistum vorhandenen Tagungskapazitäten ausreichend sind, um den Bedarf der katholischen Gruppen und Verbände abzudecken.
Geplante und bereits gebuchte Veranstaltungen nach dem 30. Juni 2004 werden von anderen Tagungshäusern im Erzbistum Köln übernommen. Von der Schließung des Tagungszentrums und der Verlegung der Landvolkshochschule sind etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen. Das Erzbistum bemüht sich, ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten. Über die weitere Verwendung des Geländes des Tagungszentrums Rhöndorf durch das Erzbistum Köln ist noch nicht entschieden.“
Trotz der intensiven Bemühungen und der erstellten so genannten „Positionspapiere“ der „Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands“ (KLJB) mit seiner Tochter, der „Akademie der Katholischen Landjugend“, und der „Katholischen Landvolkbewegung“ (KLB) an das Erzbistum Köln, um die geplante Schließung der beliebten „Katholischen Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf zu verhindern und ihre Weiterführung sicherzustellen, kam nach über 54 Jahren ihres Bestehens für die seit 1958 existierende zentrale Stelle für ländliche Bildungsarbeit in der Diözese Köln zum 30.06.2004 das endgültige Aus, aber dennoch ziemlich überraschend. Seither stehen die Objekte der ehemaligen und idyllisch gelegenen „Katholischen Landvolkshochschule Egidius Schneider“ (LVH) in Rhöndorf am Fuße des legendären Drachenfelses und des Siebengebirges leer.
Die LVH in Rhöndorf (mit ihren beiden Gebäuden, dem „Schürmann-Bau“ von 1958 und der historischen „Villa Merkens“) wurde am 01.01.2000 mit dem benachbarten „Bildungshaus St. Hedwig“ (das frühere Mütterkurheim) zum „Katholischen Tagungszentrum Rhöndorf“ zusammengeschlossen. Die LVH als Bildungseinrichtung blieb unter dem Namen „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider“ zunächst bestehen und führte ihre Kurse im Katholischen Tagungszentrum durch.
Das Tagungszentrum wurde zum 30.06.2004 vom Erzbistum Köln geschlossen, da das Erzbistum die dringende gründliche Renovierung aller drei Gebäude nicht finanzieren konnte. Die Gebäude sollten verkauft werden. In der Villa Merkens firmiert inzwischen unter dem traditionellen Namen „Haus im Turm“ eine Weinhandlung.
Vom 01.07.2004 bis Ende 2005 führte die LVH ihre Kurse in anderen Tagungshäusern des Erzbistums – vor allem im Hause „Marienhof“ in Ittenbach (Königswinter) und im „Katholisch-Sozialen Institut“ in Bad Honnef – durch. Die Geschäftsstelle blieb in Rhöndorf. Zum 31.12.2005 wurde die „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf aufgelöst.
Egidius Schneider und Vettelschoß
In Vettelschoß, wo Egidius Schneider am Samstag, 12.08.1893, vormittags um zwei Uhr, das Licht der Welt erblickte und seine Wiege (Haus Nr. 10) stand, ist schon vor Jahren die an seinem Geburtshaus vorbeiführende abschüssige Straße in Richtung „Kuhl“ („In der Kuhl“, der älteste Besiedlungsteil von Vettelschoß) nach ihm benannt worden. Doch kaum einer im Gemeindegebiet von Vettelschoß weiß mit dem Namen etwas anzufangen.
„Ein Prophet gilt (bekanntlich) nichts in seinem eigenen Land.“ – Das Sprichwort ist abgewandelt und stammt eigentlich aus der Bibel; denn Jesus sagte: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem Hause.“
Der aus kleinen und bäuerlichen Verhältnissen stammende Egidius Schneider entfaltete sich im Laufe seines Lebens zu einer über die Diözesangrenzen (Köln/Trier) hinaus bekannten und anerkannten Persönlichkeit. Er hatte sich durch eigene Initiativen einen Namen gemacht, blieb aber nach einer sehr schweren Zeit während der Naziherrschaft seiner Bauernschaft treu, auch wenn ihm nach dem Zweiten Weltkrieg verschiedene Ämter seitens der CDU auf Ministerebene in Düsseldorf und Bonn winkten.
Vettelschoß war 1893 noch ein landwirtschaftlich strukturiertes und armes sowie volkstümliches Bauerndörfchen, wo jeder jeden kannte. Einige „Ackerer“ und vor allem die herangewachsenen Söhne standen zu der Zeit schon in den heimischen Basaltsteinbrüchen und vereinzelt auch in den Quarzitgruben in Kalenborn und in der Kau (Ortsteile von Vettelschoß) im Brotberuf, um die bisher gewohnten einfachen Lebensumstände in einem tristen Umfeld für sich und ihre oft kinderreichen Familien zu verbessern. Die bettelarme Bürgerschaft (das Betteln in den Rheinstädten war Usus und dafür nahm man gerne stundenlange und beschwerliche Anmarschwege in Kauf) als Selbstversorger lebte bis dahin ständig am Rande der Armut und nur von dem, was auf den kargen Feldern und vom Vieh in ihren Klitschen erwirtschaftet werden konnte. Und dieses reichte oft gerade zum Überleben!
1893 wohnten in der ausschließlich katholischen Vettelschosser Gemeinde erst etwa 550 Seelen. Im Jahre 1895 waren es 570 (296 männlichen und 274 weiblichen Geschlechts). Aus dem „Armenhaus“ auf der „Linzerhöhe“ entwickelte sich – nach Stilllegung des letzten Steinbruchs (Willscheiderberg) zum 31.12.1974 und als damit die Basaltindustrie für Vettelschoß endgültig zur Geschichte geworden war – in den folgenden Jahrzehnten dank einer aufgeschlossenen und zukunftsweisenden Kommunalpolitik sowie der Ansiedlung neuer Wirtschaftsunternehmen eine prosperierende Industriegemeinde.
Sie zählt nunmehr knapp dreieinhalb Tausend Einwohner (Stand: 30.04.2009) und ist die „reichste“ Kommune in der Verbandsgemeinde Linz, zu der Vettelschoß seit 1970 – nach Auflösung der Verbandsgemeinde Neustadt – gehört. Viele Wiesen und Äcker unserer Altvordern wurden in der Zwischenzeit als Bauland ausgewiesen, auf dem mittlerweile schmucke Einfamilienhäuser mit blühenden Gärten und ansehnlichen Grün- oder Teichanlagen entstanden sind. Einige Straßen sind nach den alten Flurnamen benannt und erinnern noch an die einst von den Vorfahren der Alteingesessenen beackerten landwirtschaftlichen Nutzflächen.
Es gilt zwar noch als unvorstellbar, welche Finanz- und Wirtschaftskraft sich durch eine Fusion der Gemeinden St. Katharinen mit Vettelschoß und Windhagen (der reichsten Gemeinde im Kreis Neuwied) oder schon durch eine Zusammenlegung der Verbandsgemeinden Asbach und Linz ergeben würden! – „Es gibt Hypothesen, wo Verstand und Einbildungskraft sich an die Stelle der Idee setzen.“ (Das meinte schon Johann Wolfgang von Goethe in seinen „Sprüchen in Prosa“.)
Im Jahre 1893 hatte Vettelschoß noch keinen eigenen Seelsorger. Die geistliche Betreuung erfolgte – wie seit Menschengedenken – durch den Neustadter Pastor, und das war zu jener Zeit der Pfarrer Johann Enzweiler (1889 – 1893, der noch ein Beffchen/Bäffchen trug, das in frankophonen Ländern weiterhin üblich ist, aber meist nur von evangelischen Geistlichen getragen wird), der am 31.07.1893 von Pfarrer Johann Benedikt Kirsch (1893 – 1898) abgelöst wurde.
Einen Tag nach seiner Geburt – an einem heißen, gewitterigen und feuchtwarmen Spätsommertag – wurde der Säugling Egidius Schneider im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst in der schlichten Vettelschosser St.-Michaels-Kapelle (die von vor 1550 bezeugt ist, aber leider wegen der schweren Kriegsschäden 1945/1946 abgerissen wurde) durch Kaplan Görg aus Neustadt unter Assistenz des Küsters Heinrich Hüngsberg aus Vettelschoß getauft.
Kein Stein, kein Strauch erinnert mehr an das einmal wie eine Ikone verehrte „Mechelskapellchen“ in Vettelschoß, das wohl ursprünglich einsam auf einer dicht bewaldeten Anhöhe stand und das Wachsen der kleinen Bauernsiedlung womöglich von kurz nach der zweiten Rodungs- und Besiedlungsphase (1185/1200) oder Christianisierung „überwachte“, zu Freud und Leid der Bauersleute aufgesucht und von wo das Christentum in das wilde, sumpfige, weglose und unerforschte Waldgefilde getragen wurde.
Für Vettelschoß, das „Viertel im/am Hang“ (Vertil = Viertel + schoß/schoz = abschüssig/Hanglage), begann im Jahre 1893 die knapp hundert Jahre währende „Basaltepoche“, die Vettelschoß entscheidend veränderte, aber auch nachhaltig prägte. Zu dieser Zeit waren alle arbeitsfähigen und arbeitswilligen „Mannsbilder“ im Gemeindegebiet von Vettelschoß wohl schon im Basalt- und Quarzitabbau beschäftigt.
Tagesgespräch der Bürgerinnen und Bürger in der kleinen Vettelschosser Gemeinde (mit den Flecken Kalenborn, Kau, Kuhl, Oberelsaff, Oberwillscheid und Seiferhof) – bis dahin unbekannte und verträumte Weiler – war die Verpachtung des „Woelsbergs“/„Wölsbergs“, den man später „Willscheiderberg“ (im Volksmund sprach man vom „Wellschenderbirch“ oder schlicht vom „Birch“) nannte, an die am 02.06.1888 unter Führung des Kölner Steinbruchbesitzers Wilhelm Zervas gegründete Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG), die aufgrund des Beschlusses der Generalversammlung vom 25.03.1891 ihren Firmensitz inzwischen von Köln nach Linz verlegt hatte.
Am Donnerstag, 16.03.1893, spätnachmittags, kam in Vettelschoß die sechsköpfige Gemeindevertretung unter dem Vorsteher Heinrich Reufels 2 zusammen, um über den Pachtvertrag der Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG) in Linz vom 10.03.1893 („Gemeindewaldfläche am Willscheiderberg“) zu befinden. Die Gemeindeväter votierten hoffnungsfroh und einstimmig für die Verpachtung an die BAG. in Linz.
Von nun an ging es in Vettelschoß ganz langsam und allmählich aufwärts. Eine Abwanderung der Bauernburschen in die Fabriken an Rhein und Ruhr war nun für einige Jahrzehnte passee; denn die lang ersehnte Industrialisierung hatte jetzt auch Vettelschoß erreicht. Die „Poesie des Dreschflegels“ wich von nun an peu à peu dem harten Rhythmus der Maschinen!
Mit der Gemeinderatsentscheidung vom 16.03.1893 erhielt die Pachtung des Wöls- oder Willscheiderberges durch die BAG in Linz seine Rechtsverbindlichkeit. Es handelte sich allerdings um den so genannten „Hauptvertrag“, dem weitere Pachtverträge der BAG mit der Gemeinde Vettelschoß folgten. 3
Die Verpachtung des Wöls- oder Willscheiderberges in Vettelschoß mit dem allseits begehrten Säulenbasalt sollte die chronische Finanzmisere der Bauerngemeinde beheben und vor allem die Lebenssituation der Bevölkerung verbessern. Alle arbeitsfähigen Männer der Gemeinde Vettelschoß wurden nach Vertragsabschluss mit der BAG erstmals umworben und erhielten die Möglichkeit, eine regelmäßige Arbeit mit einem angemessenen Verdienst und einer gewissen sozialen Absicherung aufzunehmen.
Der am 01.02.1893 durch die Vettelschosser Gemeindevertretung gebilligte Haushaltsentwurf für 1893/1894 sah in Einnahmen und Ausgaben bescheidene 9.600 Mark vor. Aus diesem schmalen Budget der Gemeinde Vettelschoß, die nur durch Staatszuschüsse existieren konnte, und 1.000 Mark vom „Kapital“ – das die Kreissparkasse Neuwied verwahrte – sollten Wege instand gehalten, Bedürftige unterstützt, der Lehrer anteilsmäßig bezahlt und vordringlich ein neues Toilettenhäusel und „Abtritte“ sowie ein Pissoir für die Kinder gebaut und der Schulsaal und die Lehrerwohnung renoviert werden.
Den Haushalt ausgleichen sollten die geringen Steuern, Quarzitgrubenpacht mit Fördergeldern und alle paar Jahre der Verkaufserlös von im Gemeindewald abgeklopften Eichenrinden (Lohe), für die sich ein Kasbacher Ledergerber interessierte.
Und im Jahre 2009 debattierte die Vettelschosser Gemeindevertretung vollmundig über einen Verwaltungs- und Vermögenshaushalt von insgesamt mehr als zwölf Millionen Euro. Davon hätten unsere Vorfahren nicht mal geträumt!
Das Vettelschoß von damals (1893) und das von heute ist vielleicht nur noch an einigen ehemaligen Feldwegen – die längst zu Straßen ausgebaut sind und an alten Flurnamen, die zu Straßennamen wurden – oder am allgemeinen Landschaftsbild erkennbar. Es ist in Vettelschoß nichts mehr wie es früher einmal war!
Die meisten ausgebeuteten Steinbrüche im Umfeld von Vettelschoß – wie auch der Willscheiderberg – sind uns als Landschaftsruinen erhalten geblieben. Der „Geißenhüvvel“ in Vettelschoß wurde zugeschüttet und der „Türkenhüvvel“ als „Blauer See“ dient der Bürgerschaft von Vettelschoß in den Sommermonaten als Schwimmbad.
Bei der Schulrevision am 21.07.1893 befanden sich in der einklassigen, aber schon regelmäßig besuchten Vettelschosser Halbtagsschule, 54 Kinder in der Ober- und 32 in der Unterklasse. Der Lehrer hieß Johann Jacob Gärtner, der vom 23.04.1881 bis 30.09.1924 in Vettelschoß wirkte. Das Urteil des Schulinspektors lautete zu jener Zeit: „Der Lehrer ist fleißig, aber von geringen Gaben, an den höhere Forderungen vergeblich gestellt werden.“ 4
Da der Winter 1892/1893 sehr streng – an mehreren Tagen im Januar 1893 lagen die Temperaturen um die 20 Grad minus – und der Rhein stellenweise zugefroren war, konnte man von einem Ufer zum anderen spazieren. Von Frühjahr bis Sommer 1893 herrschte eine Dürreperiode. Die Bevölkerung litt große Not und musste Vieh zu Schleuderpreisen verkaufen.
Ab 07.08.1893 stand die am 15.04.1892 eingerichtete Postagentur (Agent war Wilhelm Prangenberg, Schöffe, Gerichtsmann, Gast- und Landwirt, der den ersten Taufstein für die spätere Kirche „Hl. Familie“ stiftete) in Vettelschoß über eine Freileitung mit Neustadt in Fernsprechverbindung.
Die Wiege von Wilhelm Prangenberg († 27.12.1903 in Vettelschoß) hatte noch ihren Platz in dem nach 1913/1914 abgerissenen Fachwerkbauernhaus, in dem sich wohl auch die erste Vettelschosser Gastwirtschaft befand, die gleichzeitig als „Dienstzimmer“ der Vettelschosser Postagentur diente. Das längst in Vettelschoß vergessene „Fachwerkbauernhaus“ – einst zwischen dem früheren „Schmitzhoff“, dem heutigen Heimat- oder Dorfmuseum mit einer Weinschenke in Vettelschoß (Hauptstraße 21), und dem einstigen Gasthaus „Zur Alten Post“ (Hauptstraße 35), gelegen – war das so genannte „Stammhaus“ der vor 1688 in Vettelschoß nachgewiesenen „Mohren-Sippe“.
Nach 1912 erfolgte die Verlegung der Post in die Hauptstraße 25 bzw. 35 („Gasthaus Joseph Prangenberg zur Post“) und 1937/1938 in die Michaelstraße 21. Dort war es Heinrich Prangenberg („Poss-Hein“) und dann sein Sohn (Heinz), die dem Postamt in Vettelschoß letztlich bis zur Auflösung am 01.07.1997 vorstanden.
Bei der kleinen familiären Tauffeier des Egidius Schneider in der heimeligen und altehrwürdigen „Mechelskapell“ (St.-Michaels-Kapelle) in Vettelschoß 5 ließ der Lehrer Johann Jacob Gärtner die am 13.01.1880 – einem Dienstag und vor Kälte klirrenden sowie schneereichen Wintertag – aufgeschlagene schlichte Stand- und Pfeifenorgel des Orgelbauers oder Orgelmachers Peter Dasbach aus Obersteinebach erklingen, wobei einige Messdiener sich im Blasebalgtreten abwechseln mussten, damit dem schlichten und nur zwei Meter hohen Positiv nicht die Luft ausging.
Der junge und sympathische Dorfschullehrer war am 04.04.1883 offiziell zum Organisten bestellt worden. Die Gläubigen freuten sich, dass die Gottesdienste an den Sonn- und Feiertagen nunmehr auch in Vettelschoß mit Orgelmusik begleitet werden konnten. Johann Jacob Gärtner zählt auch zu den Mitbegründern und war Leiter sowie bis 1922 Dirigent des am 10.05.1885 aus der Taufe gehobenen Kirchenchores „Cäcilia“ in Vettelschoß. Auch blieb der Lehrer der erste Organist auf der zwischen dem 15.03. und 20.03. im Jahre 1915 durch den Orgelbaumeister Johannes Klais aus Bonn in der ersten Vettelschosser Kirche aufgestellten Klais-Orgel, bis er am 01.10.1924 in den wohlverdienten Ruhestand ging.
Als die am 01.05.1899 gegründete Freiwillige Feuerwehr Vettelschoß im Jahre 1912 in arge Geldnöte geraten war, gab Lehrer Johann Jacob Gärtner – ein „Hansdampf in allen Gassen“ – nach einem Schuldschein vom 14.04.1912 der Vettelschosser Feuerwehr 150 Mark gegen vier Prozent Zinsen als Darlehen. Die Vorstandsmitglieder der Feuerwehr bürgten mit ihrem Privatvermögen für diese Summe, die auch 1914 zurückgezahlt wurde.
Verwandt und doch verschieden
Patenonkel des kleinen „Jilleschen“ (Egidius Schneider) war der „Jüngisch Jilles“, auch „Zepthronat“ genannt (Egidius Jünger, * 1860, † 1943). Er war Ackerer, Quarzithändler („Quarzitonkel“), Mitglied des Vettelschosser Gemeinderates von 1934 bis 1940 und zuletzt erster Beigeordneter. Der passionierte Kartenspieler, und zwar des vom spanischen L`hombre entlehnten Solos, war mit der Schwester („Lien“ = Helena Kurtenbach) der Mutter von Egidius Schneider verheiratet.
Als die Patin oder „Jööt“ von Egidius Schneider ist uns Gertrud Schmitz vom „Schmitzhoff“ (Tochter des gleichnamigen Georg Schmitz, die mit ihrer Schwester Helene tagtäglich hinter dem Tresen des alten Vettelschosser Krämerladens mit allerlei Krimskrams stand) aus Vettelschoß überliefert.
Sicherlich hatte man über den Vornamen – der griechischen Ursprungs ist, eigentlich „Schildhalter“ bedeutet und den (Ägis, Aegis, Aigis, Egidii, Egid) mehrere spartanische Könige als Namen führten – nicht näher nachgedacht. Er wurde dem Kind verliehen, weil der “Pättche” (Pate) so hieß – und damit basta! 6
Den kleinen und leicht pummeligen, aber quirligen Egidius Schneider hatte Lehrer Johann Jacob Gärtner in die noch einklassige katholische Volksschule in Vettelschoß eingeschult und sicherlich auch auf den Besuch einer „höheren“ Schule vorbereitet.
Die Erstkommunion konnte Egidius Schneider – aufgewachsen in einem strenggläubigen katholischen Elternhaus, in dem das Wort des Pastors wie Gotteswort galt – schon in der am 27.06.1900 geweihten neuen Kirche „Heilige Familie“ in Vettelschoß unter dem ersten eigenen Vettelschosser Geistlichen (Pfarrvikar/Pfarrvertreter/Pfarrverwalter), Johann Peter Klöckner (Seelsorger in Vettelschoß vom 16.04.1896/17.05.1896 – 09.04. 1906, † 18.03.1939 in Oberfell/Mosel), feiern.
Von Lehrer Johann Jacob Gärtner wurden auf der robusten Dasbach-Orgel mit Pfeifen aus Fichtenholz sowohl der Kirchenchor als auch die Gläubigen während der Kommunionfeier begleitet.
Als Küster fungierte Mathias Ewenz 7 (* 1859, † 1947) aus Vettelschoß und die Messdiener schwitzten weiterhin als Kalkanten, damit dem kleinen Orgelwerk die „Puste“ nicht ausging, weil die Gemeinde Vettelschoß noch nicht an das Stromnetz 8 angeschlossen war.
Nach achtjährigem Volksschulbesuch in Vettelschoß stimmten die Eltern (Johann Schneider, * 07.04.1844 in Heisterbacherrott, † 14.05.1909 in Vettelschoß, ∞ seit 07.09.1872 mit Margaretha geb. Kurtenbach, * 15.05. 1850 in Vettelschoß, † 13.10.1930 in Vettelschoß) aufgrund herausragender schulischer Gesamtleistungen ihres Hätschelkindes und blitzgescheiten Sprösslings (Egidius Schneider) dem Vorschlag des Lehrers Johann Jacob Gärtner († 20.08.1932) und des Pfarrvikars Johann Peter Klöckner schließlich zu, ihren aufgeweckten Sohn – er hatte noch sieben ältere Geschwister – 1909 auf das Linzer Gymnasium zu schicken, wo er Ostern 1914 die Reifeprüfung mit Bravur bestand.
Womöglich wurden der damalige Gemeindevorsteher 9 von Vettelschoß, Johann Hüngsberg, und der „Gemeinde-Vorsteher-Stellvertreter“, der Ackerer Heinrich Kurtenbach V., (beide Anverwandte des künftigen Gymnasiasten) auch dazu gehört oder gaben ihr grundsätzliches Einverständnis und beteiligten sich mit einem „Obolus“ an den Schulkosten.
Und die Verwandten sahen sicherlich in Egidius Schneider schon einen Landseelsorger („Pastur“)!
Wahrscheinlich ist die Initiative zum Besuch einer weiterführenden Schule für den gescheiten „Jilles“ nur von dem in der Gemeinde Vettelschoß beliebten Lehrer Johann Jacob Gärtner ausgegangen; denn Egidius Schneider war mit dessen Sohn (Peter, später Großhandelskaufmann in Koblenz und 1945 Stabsoffizier der ehemaligen deutschen Wehrmacht) befreundet und beide wechselten zur gleichen Zeit von der Volksschule in Vettelschoß auf das Linzer Gymnasium. Nach 1945/ 1946 verdingte sich Peter Gärtner als Nachtwächter sowohl am Mehr- als auch am Willscheiderberg. Nebenbei züchtete er weiße Mäuse, die von der Pharmaindustrie als „Versuchskaninchen“ benötigt wurden.
Dr. Egidius Schneider hatte seinem Volksschullehrer Johann Jacob Gärtner sehr viel zu verdanken, der den Schulunterricht nach eigenem Gusto gestaltete, womit die Schulinspektoren allerdings nicht immer einver-standen schienen. Ein altes Sprichwort sagt:
„Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht.“
Mit kauzigem Stolz betrachtete „de ale Jertner“ (der alte Gärtner) später die Berufs- und Lebenswege seines Sohnes Peter und dessen „Dorffreund“ Egidius, deren Genre er zum Blühen gebracht hatte. Johann Jacob Gärtner galt nicht nur in Vettelschoß als ein Individualist, er war wirklich ein Original in der Gemeinde Vettelschoß, wo er überall mitzumischen meinte.
Der Vater von Egidius Schneider stand zunächst als Steinbrucharbeiter am Wöls- oder Willscheiderberg im Brotberuf, arbeitete später – womöglich wegen seiner labilen und angeschlagenen Gesundheit – an der 1907/1908 errichteten Backenbrecheranlage am Willscheiderberg und betrieb nebenbei mit seiner fleißigen Ehefrau eine kleine Landwirtschaft. Doch in der Familie war schon immer „Sparhans der Küchenmeister“! 10
In Linz freundete sich der Pennäler (Egidius Schneider) rasch mit den Söhnen des Inhabers der Eisenwarenhandlung Schulte an, denen er Nachhilfeunterricht während der Anfangszeit im Gymnasium erteilte und sicherlich dafür ab und zu ein Silber-Mark-Stück in die Taschen seines geflickten Wams oder in seine gestopften und fleckigen Hosen als erstes Taschengeld stecken konnte. Mit den Gebrüdern Schulte blieb Egidius Schneider zeitlebens in Kontakt.
Studium, Kriegsdienst, Promotion, Ehe
Nach dem Abitur studierte Egidius Schneider zunächst „zwei Semester Philosophie am Bischöflichen Priesterseminar zu Trier“. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Kriegsfreiwilliger von Anfang 1915 bis 1918 teil. Er war jung, frisch und voller Tatendrang, als er nach Frankreich zog, Frontkämpfer und zweimal verwundet („einmal schwer infolge Verschüttung mit Rückenmarksquetschung am „Toten Mann“ bei Verdun“) wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg meldete sich der stolze Leutnant der Reserve z.V. aber nur für kurze Zeit in seinem Elternhaus zurück.
Von Dr. Egidius Schneider wissen wir, dass die Mutter seines Dorffreundes, als auch dieser in den Ersten Weltkrieg zog, ihn „schlicht aber mit Würde – wie es Bauernart ist“ – mit den Worten verabschiedete:
„Joang, verjäs et Bedden nit, und bliev van de schleechte Fraulök!“
(Junge, vergiss das Beten nicht, und bleibe von den schlechten Frauenzimmern!)
Sehr kurz war die Verschnaufpause von Egidius Schneider im heimischen Gefilde und in der Idylle von Vettelschoß. Als der Pulverdampf des Ersten Weltkrieges endgültig verflogen, die Kriegserlebnisse und das Biwakieren in selbst ausgehobenen Erdlöchern zigmal erzählt und „verdaut“ waren, widmete sich der quicke Reserveoffizier sechs Semester lang dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg.
Schon im Februar 1919 bestand Egidius Schneider dort die „Diplomprüfung für Versicherungsverständige der Administrations-Abteilung“. Er war von 1919 – 1921 als Jura-Student an der Universität Würzburg immatrikuliert. 1920 promovierte er zum Dr. jur. (Doktor der Rechtswissenschaft). Der Titel seiner rechtswissenschaftlichen Dissertation lautete: „Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung und Rückkauf der Police.“ 11
In späteren Widmungen wird Egidius Schneider als Dr. jur. et Dr. rer. pol. (Doktor der Rechtswissenschaft und Doktor der Staatswissenschaften) bezeichnet. Der Standesbeamte trug ihn im Heiratsregister des Standesamtes Mönchengladbach anlässlich seiner Eheschließung am 20.07.1925 als „Schriftsteller und Doktor der Rechte und Staatswissenschaft“ ein.
Während seines Studiums soll Egidius Schneider im Rahmen des Möglichen von den Geschwistern sowie durch Verwandte unterstützt worden sein. Aber auch die Paten haben dem genügsamen Burschen mehr als nur ein obligatorisches Scherflein zu Weihnachten und zum Namenstag zugesteckt.
Die Ferien verbrachte Egidius Schneider als Schüler, Gymnasiast und Student regelmäßig in Vettelschoß. Er hütete die Ziegen und Kühe seiner Eltern oder die seiner Verwandten in der „Kuhl“ sowohl am „Höner-baach“ (Hohnerbach) als auch „Auf der Bit-ze“ (umfriedete Baumwiese), „In der Hunau“ und „Im Pösch/Pesch“ (umzäunte Wiese, Weide, fruchtbarer Garten) oder verdingte sich im Ernteeinsatz auf den Feldern „Auf’m Eichert“, „Auf’m Lewrot“ und „Auf’m faulen Stück“. Auch in späteren Jahren kam Egidius Schneider oft und gern nach Vettelschoß.
In seiner 1928 erschienenen Broschüre „Bauernnot und Bauernrettung (Grundfragen moderner Agrarpolitik)“ meinte Dr. Egidius Schneider über Friedrich Wilhelm Raiffeisen (* 30.03.1818 in Hamm/Sieg, † 11.03.1888 in Neuwied), dem Begründer der deutschen Kreditgenossenschaften oder Darlehnskassenvereine bzw. „Raiffeisenvereine“: ... „Wir hören von einem Paradies der Kindheit, das der Knabe trotz Armut der Familie und der Heimat erlebte. Zwar ist dieses Paradies „rauh“, nicht lachend und sonnig wie in den fruchtbaren Rheintälern; denn wenn sein Geburtsort Hamm auch an der Grenze zwischen dem Siegerland und dem Westerwald liegt, so trifft doch für seine Lage und Umgebung zu, was ein altes Volkslied kündet:
„Hoch oben auf den Bergen, Da liegt der Westerwald,
Da brausen wilde Stürme, Da ist es rauh und kalt.“
„Doch das eigentliche Paradies der Landkindheit erwächst aus der Seele, ist nicht abhängig von fettem oder magerem Boden. Es entquillt aus der harmlosen Unschuld, aus dem Vermögen, sich des Lebens zu freuen und seine Kümmernisse leicht zu tragen. Es wird geschaffen aus Frohsinn und Liebe.“
„Im Spiel mit Geschwistern und Nachbarskindern, im Tummeln auf freier Flur vergißt die Landjugend Nöte und Entbehrungen, wenn sie das Vieh hütet in den saftigen Talwiesen am Bache und mit der Hand Forellen zu fangen sucht, wenn sie die Wälder durchstreift, um Eichhörnchen zu erjagen, wenn sie in den Gipfeln der Birken und Lärchen sich schaukelt, die auch des Westerwaldes Höhen kleiden. Da genießt man früh Überwinderfreuden, geformt wird vom trotzigen Berggeist ein starker Wille. Man atmet in der Seelenluft königlicher Freiheit, man wird ein echtes Kind des Landes. Die Heimat prägt uns den unverwischbaren Stempel auf.“ 12
In Friedrich Wilhelm Raiffeisen fand Dr. Egidius Schneider sein Ideal. Ein ganzer Landstrich, das „Raiffeisenland“, durch das die historische Raiffeisenstraße zwischen Neuwied und Altenkirchen führt, trägt den Namen des berühmten Sozialreformers und Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen. In der Tat zeigten die elterlichen Verhältnisse von Egidius Schneider in Vettelschoß und die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Hamm/Sieg gewisse Parallelen. Und im „Paradies der Kindheit“ plauderte Egidius Schneider unverkennbar über die vertrauten Eindrücke seiner Kindheit in Vettelschoß (Kuhl/Hohnerbach).
Mit Josef Hecken, Inhaber der alten Traditionsgaststätte „Zum Backmann’s-Jupp“ (Michaelstraße 7) in Vettelschoß, war Dr. Egidius Schneider aus der Zeit gemeinsamer Klickerpartien auf dem „Kapellenplatz“ befreundet, aber auch anverwandt. Er versäumte es selten, wenn er nach Vettelschoß kam, beim „Backmann’s-Jupp“ einzukehren. 13 Vielleicht meinte der „Schniedisch Jilles“, wie Egidius Schneider in Vettelschoß allgemein genannt wurde, auch:
„Gute Wirte auf dem Lande ersetzen dem Pfarrer einen Kaplan.“
Am 20.07.1925 (Standesamt „Mgladbach“ = Mönchengladbach) und 21.07.1925 (kirchlich) vermählte sich der „Schriftsteller Doktor der Rechte und Staatswissenschaft“ Egidius Schneider, wohnhaft in „Mgladbach“, Bettratherstraße 91, mit Margareta Hansen, die ohne Beruf und in Mönchengladbach, Bismarckstraße 84, wohnhaft war. Sie stammte ebenfalls aus einer erzkatholischen, aber gut situierten Familie, wurde am 17.04.1893 in Mönchengladbach geboren und ist schon mit 55 Jahren am 25.12.1948 in Mönchengladbach verstorben. 14
Als Trauzeugen bei der standesamtlichen Trauung von Dr. Egidius Schneider und Margareta Hansen in Mönchengladbach fungierten der Rechtsanwalt Robert Hansen, 35 Jahre alt, wohnhaft in „Mgladbach“, Bismarckstraße 84, und der Techniker Ludwig Hansen, 55 Jahre alt, wohnhaft in München, Akademiestraße 23.
Aus der Ehe Schneider/Hansen gingen zwei Söhne hervor. Einer war behindert (* 1926) und ist sehr früh verstorben und der andere (Dr. jur. Hans Robert Schneider, * 1932 in Mönchengladbach) arbeitete als Jurist (Staats- oder Rechtsanwalt) in Köln und Mönchengladbach. Nachkommen von ihm konnten trotz intensiver Recherchen nicht in Erfahrung gebracht werden. – Mit den Schneiders verwandt sind in Vettelschoß die Familien Girnstein/Löffler, Jünger/Mohr und Kurtenbach. 15
Egidius Schneider – ein Hüne an Statur – galt allgemein als „kaaschtich“ (knauserig), gab sich immer humorvoll und volkstümlich, ließ ein Bier nie schal werden, war kein Kostverächter, lebte ansonsten in äußerster Bescheidenheit und fühlte sich mit der Scholle und der Bauernschaft nicht nur in der heimischen Landschaft zeitlebens solidarisch. Das „Bauerntum und die Erwachsenenbildung“ lauteten das Mantra für den im bäuerlichen Milieu aufgewachsenen und geprägten Akademiker aus Vettelschoß. Sein Motto war:
„Die kleinen Leute sind nicht blöder als die anderen, sie haben nur weniger Chancen gehabt!“
Die Tätigkeit im „Volksverein“ und der „Verein der Vereine“ im Rückblick
sowie als Landtagsabgeordneter
Von 1921 bis 1933 war Dr. Egidius Schneider als Dezernent für Agrarfragen und ländliches Bildungswesen in der Zentrale des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ (VV) in Mönchengladbach tätig.
Der VV konnte zu dieser Zeit aber bereits auf eine bewegte Geschichte zurückblicken, die nicht frei war von Animositäten und Querelen, vornehmlich aus dem Lager konservativer Kleriker und Laien.
Aber es sollte den VV durch ein Finanzdebakel noch schlimmer treffen, das die Nationalsozialisten (NS) schließlich nach dem am 05.03.1933 veröffentlichten Aufruf gegen die „nationale Erhebung“ mit dem Vorwurf angeblich staatsfeindlicher Betätigung nutzten, um den VV und seine Außenstellen am 01.07.1933 durch die Gestapo besetzen und schließen zu lassen.
Mit den Einstellungen von Dr. Egidius Schneider und Adolf Neuenhofer (1893 – 1958) als Dezernenten für landwirtschaftliche Fragen und Bauernbildung an der Zentrale des VV in Mönchengladbach in den Jahren 1920/1921 kam es zu einem Generationswechsel.
Während Schneiders Vorgänger Emil Zitzen (1884 – 1961) seine elfjährige Tätigkeit für den VV 1919 mit der Position eines stellvertretenden Generalsekretärs des Rheinischen Bauernvereins in Köln eintauschte, avancierte der von Neuenhofer abgelöste Heinrich Lübbering (1877 – 1945) zum Direktor des „Verbandes Vereinigter Innungsausschüsse von Rheinland-Westfalen“.
Das Motiv, welches zur Gründung des VV führte, macht eine Rückschau erforderlich; denn ohne die damalige Situation („Kulturkampf“ und Industrialisierung) wäre er nie am 24.10.1890 aus der Taufe gehoben worden. 16
In Mönchengladbach war Egidius Schneider der Schüler und Mitarbeiter von Dr. h.c. Anton Heinen, 1869 – 1934, (Pfarrer, Volksbildner, Schriftsteller und Leiter des Dezernats „Volksbildung“ im VV in Mönchengladbach, dessen Mitglied er seit 1899 war) und des Generaldirektors des VV in Mönchengladbach, Dr. theol. h.c. Johannes Joseph van der Velden (1891 – 1954), der am 10.10.1943 zum Bischof von Aachen geweiht wurde.
1935 war van der Velden im so genannten „Volksvereinsprozess“ zunächst angeklagt, doch es kam nicht zur Weiterverfolgung. Nach eigenen Angaben stand der Geistliche während des Zweiten Weltkrieges im Kontakt mit deutschen Widerstandsgruppen.
Nach dem Tode von Dr. Ludwig Nieder (1880 – 1922), dem geschäftsführenden Direktor der Organisations- und Agitationsabteilung des VV arbeiteten die Mitarbeiter der Zentrale des VV in Mönchengladbach ohne inneren Zusammenhalt und ohne eindeutiges inhaltliches Konzept.
So konnten sich die jungen Dezernenten wie Egidius Schneider und Adolf Neuenhofer bis 1928 kaum profilieren. Sie wurden oft für die Kursusarbeit im Lande und im Franz-Hitze-Haus in Paderborn herangezogen, litten unter dem Mangel an wirklicher Führung und arbeiteten ansonsten ohne erkennbare inhaltliche Vorgaben „nach eigenen Rezepten“.
Das neue – im Herbst 1923 vom VV in Paderborn erworbene – und nach Franz Hitze benannte und zunächst nur als kurzzeitiger Stützpunkt vorgesehene Haus bot nicht zuletzt den beiden Veteranen (Pieper und Heinen) des VV ein Refugium vor den Anfechtungen, die sie bei vielen führenden Mitarbeitern wegen ihres neuen Kurses in der Bildungsarbeit zu vertreten hatten. 17
Anton Heinen war nicht nur der Leiter, sondern auch der „Spiritus Rector“ (die treibende Kraft) des Heimes. Weniger lebhaft als in der Vorkriegszeit (vor 1914) und mehr im Plauderton versuchten Heinen und Pieper – zeitweise unterstützt von Schneider und Neuenhofer – den Teilnehmern „die Lebensgesetze der Gemeinschaft in Ehe, Familie, Berufsstand und Volk“ vor Augen zu führen.
Nach Übergabe des ehemaligen Kindererholungsheimes in Paderborn an den VV begann am 02.12.1923 im so genannten Franz-Hitze-Haus der 17. volkswirtschaftliche und staatsbürgerliche Kursus. Bis 1931 pendelte sich die Zahl der Besucher dieser Kurse in Paderborn auf 40 bis 60 ein.
Es wurde 1926 Beschwerde darüber geführt, dass die organische Verbindung zwischen „theoretischer Zentrale“ (des VV in Mönchengladbach) und „praktischen Ortsgruppen und Landessekretariaten“ nicht entstehen könne, weil die Referenten auf Konferenzen und Versammlungen im Lande „schöne Vorträge“ hielten, aber die Geschäftsführer und Landessekretäre „mit der Not ihres Vereinslebens im allgemeinen allein ließen“. Sie waren „Einzelkämpfer“.
So wollten der Erzbischof des Erzbistums Freiburg, Dr. Carl Friedrich Fritz (1864 – 1931), und der Landessekretär, Ernst Föhr, von der Tätigkeit der Zentralstelle des „Volksvereins“ „kaum etwas bemerkt“ haben. Tatsächlich beschränkte sich die Präsenz von Heinen, Pieper, van der Boom, Schneider, Neuenhofer oder Algermissen bei zunehmender Außentätigkeit in den weit entfernten Bezirken auf wenige mehr als ein- oder mehrtägige Aufenthalte in Mönchengladbach.
Von 1922 bis 1927 fanden mit gleichbleibend hoher Teilnehmerzahl insgesamt fünf „Junglandkurse“ an der Zentralstelle in Mönchengladbach und im Franz-Hitze-Haus in Paderborn statt. Aber die finanzielle Krise an der Basis – in der Zentrale des VV – hatte bereits bedrohliche Formen angenommen. 18
Auf Wunsch der interessierten Jungbauern wurde die Veranstaltungsdauer zunächst von drei bzw. vier Tagen auf eine Woche und schließlich auf zwei Wochen heraufgesetzt. Anton Heinen führte die Kurse gemeinsam mit Egidius Schneider und Johannes Hatzfeld durch. Die Ansprechpartner Heinens und seiner Helfer waren nach eigenem Bekunden „jene jungen Bauern, denen der drohende Zerfall unseres alten Bauerntums zu Herzen ging und die bereit waren, an der Wiedererweckung eines echten bäuerlichen Gemeinschaftslebens in ihrer Heimat mitzuarbeiten“.
Die von Heinen und Schneider vorgegebenen Themen sollten Leitgedanken bieten, die den Besprechungen für je einen Tag zugrunde gelegt wurden. So blieben Leiter und Teilnehmer nicht bei beschaulichen Betrachtungen stehen. Wirtschaftliche, staatsbürgerliche und kulturelle Themen standen im Mittelpunkt des 5. Junglandkurses vom 16. bis 29.01.1927 in Paderborn. Als Einzelfragen standen unter anderem volkswirtschaftliche Aufgaben des „Nährstandes“, Agrarzölle, bäuerliche Selbsthilfe und „Existenzfragen des Bauern im Volksstaat“ zur Diskussion.
Aus den Junglandkursen gingen seit 1927/1928 die mehrmonatigen bäuerlichen Volkshochschulkurse hervor, die Heinen als Krönung seiner Kursarbeit in Paderborn betrachtete. Hier sah er die „neue Methode der Führerbildung“ am vollkommensten ausgeprägt.
Die Teilnehmerzahl dieser zunächst zwei-, dann dreimonatigen Kurse schwankte zwischen 40 und 52. Nach dem ersten gelungenen Kursus vom 01.12.1927 bis zum 31.01.1928 entschloss sich die Zentralstelle des „Volksvereins“, das Franz-Hitze-Haus in den Wintermonaten ganz als „Bauernhochschule“ einzurichten. Anton Heinen und Egidius Schneider teilten sich die wichtigsten Arbeiten der bäuerlichen Volkshochschule: Lebenskunde, Staatsbürgerkunde, Geschichte und Volkswirtschaftslehre. Die bäuerliche Volkshochschule sollte nach dem Willen Heinens und Schneiders weder eine landwirtschaftliche Fachschule noch eine wissenschaftliche Hochschule, sondern letztlich eine „Besinnungsschule“ sein.
In möglichst konkret zu gestaltenden Gesprächen sollten die Schüler zunächst in die Gemeinde, als einem der Familie übergeordneten Lebenskreis mit eigenen wirtschaftlichen, staatlichen und kulturellen Aufgaben sowie in den Sinn der bürgerlichen Selbstverwaltung eingeführt und anhand eines Etats über die Obliegenheiten der Gemeinde aufgeklärt werden. Darauf aufbauend sollten sie den Staat erfassen lernen und Verständnis für ihn als „höchste menschliche Schöpfung im handelnden Leben“ und als „Machtinstrument des handelnden Volkes“ gewinnen.
Die Teilnehmer wurden ferner eingeführt in die Bestimmungen und den Geist der Reichsverfassung. Nur so war es nach der Ansicht Heinens und Schneiders möglich, „den Volksstaat richtig zu beurteilen“; nur so ließen sich die Teilnehmer für die Bejahung des Staates und die positive Mitarbeit im aufbauenden politischen Leben gewinnen und gegen „Reaktion und Utopie“ immunisieren. Die Lebens- und Bürgerkunde und die sozialethische Bildungsarbeit der bäuerlichen Volkshochschule sollte von religiösem Geiste getragen sein.
Seit 1928/1929 wurden Heinen, Schneider und Hatzfeld bei der Durchführung der Bauernkurse von dem Geschäftsführer des Franz-Hitze-Hauses, Lambert Hamacher, und dem Diplomlandwirt Erich Ohlendorf, unterstützt. In einer geistig fruchtbaren Arbeitsgemeinschaft von Lehrenden und Hörern erhielten die Anwesenden „eine seelische Prägung für ihr ganzes Leben“.
Vom 15.11.1932 bis zum 15.02.1933 dauerte der 6. bäuerliche Volkshochschulkursus unter der Leitung von Anton Heinen. Er hatte zu Pfingsten 1932 (wegen der Finanzkrise und zur Entlastung des VV) die kleine Pfarrei Rickelrath in der Nähe von Mönchengladbach übernommen und wirkte weiter an den Kursen des „Volksvereins“ mit.
Wiederum standen staatsbürgerliche, kulturelle und volkswirtschaftliche Themen im Mittelpunkt der Veranstaltung, in der Lehrer und Teilnehmer „neben ernster Arbeit auch ein frohes Beisammensein pflegten, somit eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft bilden sollten“, die aber zunehmend von den politischen und wirtschaftlichen Wirren der Jahreswende 1932/1933 überschattet wurde.
Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30.01.1933 löste unter den Kursusteilnehmern nach den Erinnerungen Lambert Hamachers eine derartige Euphorie aus, dass Heinen und Egidius Schneider Mühe hatten, den Kursus ordnungsgemäß zu Ende zu führen. Die Kursusarbeit der Zentralstelle des VV fand damit ihr abruptes Ende.
Wenig später musste auch die Kursusarbeit im Lande, deren Bedeutung im Zuge der Dezentralisierung der Vereinsarbeit in der Nachkriegszeit (nach 1918) erheblich zugenommen hatte, eingestellt werden.
Dr. Schneider fungierte gleichzeitig von 1931 – 1935 als Geschäftsführer (zuletzt als Liquidator) des „Vereins zur Förderung der bäuerlichen Bildung e.V.“ in Berlin. Diese Institution war eine Dachorganisation der „Christlichen Landvolkshochschulen Deutschlands“ in Berlin.
Nach Auflösung des VV durch die Nationalsozialisten am 01.07.1933 kam auch für Dr. Egidius Schneider die Zeit des Schweigens und der inneren Emigration. Er hatte während seiner Zugehörigkeit zum VV folgende Aufsätze verfasst: „Wie sichern wir die Volksernährung“ (1922); „Die Siedlung eine Lebensfrage des deutschen Volkes“ (1926); „Das deutsche Landvolk im Lichte der jüngsten Volks-, Berufs- und Betriebszählung“ (1928); „Bauernnot und Bauernrettung, Grundfragen moderner Agrarpolitik“ (1928); „Der Bauer und sein Beruf“ (1933); „Bauer und Politik“ (1933); „Der Jungbauer und seine Ehre“ (1933).
Zur ländlichen Volksbildungspflege gab die Zentralstelle des VV eine Monatsschrift für das junge Landvolk mit dem Titel „Jung-Land“ und für die Landtöchter mit dem Titel „Die Jungbäuerin“ heraus. Im Jahre 1933 erschienen drei Broschüren der „Bauernbücherei“ des „Volksvereins“ mit den Titeln „Der Bauer und sein Beruf“, „Bauer und Politik“ und „Der Jungbauer und seine Ehre“, die von Anton Heinen verfasst und von Egidius Schneider herausgegeben wurden. Sie beschäftigten sich mit dem Berufsbild und dem Standort der Landwirte in der „Volksgemeinschaft“.
Dem „Verzeichnis der Mitglieder des Rheinischen Provinziallandtages nach dem endgültigen Ergebnis der Wahl vom 12. März 1933“ zufolge wurde Dr. Egidius Schneider bei dieser Wahl für den Wahlbereich Geldern (Stadt im Kreis Kleve in Nordrhein-Westfalen) mit einem fulminanten Wahlergebnis von rund 40 % als Mitglied der Zentrumsfraktion in den Rheinischen Provinziallandtag gewählt. Er erhielt 14.920 von insgesamt 37.334 möglichen Stimmen. Seine damalige Berufsbezeichnung lautete: „Dezernent für Landwirtschaft und Bauernbildung“ an der „Volksvereinszentrale“ (Mönchengladbach). 19
Wohnhaft war der knapp 40jährige Dr. Egidius Schneider und nur kurze Zeit tätige Landtagsabgeordnete (MdL) seinerzeit in Gladbach-Rheydt, Bismarckstraße (84). Bereits seit 1928 (bis zur Selbstauflösung am 05.07. 1933) gehörte Dr. Egidius Schneider der Zentrumspartei (Partei des politischen Katholizismus) an. 20
Im Jahre 1935 hatte man Dr. Egidius Schneider das Referat „Landcaritas und Brauchtum“ im Caritas-Verband in Köln übertragen. Er betätigte sich vor allem in der Arbeitsgemeinschaft für die Landseelsorge. Er führte auch Bauernexerzitien und Landvolkseelsorgetagungen durch und kümmerte sich vermehrt um politisch Verfolgte und engagierte sich besonders „mit hohem persönlichen Risiko“ in der Beratung und Hilfe für die so genannten „Nichtarier“ und „arisch gemischte Ehepaare“, die auswandern wollten.
Durch diese Tätigkeit – wenn nicht schon früher – muss Dr. Egidius Schneider in die Optik der Nationalsozialisten geraten sein, zumal der Caritas-Verband schon länger als suspekt galt und unter besonderer geheimdienstlicher Beobachtung stand.
In der Nazizeit gehörte Dr. Egidius Schneider der Berufs- und Standesorganisation bzw. dem „Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund“ (NSRB) an. Der NSRB war die Berufsorganisation der Juristen im nationalsozialistischen Deutschen Reich von 1936 – 1945. Hervorgegangen ist die Organisation aus dem „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ (BNSDJ), der von 1928 bis 1936 unter diesem Namen bestand.
Das Kölner Erzbistum dürfte in dieser sehr schwierigen Zeit für „Dr. Eg. Schneider“ (wie seine Paraphe aussah) wohl mehr als nur Schirmherr für dessen Berufstätigkeit gewesen sein, sondern sicherlich auch sein „Beschützer“; denn sonst hätten ihn die Nazis eher ins „Abseits“ gestellt oder gar in ein KZ (Konzentrationslager) einliefern lassen!
Dienstverpflichteter im „Amt Canaris“, Widerstandskontakte, Verhaftung
1940 wurde Dr. Egidius Schneider, der in Köln, Sülzgürtel 40, wohnte, dienstverpflichtet. Als Oberleutnant z.V. (Offizier zur Verfügung und Dienstleistung) mit Rangdienstalter (RDA) 01.04.1940 (31.05.1940) gehörte Schneider im W.Kdo.VI (W.Bez.Kdo.Köln II) zunächst der „Auslandsbrief-Prüfstelle Köln“ an. Danach gelangte er (vermutlich durch Sympathisanten deutscher Widerstandsgruppen oder durch gegen das Naziregime opponierende Seilschaften des „Kölner Klüngels“) in das „OKW/Ausl./Abw. III“. 21
„Im selben Jahr (1940) noch nahm er Kontakt auf mit der Widerstandsbewegung des Kreisauer Kreises. Nach dem Attentatsversuch auf Hitler im Juli 1944 wurde auch Schneider von der Gestapo verhaftet und des Hochverrats angeklagt. Im Gefängnis in Berlin-Plötzensee war er vielen Mitgefangenen, die auf ihre Exekution warteten, Hilfe und Stütze durch Gebete; viele Psalmen kannte er auswendig. Schneider selbst entging der (Verurteilung und) Hinrichtung und geriet in Kriegsgefangenschaft.“
Nach seinen Erzählungen war Dr. Egidius Schneider im „Amt Canaris“ voll im Einsatz. „Hier mein deutsches Vaterland, dort Adolf Hitler, zwei Seelen waren in meiner Brust – Verteidigung des Vaterlandes – Beseitigung der Diktatur und des Diktators.“
Seine weiteren Erzählungen: „Drei Widerstandsgruppen bildeten sich: 1) Hitler muss kaltgestellt werden, auch evtl. durch Tötung. 2) Hitler und die höchsten Verantwortlichen (Minister und Parteifunktionäre) müssen die Macht verlieren. 3) Hitler und die Verantwortlichen müssen gefangen genommen und dem Gericht zur Verurteilung vorgeführt werden. – Dr. Egidius Schneider zählte sich zur 3. Gruppe.“ Und das dürfte der „Kreisauer Kreis“ gewesen sein.
Am 01.03.1942 ist Dr. Egidius Schneider, der offensichtlich erst im OKW seine Kontakte zur „Deutschen Widerstandsbewegung“ und zum „Kreisauer Kreis“ – der Widerstandsgruppe des Grafen Helmuth James von Moltke – ausbauen konnte, zum Hauptmann z.V. aufgerückt. Wie sein Weg von Skepsis über Ablehnung zum Widerstand führte, ist nicht mehr im Einzelnen nachvollziehbar.
Ganz abwegig scheint es nicht, dass Dr. Egidius Schneider womöglich über den Kölner Bankier Carl Theodor Deichmann (Deichmann-Bank in Köln) oder dessen Tochter (Freya, † 01.01.2010 mit 98 Jahren in ihrer Wahlheimat im amerikanischen Bundesstaat Vermont, promovierte Juristin und Ehefrau des Grafen Helmuth James von Moltke, den man schon 1939 als Juristen und Sachverständigen für Kriegs- und Völkerrecht in das Amt „Ausland/Abwehr“ im OKW dienstverpflichtete) zur Abwehr und in Kontakt mit dem „Kreisauer Kreis“ gelangte. Der „Kreisauer Kreis“ bestand aus Männern, die aus ganz unterschiedlichen sozialen, ideologischen und politischen Bereichen kamen.
Graf Helmuth James von Moltke – schon am 19.01.1944 verhaftet, nach dem fehlgeschlagenen Attentat am 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler durch den Volksgerichtshof am 11.01.1945 zum Tode verurteilt und am 23.01.1945 in Plötzensee (der zentralen Hinrichtungsstätte für politische Gefangene in Berlin im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) hingerichtet – galt als die führende Persönlichkeit im „Kreisauer Kreis“, der sich nach der Verhaftung noch im Januar 1944 auflöste. 22
Zuletzt meinte Graf Helmuth James von Moltke in der Gefängniszelle in Plötzensee:
„Wir werden gehenkt, weil wir zusammen gedacht haben.“
Auch der konservativ und national denkende Dr. Egidius Schneider ist vorgeblich von der Gestapo (Geheimen Staatspolizei) in Köln verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und in Berlin-Plötzensee inhaftiert gewesen. Dort war er Mithäftlingen, die auf ihre Exekution warteten, Hilfe und Stütze, tröstete sie und betete mit ihnen den Psalm Davids:
„Der Herr ist mein Hirt, ... Auch wenn ich wandern muss in finsterer Schlucht,
ich fürchte doch kein Unheil; denn du bist bei mir.“
Infolge des nahenden Kriegsendes ist der Widerständler Dr. Egidius Schneider wohl nur knapp der Verurteilung durch Roland Freisler – einer der radikalsten Verfechter nationalsozialistischer Strafrechtsprinzipien und als Präsident des Volksgerichtshofes die Verkörperung des Justizterrors in der Verfolgung der Widerstandsbewegung – und der Hinrichtung durch seine berüchtigten Häscher und Henker entgangen.
Sehr glücklich dürfte Dr. Egidius Schneider – von der Einsamkeit des Widerstandes geprägt – gewesen sein, als ihn die Alliierten befreiten und vorübergehend zum Kriegsgefangenen erklärten. 23
Als im August 1984 die CDU-Ratsfraktion im Kölner Rathaus eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung zusammengestellte Ausstellung über den Widerstand Christlicher Demokraten in den Jahren 1933 – 1945 zeigte, waren dort auch die vorstehenden Passagen über die Verhaftung und den Aufenthalt sowie über die Gefangenenbetreuung von Dr. Egidius Schneider in Plötzensee zu lesen, die offensichtlich auf eigene Aussagen beruhten.
Leiter des Landvolkdienstes und der Landvolkshochschule
Nach den Irrungen und Wirrungen des Zweiten Weltkrieges nahm Dr. Egidius Schneider seine Tätigkeit im Kölner Caritas-Verband wieder auf, die er unter der Naziherrschaft einstellen musste und deren Aufgaben die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) übernommen hatte. 24
Als Diözesanreferent des „Katholischen Männerwerkes“ kümmerte er sich zunächst um die Kriegsheimkehrer; denn in den ersten Nachkriegsjahren waren 170.000 Flüchtlinge/Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten in den ländlichen Bezirken des Erzbistums Köln unterzubringen, zu integrieren und zu betreuen.
Auf dem Mainzer Katholikentag am 03.09.1948 hielt Prälat Dr. Emmeran Scharl (ihn hatte der Kardinal und Erzbischof von München/Freising, Prof. Dr. Michael von Faulhaber, 1947 beauftragt, die Jugendarbeit auf dem Lande zu erneuern und den „Katholischen Landjugend-verband in Bayern“ (KLJB) zu gründen) das Referat zu dem Thema „Das Land von Heute gegenüber Glauben u. Kirche“ und kein geringerer als Dr. Egidius Schneider durfte zum gleichen Thema das Korreferat halten.
Ab 1949 widmete er sich den Anliegen und der Bildungsarbeit der Landbevölkerung, die eine von seinen Lebensmaximen wurde. Besondere Unterstützung erfuhr Dr. Egidius Schneider durch die Seelsorger des „Vorgebirges“ und des Grevenbroicher Gebietes. Er propagierte eine bessere Bildung des Landvolkes und trat für die Einrichtung spezifischer Bildungsstätten ein. Das Angbot, ein Regierungsamt in Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf) oder in der Bundesregierung (Bonn) zu übernehmen, schlug er aus, um dem Landvolk treu zu bleiben.
Über seine Arbeit dachte und schrieb Dr. Egidius Schneider damals:
“So steinig und verunkrautet der Grund der Seelen auf dem Lande sein mag, so schwer es ist, ihn in geduldiger Arbeit wieder aufzulockern und empfänglicher zu machen für die Bruderliebe aus Gottesliebe, so steht doch für den Kundigen heute fest: Auch auf dem Lande wird heute musterhaft gearbeitet; das Wirken der Dorfcaritas besteht mehr in der Stille.”
Im Jahre 1949 errichteten die Diözesen Aachen, Köln und Münster in Freudenberg (Kleve) die „Katholische Landvolkshochschule Freudenberg e.V.“. Der erste Lehrgang für Jungmänner fand vom 21.11. bis 19.12.1949 statt. Am 11.01.1950 begann ein weiterer vierwöchiger Kurs für Jungbauern. Er bildete eine Ergänzung und Fortführung der bestehenden Bildungsmöglichkeiten des Landvolkes, insbesondere der landwirtschaftlichen Schulen. Dem Vorstand und Kuratorium der Katholischen Landvolkshochschule Freudenberg gehörte unter anderen auch Dr. Egidius Schneider aus Köln an.
In der Erzdiözese Köln entstand der Wunsch nach einer eigenen Bildungseinrichtung dieser Art und Dr. Egidius Schneider machte diese Angelegenheit zu einem dringenden Anliegen, weil er sich schon lange mit der ländlichen Bildungsarbeit befasst hatte. Bereits 1932 veröffentlichte er zusammen mit dem Volksbildner und Sozialpolitiker Anton Heinen (1869 – 1934) eine Denkschrift zur „katholischen Bauernbildung“, in der Beruf, Volk, Religion und Kirche als deren geistige Grundlage beschrieben wurden.
Von dem Kölner Erzbischof und Kardinal Joseph Frings (1942 – 1969) wurde Dr. Egidius Schneider im Frühjahr 1950 zum Leiter des „Landvolkdienstes“ (Katholische Landvolkbewegung) im Erzbistum Köln berufen.
In der Überzeugung, dass die ländliche und christliche Bildungsarbeit nur durch eine Institutionalisierung zu verbessern sei, machte sich Dr. Egidius Schneider für die Gründung einer entsprechenden Einrichtung – einer Landvolkshochschule – stark. In den Dörfern sprach er das Landvolk unmittelbar an, um so am ehesten die Bedürfnisse des bildungswilligen und landwirtschaftlichen Berufsstandes in Erfahrung zu bringen.
Schon am 27.11.1950 erfolgte die Eröffnung der „Katholischen Landvolkshochschule“ des Erzbistums Köln im Nikolausstift in Füssenich (Zülpich). Ihr Auftrag war es, „die jungen Menschen des Landvolkes zu christlichen Persönlichkeiten heranzubilden, die befähigt und bereit sind, ihre Aufgaben in Familie, Nachbarschaft, Dorf, Berufsstand, Volk und Kirche zu erkennen und zu erfüllen.“
Mit der Leitung wurde erwartungsgemäß der promovierte Egidius Schneider betraut. In Füssenicher klösterlicher Abgeschiedenheit hatte er zurückgezogen und in aller Stille die Gründung und den Aufbau einer Landvolkshochschule mit den notwendigen Statuten und eines vorläufigen Lehrplanes vorbereitet.
Der erste Lehrgang dieser Bildungsstätte für „Jungbauern“ fand vom 27.11.1950 – 11.12.1950 mit großem Erfolg und überaus positiver Resonanz statt. 1951 belegte die weibliche Landjugend („Landmädchen“ oder „Landfrauen“) erstmals analoge Seminare.
Dr. Egidius Schneider stand auf dem Standpunkt, dass den Jungbauern und -bäuerinnen eine Weiterbildungsmöglichkeit nach der katholischen Soziallehre und der christlichen Ethik in den Landvolkshochschulen geboten werden soll, wozu die herkömmlichen Landwirtschaftsschulen außerstande und auch nicht konzipiert seien.
Schon am 13.11.1951 fand die Landvolkshochschule Füssenich ihre Aufnahme in den neu gegründeten Verband Katholische Landvolkshochschulen Deutschlands. 1952 verlegte die Landvolkshochschule von Füssenich nach Rhöndorf ins „Haus Kemenate“ des Mütter-Kurheimes St. Hedwig („Engelsburg“) und nannte sich von nun an „Katholische Landvolkshochschule Rhöndorf am Rhein“. Die ersten Kurse in Rhöndorf wurden zunächst nur im Winter durchgeführt.
Die erste Eintragung im Gästebuch der „Katholischen Landvolkshochschule in Rhöndorf“ tätigte Dr. Egidius Schneider. Sie lautete:
„Zur frohen Erinnerung an den 1. Lehrgang für junge Bauern vom 2. – 23. Jan. 53
Glücklich, wer da ist Bauer und Christ. Dr. Egidius Schneider.“
„Von Anfang an überzeugte Dr. Egidius Schneider durch seine Rhetorik und seine Überzeugungskraft. Seine spannenden Darstellungen waren für uns (Kursteilnehmern) ein einmaliges Erlebnis.“ – Seine Grundsätze waren: „Sehen – Urteilen – Handeln. Was war, was ist? – Wie sollte es sein? – Was ist zu tun?“ So urteilen noch heute die Zeitzeugen von damals über Dr. Egidius Schneider.
Am 04.11.1954 wurde die „Katholische Landvolkshochschule Rhöndorf“ durch das Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) als „Volkshochschule/Heimvolkshochschule“ in der Trägerschaft des Erzbistums Köln anerkannt.
Aber Dr. Egidius Schneider fühlte sich noch nicht am Ziel seiner Wünsche: Er wollte durch einen Neubau den Verbleib dieser Erwachsenenbildungsstätte im Schatten des Drachenfelses und des Siebengebirges in Rhöndorf unbedingt sichern.
Ab Frühjahr 1956 nahmen die Bagger das Gelände der Landvolkshochschule in Rhöndorf in Beschlag. Es wurde abgerissen und größer und zweckmäßiger gebaut. Architekt war Dipl.-Ing. Joachim Schürmann aus Köln, der später auch den Rathausbau in Bad Honnef konzipierte. Die Veranstaltungen der Katholischen Landvolkshochschule in Rhöndorf hatte man während der Bauphase ins „Haus Marienhof“ in Ittenbach und ins Venusberger (Bonner) „Liebfrauenhaus“ verlegt.
Dr. Egidius Schneider meinte in seinem „Bauherrenspruch“ anlässlich der Grundsteinlegung in Rhöndorf:
„Am guten Alten in Treue halten, auf altem Grund bauen.
Neues zu jeder Stund’, am kräftigen Neuen sich labend erfreuen!“
Die „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf
Dr. Egidius Schneider erlebte die Einweihung des neuen und schönen Landvolkshochschulkomplexes in Rhöndorf durch Kardinal und Erzbischof Joseph Frings am 29.09.1958 leider nicht mehr. „Die Schule trägt nun, in Erinnerung an ihren verdienstvollen Gründer, den Namen „Landvolkshochschule Egidius Schneider“.
Er ist viel zu früh und unerwartet am Morgen des 11.01.1958 mit 64 Jahren an Herzversagen während eines „Lehrganges für junge Landwirte und in einer Bauernwerkwoche“ im „Haus Marienhof“ in Ittenbach (Standesamt Königswinter Nr. 4/1958) verstorben. Am Vorabend hatte er noch mit den Kursteilnehmern diskutiert.
Zunächst wurde Dr. Egidius Schneider in Köln beerdigt, doch seine letzte Ruhestätte fand er schließlich an der Seite seiner bereits 10 Jahre früher verstorbenen Ehefrau (Margareta geb. Hansen) auf dem Friedhof in Mönchengladbach. Die Grabstätte gibt es längst nicht mehr.
Der Gründer und Leiter der Katholischen Landvolkshochschule in Rhöndorf gehörte auch dem Diözesankomitee der Vorstandsmitglieder des „Katholischen Männerwerkes“ der Erzdiözese Köln an, zählte zu den führenden Mitarbeitern der „Gemeinschaft Katholischer Männer Deutschlands“ und zum Vorstand und Kuratorium der 1949 ins Leben gerufenen “Katholischen Landvolkshochschule Freudenberg e.V.” (Kleve).
In unzähligen Vorträgen, Einkehrtagen und Referaten, besonders in den über 200 ländlichen Seminaren und durch seine ausgedehnte schriftstellerische Tätigkeit – er gab die Schriftenreihe „Landmann Gottes“ heraus – hatte sich Dr. Egidius Schneider einen Namen und über die Erzdiözese Köln hinaus bekannt und verdient gemacht.
Mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit begann Dr. Egidius Schneider 1922 in Mönchengladbach. Seine erste Veröffentlichung lautete: „Geldentwertung und Valutaverschlechterung“.
Es folgten weitere Publikationen – hauptsächlich „Schriften religiöser Art und Abhandlungen über kulturelle, soziale und wirtschaftliche Lebensfragen des Landvolkes sowie über das Siedlungswesen und die Bauernbildung“, die in Buch-, Broschüren- und Zeitungsveröffentlichungen publik wurden. Die meisten Broschüren sind im „Volksvereins-Verlag GmbH., Mönchen-Gladbach“, gedruckt worden und erschienen.
Bisher kennen wir und konnten gesichtet (*) werden: „Von christlicher Dorfsitte“ (1936); „Von der christlichen Dorfgemeinschaft“ (1936); „Unser Haus“ (1939)*; „Der ländlichen Familie Werte und Würde“ (1936); „Landmann Gottes“ (1937)*; „Die Siedlung“ (1926)*; „Der christliche Bauer“ (1936); „Das deutsche Landvolk im Lichte der jüngsten Volks-, Berufs- und Betriebszählung“ mit viel Statistik (1928)*; „Der Landarbeiterwohnungsbau“; „Wie sichern wir die Volksernährung?“; „Die Jungbauernbewegung“; „Die Kirche, eine Hüterin des Bauern-tums“ (1936)*; „Bauernbücherei des Volks-vereins“ (1933); „Bauernnot und Bauernrettung“ mit viel Statistik (1928)*; „Das Land von heute gegenüber Glauben und Kirche“ (1948)*; „Das Dorf und seine Toten“ (1937); „Vom Bauerntum im Amt Neustadt“ (1929)*. Der Autor schloss den letzten Aufsatz mit der „dreifachen Mahnung:“
„Werdet alle fortschrittliche Landwirte, Bleibt echte Bauern, Seid Hüter der Heimat.“
Durch alle Publikationen von Dr. Egidius Schneider zieht sich wie ein roter Faden seine Sorge um eine gute Ausbildung der Bauernschaft, wie kommen die Jungbauern an eigene Höfe und wie können sie eine eigene Existenz aufbauen. Er wollte von den im Lande geläufigen und abwertenden Sätzen: „Die dümmsten Bauern kriegen die dicksten Kartoffeln“ oder „Zum Bauern langt es noch“ abkommen. Ihm gefiel auch nicht die Bezeichnung „Die lateinischen Bauern“ oder die „Rübenstudenten“, wie die Landwirtschaftsschüler genannt wurden. 25
Dr. Egidius Schneider erinnerte oft an die Existenznot des bäuerlichen Nachwuchses. Er erwähnte auch die Spannungen, die zwischen den Arbeitern in den Steinbrüchen und den Bauern bestanden, und die sonntags in der Kirche gemeinsam aus lauter Kehle das Lied sangen, dass die Kirchenwände zitterten, „Wir sind im wahren Christentum“ und nachher war draußen im grauen Alltag von christlicher Gemeinschaft vielfach bitter wenig zu spüren.
„Wo ein Kirchturm ist, da steckt unser Herrgott seinen Finger aus der Erde.“
So sprachen einst unsere Ahnen. Aber wir wollen die „gute alte Zeit“ nicht über den grünen Klee loben. Auch damals gab es Zank und Streit unter den Dörflern.
Dr. Egidius Schneider galt als Mitglied des „Reichsverbandes deutscher Schriftsteller“ und der „Reichsschrifttumskammer“ (Mitgl.-Nr. 7846), wo er am 08.10.1938 für die Herausgabe schriftstellerischer Arbeiten mit dem Decknamen „A. Kurtenbach“ eingetragen wurde. Bei der Namenswahl dürfte der Publizist an seinen Vettelschosser Großvater (Anton Kurtenbach) gedacht haben, der aber schon über zwei Jahre verstorben war, als Dr. Egidius Schneider (1893) das Licht der Welt erblickte. 26
Unter „A. Kurtenbach“ veröffentlichte Dr. Egidius Schneider in dem 1937 erschienenen Buch „Landmann Gottes“ Nr. 1 – 10 (Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für Landseelsorge – Herausgegeben von Dr. Egidius Schneider) den Aufsatz „Das Kreuz in der Flur“.
In dem Druckwerk „Landmann Gottes“ publizierte Dr. Egidius Schneider unter Klarnamen die Artikel „Der christliche Landmann“, „Der ländlichen Familie Werte und Würde“, „Von christlicher Dorfgemeinschaft“ und „Von christlicher Dorfsitte“.
Womöglich hatten die Nazis den „schreibenden“ Patrioten im Herbst 1938 bereits mit einem Publikationsverbot belegt oder er ahnte dieses und befürchtete schon Schlimmeres. Vielleicht meinte er, seine wahre Identität durch die Zulegung eines Pseudonyms zu schützen oder gar das drohende Publikationsverbot zu unterlaufen.
Der „Schniedisch Jilles“ – wie man Egidius Schneider landläufig nannte – aus Vettelschoß war sehr heimatverbunden. Vielleicht trug er sich mit dem Gedanken, seinen Lebensabend in Vettelschoß zu verbringen, womöglich auf der elterlichen Klitsche, die er so liebte. Aber es kam alles ganz, ganz anders!
Dr. Egidius Schneider galt als eine beredte Persönlichkeit, welche die Bildungsarbeit in den ländlichen Gebieten des Erzbistums Köln lange Jahre maßgebend beeinflusste und sich nicht in großen Theorien aufhielt, sondern seine wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den praktischen Erfahrungen in einfacher und bildlicher Sprache weitergab.
Die renommierte und von Dr. Egidius Schneider gegründete Erwachsenenbildungsstätte in Rhöndorf (Honnef) nannte sich mit Stolz – „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider”.
Die Bekanntschaft von Dr. Egidius Schneider mit dem Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke – dem späteren Bundespräsidenten (1959 – 1969) – basierte aus der Zeit von vor 1933, als beide in der „Deutschen Bauernschaft“ und in der Zentrumspartei aktiv waren.
Dr. Egidius Schneider reiste vor 1933 bis nach dem damaligen Oberschlesien und hielt Bildungstage und -wochen ab. Er setzte sich überall für die Landmenschen und insbesondere für die bäuerliche Bevölkerung ein.
Aber auch den Kölner Oberbürgermeister und ersten Nachkriegs-Bundeskanzler, Dr. Konrad Adenauer (1949 – 1963), dürfte Dr. Egidius Schneider näher gekannt haben; denn Konrad Adenauer trat 1905 in die Zentrumspartei ein, war von 1917 – 1933 Oberbürgermeister von Köln und Mitglied des Rheinischen Provinziallandtages (seit 1920 als Vorsitzender). Dr. Konrad Adenauer war später des öfteren Gast der „Katholischen Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf.
So dürfte Dr. Egidius Schneider auch mit dem ersten Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Dr. Wilhelm Boden (01.12.1946 – 08.07.1947), in Verbindung gestanden haben. Dieser engagierte Zentrumspolitiker gehörte bereits 1919 kurzfristig dem Rheinischen Provinziallandtag an und dann wieder von 1929 bis 1933.
Der Kölner Erzbischof und Kardinal Joseph Höffner (1969 – 1987) bezeichnete am 22.09.1972 bzw. 01.10.1972 die „Katholische Landvolkshochschule“ in Rhöndorf als eine vorbildliche „Bildungsstätte für Erwachsene und Jugendliche“. Bei diesem Besuch hob er die am 20.12.1954 von Erzbischof und Kardinal Joseph Frings unterzeichnete „Satzung der Katholischen Landvolkshochschule in Rhöndorf“ durch ein Statut auf und setzte ein neues mit Wirkung vom 01.10.1972 in Kraft.
Am 01.06.1973 kam das ehemalige Kloster der Franziskaner in Marienthal (Westerwald) als Zweigstelle zu der LVH Rhöndorf. Nach einer anderen Version hieß es, dass am 17.05.1975 die Exerzitien- und Schulungsstätte in Marienthal (aufgegeben 1982, nach einem Neubau 1979, weil das Weiterbildungsgesetz eine Förderung von Bildungseinrichtungen außerhalb der Landesgrenzen von NRW nicht mehr zulässt) eine Nebenstelle von Rhöndorf geworden ist.
Am 31.07.1974 wurden diese Bildungsstätten nach dem erlassenen Weiterbildungsgesetz des Landes NRW akzeptiert und am 19.03.1975 fand die „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider” als Einrichtung der Weiterbildung mit Internatsbetrieb die offizielle Anerkennung des Kultusministers von NRW und wurde seither mit staatlichen Fördermitteln bedacht.
Bis zur Schließung der „Katholischen Landvolkshochschule Egidius Schneider” fanden in den Objekten von Rhöndorf auch Studientagungen für Lehrer und Erzieher, für Verantwortliche der Pfarrgemeinden, Pfarrgemeinderäte, Küster, Organisten und Chorleiter, Tagungen für die Kreis- und Ortsvorsitzenden des „Rheinischen Landwirtschaftsverbandes“ und der „Rheinischen Landfrauenbewegung“ sowie religiös- und lebenskundliche Seminare für geschlossene Klassen von Berufs- und Landwirtschaftsschulen statt.
Der große Mann aus kleinen Verhältnissen
In Veranstaltungen aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Tagungseinrichtung in Rhöndorf ist am 14.06.1975 und am 08.09.1990 der Gründung der „Katholischen Landvolkshochschule Egidius Schneider” vor 40 Jahren sowie am 09.09.2000 des 50-jährigen Jubiläums mit Ansprachen von höchsten kirchlichen und politischen Persönlichkeiten feierlich gedacht worden.
Kardinal und Erzbischof von Köln, Joseph Höffner, meinte: „Zum 25jährigen Bestehen wünsche ich der Landvolkshochschule, daß sie durch ihre Arbeit dem bäuerlichen Menschen und den Gemeinden in unserem Erzbistum hilft, die christliche Tradition auch im kommenden Vierteljahrhundert lebendig zu bewahren und in das dritte Jahrtausend nach Christus weiterzuführen.“
1975 meinten die Honoratioren: „Dr. jur Dr. rer. pol. Egidius Schneider, der Gründer und erste Leiter der heute nach ihm benannten Landvolkshochschule, war eine Persönlichkeit, die die Bildungsarbeit in den ländlichen Gebieten des Erzbistums Köln und darüber hinaus durch Jahre hindurch maßgeblich beeinflußt und geprägt hat. Mannigfache, heute noch blühende Aktivitäten der Gemeinschaftsbildung und Weiterbildung verdanken ihm ihren Ursprung.“
Bei der 50-Jahrfeier wünschte man sich noch, „dass die versprochene Modernisierung des Hauses (Rhöndorf) bald in Angriff genommen wird“. – „Denn die LVH Egidius Schneider in Rhöndorf habe sich zu einer anerkannten Bildungsstätte für die ländliche Bevölkerung in der Erzdiözese Köln entwickelt.“
Dabei wurden die Verdienste und das Engagement von Dr. Egidius Schneider – der kleine Bauernbursche, Hütejunge, Sohn einfacher Leute und im bäuerlichen Milieu des kleinen und kaum bekannten Dorfes (Vettelschoß) aufgewachsen – als Initiant, Gründer und erster Leiter dieser Erwachsenenbildungseinrichtung in Füssenich bzw. Rhöndorf besonders hervorgehoben. Es hieß unisono:
“Dr. Egidius Schneider war allen ein väterlicher Freund und guter Lehrer.”
Kein geringerer als Friedrich von Schiller erwähnte in seinem Gedicht „Das Siegesfest“:
„Wenn der Leib in Staub zerfallen, lebt der große Name noch.“
Anmerkungen:
1.Das Haus im Turm ist das älteste Profangebäude in Bad Honnef und bereits um 1400 nachgewiesen. Im Mittelalter war hier der Sitz der Herren von „Rhoendorp“ (Rhöndorf) und des Richters des Amtes Löwenburg. Um 1830 wurde das Gebäude im klassischen Stil umgebaut und erweitert. Seit Mitte des 19. Jh. bis 1963 befand sich die Villa im Besitz der Familie Merkens. Vom Erzbistum Köln wurde die Villa dann zur Landvolkshochschule ausgebaut und mit neuen Nebengebäuden versehen. Die Entwürfe stammten von dem Dipl.-Ing. und Architekten Joachim Schürmann.
2.Bei dem Gemeindevorsteher Heinrich Reufels handelte es sich um den Landwirt, der sich auch Verwalter nannte und der Onkel des letzten „Sieferhalfe“ (Pächter eines Hofes in Adelsbesitz zu Halbpacht) namens Mathias Reufels war. Dieser Mathias Reufels hatte 1904 den “Sieferhoff“ = Seiferhof gepachtet. 1930 konnte er ihn (ohne den Wald) von dem offensichtlich klammen Fürsten bzw. Freiherrn von Salm-Kyrburg-Rennenberg käuflich erwerben. – Schon 1904/1905 glaubten die verärgerten Gemeinderatsmitglieder von Vettelschoß mit dem Rennenberger die „Faxen dicke“ zu haben, weil er für mehrere Jahre mit der Zahlung der Jagdpacht von jährlich 300 Mark im Rückstand lag. Nach dem Gemeinderatsbeschluss unter dem Vorsteher Bernhard Jünger aus Vettelschoß vom 16.08.1905 wurde der Jagdpachtvertrag vom 16.06.1900 mit dem Fürsten von Salm-Kyrburg-Rennenberg kurzerhand aufgekündigt und die Jagd „dem solidarischen Bürger Heinrich Reufels vom Seiferhof“ übertragen.
3.Der Abbau des hochwertigen Säulenbasalts, den auch das am 07.09.1921 gegründete „Schmelsbasaltwerk“ in Kalenborn (Schmelz-Basalt-Aktiengesellschaft in Linz als Tochtergesellschaft der „Basalt-Actien-Gesellschaft“) zum Schmelzen und zur Herstellung von verschleißfesten Werkstoffen für die Montanindustrie bevorzugte, wurde in acht Sohlen in die Tiefe und der Abtransport zunächst durch zwei Stollen und dann über zwei „Bremsberge“ mit Doppelaufzügen durchgeführt. – Wahrscheinlich 1865 – wie am Hummelsberg – haben die Gebrüder Jan Goedkoop (Kaufmann und Reeder) und Wouter Goedkoop (Kaufmann und Steinbruchbesitzer) aus Amsterdam unter Beteiligung der Firma Dominikus Zervas Söhne aus Brohl bzw. Köln am „Wölsberger Kegel“ in Vettelschoß mit dem systematischen und manuellen Abbau des im fast gesteinslosen Holland so dringend benötigten Säulenbasalts – die „Blauw- oder Hoeksteen“ (Blau- oder Ecksteine) – als „Wasserbausteine“ den Anfang gemacht. – Die Niederländer nannten den Steinbruch „Steengroeve“ oder „Wölsberg“ (Wühlberg). Der Name „Wölsberg“ hatte die BAG. in Linz zunächst von den Holländern übernommen, aber versucht, ihn allmählich in „Willscheiderberg“ umzubenennen, obwohl bis zur Schließung wegen des unergiebigen Abbaues von Basalt im Jahre 1974 der Steinbruchbetrieb in Vettelschoß „lohnlistenmäßig“ immer noch „Wölsberg“ genannt wurde. – Vor allem waren es die Säulen, die anfangs zur Schleusen- und Küstenbefestigung sowie zur Trockenlegung der Zuidersee regen Absatz fanden. Der Basalt vom Wöls- oder Willscheiderberg diente aber auch als Baumaterial für Rheinuferbefestigungen, zur Erweiterung und Sicherung von Helgoland und Sylt vor dem „Blanken Hans“ (Nordsee) sowie später zum Bau des Nord-Ostsee-Kanals und vor allem für die Schleusenanlagen in Brunsbüttel und Kiel sowie für den Hindenburgdamm (11 km langer Eisenbahndamm zwischen dem schleswig-holsteinischen Festland und der Insel Sylt). – Von den Einheimischen wurde der Basaltkegel (Wöls- oder Willscheiderberg) vor der Abbauphase schlicht „Vellschosser Hüvvel“ (Vettelschosser Hügel) genannt, der wahrscheinlich am 10.05.1784 noch „unberührt“ war, als der Arzt und Schriftsteller Dr. Bernhard Constantin Friedrich Joseph Vincenz Maria von Schoenebeck dort rastete und die herrliche Sicht ins Siebengebirge bewunderte.
4.Nach der Schulbesichtigung am 13.11.1908 wurde festgestellt: „Der Lehrer macht den Eindruck eines guten Menschen und hat wohl auch guten Willen. Der Lehrer ist treu und fleißig, sein Lehrgeschick läßt aber zu wünschen. Um das Schulhaus herum liegen Krautstrunken.“ – Und am 27.03.1917 meinte der Ortsschulinspektor (Pfarrverwalter/Pfarrvikar Peter Isermann, der Vettelschosser Seelsorger vom 13.05.1909 – 30.05.1925): „Lehrer Gärtner lässt Gottes Wasser über Gottes Land laufen.“ – „Im Schulsaal waren 7° C., der Lehrer sparte an Heizungsmaterial und erschien in Pantoffeln und ohne Krawatte, sein Anzug war fleckig und die Fingernägel schwarz, ein zerbrochenes Dachfenster war mit einem Sack zugestopft.“ – Der Geistliche plädierte für eine baldige Pensionierung des in der Gemeinde Vettelschoß allseits geschätzten und zur Legende gewordenen Lehrers. Zum Abschied erhielt Lehrer Johann Jacob Gärtner nach seiner über 43jährigen Schulamtstätigkeit in Vettelschoß (und Vertretungen in Kalenborn) von der Gemeinde Vettelschoß einen Küchenherd geschenkt.
5.Im Jahre 1895 war den Gläubigen der Gemeinde Vettelschoß durch den Neustadter Pfarrer Johann Benedikt Kirsch erstmals in der St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß die Osterkommunion gespendet worden. – Und der erste eigenständige Geistliche in Vettelschoß, der Pfarrvikar (Pfarrvertreter/Pfarrverwalter) Johann Peter Klöckner (1896 – 1906), „durfte“ 1899 zum ersten Male mit den Kindern aus der Gemeinde Vettelschoß in der St.-Michaels-Kapelle die Erstkommunion feiern. – Seit 1728 sind Eheschließungen in der ehemaligen St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß durch Geistliche aus Neustadt überliefert. Von 1815 an (vermutlich schon früher) wurden Sonntagsgottesdienste in der Kapelle in Vettelschoß gefeiert. Seit wann waren Taufen gestattet?
6.Der hl. Ägidius (Aegidius) oder Egidius als Namenspatron muss nach 586 gelebt haben, war griechischer Herkunft und Eremit in der Provence. Er soll am 01.09 (Egientag) zwischen 720 und 725 in Saint-Gilles-du-Gard verstorben sein. Das angeblich von Ägidius gegründete und nach ihm benannte Benediktinerkloster Saint-Gilles mit seiner mutmaßlichen Grabstätte in der Krypta der ehemaligen Abteikirche – die von unzähligen Pilgern auf dem St.-Jakobs-Weg zum Grab des Apostels Jakobus im galicischen Santiago de Compostela aufgesucht wird – war im Mittelalter bedeutendes europäisches Wallfahrtsziel. St. Gilles – wie die Franzosen den ersten Abt dieses Klosters nennen – gehört mit zu den 14 Nothelfern. – Seine Verehrung breitete sich seit dem 11. Jahrhundert bis nach Norddeutschland, Polen, Ungarn und Schweden aus. Er wird gegen Geisteskrankheiten (Epilepsie) sowie Unfruchtbarkeit angerufen und gilt auch als Patron der stillenden Mütter und des Viehs. Sein Attribut ist eine Hirschkuh.
7.Diese alteingesessene Vettelschosser Familie „Ewens“ – im Volksmund auch die „Küstisch“ genannt – ist schon vor 1698 in Vettelschoß nachweisbar. Sie schrieb sich ursprünglich mit „s“ und nur durch einen Übertragungsfehler kam es im Taufbuch (1859) in Neustadt zur Schreibweise mit „z“. Der Familienname „Ewens“ oder “Evens“ ist als „Haferbauer“ oder „Haferanbauer“ deutbar.
8.Erst 1922/1923 erfolgte die Installation des Stromnetzes, und zwar im Wesentlichen aus dem Erlös (675.000 Mark) des Grundstücksverkaufs am 29.09.1921 bzw. 16.02.1922 an die Schmelz-Basalt-Aktien-Gesellschaft in Linz, um den Bau des Schmelzbasaltwerkes in Kalenborn zu verwirklichen.
9.Tagesordnungspunkte des seinerzeitigen Vettelschosser Gemeinderates waren der Bau und die Streckenführung der Eisenbahnlinie Linz – Seifen (Altenkirchen) mit zumindest einem Bahnhof im Gemeindegebiet (es wurden dann doch zwei Bahnhöfe, und zwar in Kalenborn und Vettelschoß) sowie der Anschluss an eine öffentliche und von der Kreisverwaltung Neuwied projektierte Wasserleitung. Dafür bestand allerdings in der Gemeinde Vettelschoß – nach Ansicht der Gemeindeväter – zunächst kein Bedarf, weil vorgeblich ausreichend und gutes Wasser in den Brunnen des Gemeindegebietes für Mensch und Vieh vorhanden war. Erst am 01.05.1928 – nach langem Hickhack – wurde die Gemeinde Vettelschoß an das Kreisgruppenwasserwerk „Linzerhöhe“ angeschlossen.
10.Bei den Großeltern väterlicherseits von Egidius Schneider handelte es sich um Lambert Schneider, Landwirt, * 04.01.1816 in Heisterbacherrott, † 17.04.1881 in Heisterbacherrott, ∞ seit 23.04.1842 in Niederdollendorf mit Helene Henseler, * 02.07.1812 in Heisterbacherrott, † 06.11.1890 in Heisterbacherrott. – Seine Großeltern mütterlicherseits waren Anton Kurtenbach, Bauer, * 02.02.1820/1821 in Vettelschoß, † 29.04.1891 in Vettelschoß, ∞ mit Margarete Stockhausen, * 21.08.1819 in Willscheid, † ? in Vettelschoß. – Die Vorfahren bzw. die Alteltern der Margarete Stockhausen nannten sich um 1700 nach dem Beruf des Ururgroßvaters „Kaufmann von/aus Stockhausen“, weil dieser einer „Kaufmannssippe“ aus Stockhausen entstammte. – Curtenbach/Kurtenbach gab es nachweislich in Vettelschoß schon 1618/1650. Er ist wohl dort der älteste überlieferte Name, der als „die vom Hof am Bach“ (curtis/cort = Hof) gedeutet werden kann.
11.Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg vorgelegt von Egidius Schneider. Referent: Geheimrat Prof. Dr. Mayer. Dissertation (lat.), Inauguraldissertation, wissenschaftlich selbständige, schriftliche Abhandlung, die für die Zulassung eines Kandidaten zum Promotionsverfahren (Erwerb des Doktorgrades) durch Fakultäten gefordert wird.
12.„Und wenn man, wie Raiffeisen, eine Mutter hat mit innig-frommen Wesen, so wird in das bildsame Knabengemüt der Grund gesenkt zu einem starken Glauben, unerschütterlichen Gottvertrauen und zu einem warmen sozialen Empfinden. Echte Mütter wirken hier durch ihr lebendiges Beispiel Wunder. Raiffeisen hatte eine solche echte, starke Mutter, die trotz der großen Kinderschar und des frühen Todes ihres Gatten nicht verzweifelte. Sie weckte in dem Knaben das Selbstvertrauen, den Arbeitsgeist, das mütterliche Erbteil der Hingabefreudigkeit, die den wahren Führer auszeichnen, der aus einem inneren heiligen Drang heraus sich dem Dienst an seinen Mitmenschen weiht und jene innere Beglückung fühlt, die schöpferisches Wirken auslöst. Diese mit der Muttermilch eingesogene seelische Haltung ließ ihn sein späteres bewunderungswertes Lebenswerk als eine göttliche Mission ansehen, an der er auch in den Tagen der Not und des Leides nicht verzweifelte.“ – „Die Lebensdaten Raiffeisens erzählen auch von Drangsalen und Enttäuschungen, aber nicht minder von starkem, ungebrochenem Überwinderwillen. Große Männer, bahnbrechende Führerpersönlichkeiten, die ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen haben, deren Wirken unauslöschlich ist, müssen Leid und Not gekostet haben, müssen Trauernde gewesen sein. Weil Raiffeisen selbst durch eine harte Lebensschule gegangen war, konnte er dem Bauernstand Führer aus der Bedrängnis sein. Er war mit dem ländlichen Volkstum verwachsen. Er kannte die Sorgen und Verhältnisse der kleinen Leute. Des Bauern Bedrängnis war ihm eigene schwere Not. Sie ließ ihn nicht zu Ruhe kommen. Sie schürte in seiner Brust jene heilige Unzufriedenheit, die einer empfinden muß, der Mißverhältnisse beseitigen will. Sie machte ihn nicht zu einem weichlichen Träumer, schwach und tatenlos, sondern sie ließ ihn erfinderisch werden und machte ihn zum Schöpfer des neuen Rettungsmittels: der Genossenschaft. Ein tiefes Lebensgeheimnis sehen wir in ihm aufs neue bestätigt: Alles Neue muß unter Schmerzen geboren werden, wie das Kind unter den Geburtswehen der mit dem Tode ringenden Mutter.“
13.Diese Gaststätte mit Tanzsaal im damaligen Dorfzentrum von Vettelschoß hatte der „Backmann's-Jupp“ – ehemals Bäcker und Schiffskoch – von seiner Tante, der Carolina Elisabeth Kurtenbach geb. Hecken (* in Günterscheid, getauft am 07.05.1824 in Windhagen, † 01.01.1909 in Vettelschoß) – auch „Car-Lis-Möhnche“ genannt – übernommen, die seit dem 04.05.1847 (Windhagen) mit dem Ackerer und Gastwirt Heinrich Kurtenbach II. aus Vettelschoß verheiratet und die Tochter des ersten Volksschullehrers („ludi-magister“) nach Einführung der Schulpflicht im Windhagener Kirchdorf sowie Mitbegründerin eines Kolonialwarenladens in Vettelschoß war. – Es bestanden 1803 Schulen in Neustadt, Windhagen, Buchholz, Asbach, Waldbreitbach, Roßbach und Kurtscheid – aber noch nicht in Vettelschoß. Der nächste Schulort für die Kinder aus der Gemeinde Vettelschoß befand sich in Windhagen, „etwa eine halbe Stunde Weges entfernt.“ – Weder bei der Nassauischen Regierung in Wiesbaden (Administrationskommission) noch in Ehrenbreitstein waren Hinweise auf die Elementarschule in Vettelschoß zu finden. 1815 wurden die Akten an die Regierung Preußens in Ehrenbreitstein abgegeben und gelangten von dort in das Landeshauptarchiv in Koblenz. – Da die Aufsicht über das Elementarschulwesen erst 1848 von den standesherrlichen Regierungen auf die preußische Bezirksregierung übergegangen ist, haben sich die älteren Schulakten über Vettelschoß in einem früheren Bestand (Wiedische Regierung zu Neuwied) befunden, der im Zweiten Weltkrieg den Brandbomben zum Opfer gefallen ist. – Windhagen hatte zum 06.06.1843 erstmals ein neues Schulhaus. Bei einer Visitation eines Vertreters der Erzdiözese Köln in Windhagen am 05.11.1686 wurde mit Nachdruck die Einrichtung einer Schule gefordert. Schon nach 1674 hatte man versucht, in Windhagen eine Schule einzurichten. 1725 bestand in Windhagen eine so genannte Winterschule, in der in einem gemieteten Klassenzimmer in der Nähe der Kirche oder in der Kirche von Allerheiligen bis März der „unregelmäßig“ besuchte Schulunterricht abgehalten wurde. 1839 existierte in Windhagen noch immer die gewohnte Kirchspiel- oder Pfarrschule. – Bei Übernahme der Rheinlande (21.06.1815) durch den Preußenkönig Friedrich (1770 – 1840), der am 14.05.1825 die Schulpflicht einführte, waren nahezu 75 % der Bewohner noch Analphabeter. Das Königreich Preußen hatte die allgemeine Schulpflicht bereits 1717 unter der Devise eingeführt „ein aufgeklärter Fürst hat entschieden, dass er gebildete Untertanen braucht.“ – Das alte Gast- oder Wirtshaus „Kurtenbach“/„Hecken“ mit Saal in Vettelschoß (Michaelstraße 7) ist erst nach der längst abgerissenen Wirtsstube „Prangenberg“ bzw. „Mohr“ (Hauptstraße) entstanden, in der am 15.04.1892 die Vettelschosser Postagentur aus der Taufe gehoben wurde. Der Tanzsaal „Kurtenbach/Hecken“ musste mehrmals in den Jahren 1882, 1892 und 1898 während verschiedener Baumaßnahmen am Schulsaal und der Lehrerwohnung in Vettelschoß auch als Schulstätte dienen. – Unvergessen sind die großzügigen Spenden der „Car-Liss-Möhnche“ für die St.-Michaels-Kapelle und für die Kirche „Heilige Familie“ in Vettelschoß. Der Urgroßvater (Philipp Kurtenbach) von Heinrich Kurtenbach war zugleich der Ururgroßvater von Egidius Schneider.
14.Ihr Vater war Dr. jur. Robert Hansen, Rechtsanwalt und Justizrat, * 08.04.1862 in Mönchengladbach, ∞ seit 09.08.1889 in Mönchengladbach, † 29.05.1920 in Mönchengladbach. Die Mutter hieß Elisabeth Margarethe Venne, * 26.02.1863 in Mönchengladbach, † 20.09.1935 in Köln. – Bei den Großeltern väterlicherseits der Ehefrau von Egidius Schneider handelte es sich um Peter Mathias Hansen, Gutsbesitzer, * 04.10.1824 in Mönchengladbach, † 18.05.1896 in Mönchengladbach, ∞ seit 30.09.1856 in Giesenkirchen-Schelsen mit Maria Josefine Weyers, * 16.08.1835 in Schelsen, † 19.10.1871 in Mönchengladbach. – Ihre Großeltern mütterlicherseits waren Anton Engelbert Venne, Baumeister, * 12.02.1830 in Werel, † 23.03.1911 in Mönchengladbach, ∞ mit Maria Elisabeth Theckarz, * 10.02.1829 in Mönchengladbach, † 30.09.1902 in Mönchengladbach.
15.Aus 1692/1718 ist uns Johann Anton Kurtenbach (* ?, † in Vettelschoß, beerdigt am 18.04.1720 in Neustadt, ∞ vor Juli 1695 in Neustadt mit Agnes Schmitz, † in Vettelschoß, beerdigt am 14.07.1722 in Neustadt) als Landgerichtsschöffe des kurkölnischen Amtes Altenwied und Sendschöffe der Pfarrei Neustadt sowie Mitbegründer der St.-Matthias-Bruderschaft des Amtes Altenwied. aus Vettelschoß bekannt. – Dieser Johann Anton Kurtenbach war es, der zusammen mit den Schöffen Kirschbaum, Heuser und Hallerbach aus dem „Wenterkeschbel“ (Kirchspiel Windhagen) die Gründung der St.-Matthias-Bruderschaft im kurkölnischen Amte Altenwied – zu dem die damaligen Pfarreien Asbach, Neustadt, Windhagen und ab 1835 die Pfarrei Buchholz zählten – vornahm und die erste Wallfahrt 1722 von der St.-Bartholomäus-Pfarrkirche in Windhagen zum Apostelgrab nach Trier initiierte, aber selber nicht mehr teilnehmen konnte. – Heinrich Kurtenbach (Sohn von Philipp Kurtenbach) hieß am 16.05.1797 der Vettelschosser Hun- oder Honschaftsbürgermeister. Ihn (und Johann Peter Hoppen mit dessen Stiefsohn Nikolaus Langenfeld) hatte die Franzosenmeute wegen eines Eies in Geiselhaft genommen, um von den Bürgern ein horrendes Lösegeld zu erpressen. – Als Provisor der „Kapell“ (St.-Michaels-Kapelle) oder „Capellen-Provisor“ bzw. „Capelmeister“ zu Vettelschoß ist uns aus 1727/1729 ein Heinrich Kurtenbach überliefert. Er war Schöffe wie sein bekannter Vater Johann Anton Kurtenbach. Für Egidius Schneider waren Johann Anton Kurtenbach mit Ehefrau Agnes geb. Schmitz in der 6. Generation die Alturgroßeltern oder die Ururururgroßeltern. – Die alten Vettelschosser Bauersleute „Kurtenbach“ (im Volksmund die „Kotebaas“ genannt) engagierten sich Jahrhunderte lang selbstlos in vielerlei Hinsicht im Gemeindegebiet von Vettelschoß und machten sich verdient.
16.Die geistigen, politischen und sozialen Umwälzungen im späten 18. und frühen 19. Jh. erschütterten die Schlüsselstellung der katholischen Kirche in Deutschland nachhaltig – und das nach der Reformation ein zweites Mal. Den großen Herausforderungen der Aufklärung, der „Ideen von 1789“ (es war der demokratische Verfassungsstaat, die „Idee von 1914“ war wiederum die Verachtung des Verfassungsstaates), des Liberalismus, der modernen Geistes- und Naturwissenschaften und der Entstehung einer kapitalistisch ausgeprägten industriellen Massengesellschaft begegneten Papstum, Kirche und Klerus lange Zeit mit hilfloser Ablehnung und pauschaler Verurteilung. – Doch die selbst gewählte Isolation und die Säkularisierung ehemals blühender kirchlicher Lehranstalten verringerten die ohnehin eingeschränkten Bildungschancen der mehrheitlich minderbemittelten und agrarisch-kleinstädtischen katholischen Bevölkerung und führten zu einer geistig-kulturellen Rückständigkeit, die letztlich in einer tiefgehenden Inferiorität (Minderwertigkeit) mit entsprechenden Komplexen mündete. – Der unmittelbar nach der „Reichsgründung“ 1871 entfesselte Kulturkampf isolierte aber die nun als „ultramontan“ (streng päpstlich gesinnt) angefeindeten Katholiken erneut. Erst der allmähliche Abbau der Kulturkampfgesetze seit dem Beginn des Pontifikats Leos XIII. (1810 – 1903) im Jahre 1878 machte den Weg für eine Integration der katholischen Volksminderheit in den preußisch-protestantischen Hohenzollern-staat frei. Vor allem die mit fortschreitender Industrialisierung immer akuter werdende soziale Frage und der Aufstieg der Sozialdemokratie bewog nicht nur die etablierten politischen Parteien, sondern auch eine Reihe von Unternehmern, auf soziale Reformen zu drängen. – Am 20.05.1880 konstituierte sich in Aachen der „Verband katholischer Industrieller und Arbeiterfreunde“ – kurz „Arbeiterwohl“ genannt – mit dem Ziel, „die gespannten Verhältnisse zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu ordnen und zu bessern“. Der Verein, an deren Spitze der Mönchengladbacher Textilfabrikant Franz Brandts (1834 – 1914) als Vorsitzender und der junge Kaplan Franz Hitze (1851 – 1921) als Generalsekretär standen, wandte sich der Wohlfahrtspflege, der Organisierung der katholischen Arbeiter und der Sozialpolitik zu. – Während er auf dem Gebiet der innerbetrieblichen Sozialfürsorge zunächst nur bescheidene Erfolge erzielte (die Brandtssche Fabrik in Mönchengladbach mit Betriebskrankenkasse, moderner Arbeitsordnung und Arbeiterausschuss galt weithin als Musterbetrieb), erwies sich die von Franz Hitze initiierte Gründung katholischer Arbeitervereine, denen geistliche Präsides vorstanden, als zukunftsweisend. – Ebenso machte sich Hitze seit 1882 bzw. 1884 als Zentrumsabgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus und im deutschen Reichstag zum Fürsprecher und Mitgestalter sozialer Reformen und staatlicher Sozialgesetzgebung. – Hitze und Brandts brachen mit den bis dahin noch geläufigen Lehrmeinungen bedeutender katholischer Sozialtheoretiker wie Adam Müller, Franz von Baader und Franz von Vogelsang, die soziale Frage sei nur durch einen Rückgriff auf vorindustrielle ständestaatliche Strukturen zu lösen. Ihr an den Notwendigkeiten des kapitalistischen Wirtschaftssystems orientierter sozialer Pragmatismus ermöglichte auch den Brückenschlag zu anderen bedeutenden nichtkatholischen Sozialreformen wie den „Kathedersozialisten“ Prof. Gustav Schmoller (1838 – 1917) und Lujo Brentano (1844 – 1931) und eine gemeinsame Arbeit in so bedeutenden Institutionen wie dem „Verein für Sozialpolitik“ und der „Gesellschaft für soziale Reform“. – Zehn Jahre nach seiner Gründung stand die eintausenköpfige Mitgliederzahl des Verbandes „Arbeiterwohl“ in keinem Verhältnis zu den von ihm erzielten Erfolgen. Erst nach Otto von Bismarck (1890) kündigte sich eine Wende in der deutschen Innenpolitik an. Der unmittelbar vorausgegangene Aufruf von Wilhelm II. (Deutscher Kaiser und König von Preußen 1888 – 1918), die Arbeiterschutzgesetzgebung voranzutreiben, der Fall des Sozialistengesetzes und die Vorbereitung der Enzyklika „Rerum novarum“ vom 15.05.1891, in der Papst Leo XIII. nicht mehr nur christliche Nächstenliebe und kirchliche Caritas, sondern auch legislative Maßnahmen zur Lösung der sozialen Frage anmahnte, ließen den Ruf nach einem mitgliederstarken katholischen Verein mit Schulungscharakter als Gegengewicht zur atheistischen revolutionären Sozialdemokratie immer lauter werden. – So wurde am Freitag, 24.10.1890, der „Volksverein für das katholische Deutschland“ (VV) in Köln im am 16.05.1863 von Carl Ernst eröffneten Hotel Ernst (Excelsior Hotel Ernst am Dom in Köln) gegründet, doch nach Mönchengladbach, dem Wohnsitz des ersten Vorsitzenden, Franz Brandts, verlegt. Die Gründung dieses aus freier Laieninitiative hervorgegangenen „Vereins“ erfolgte erst nach massiver Intervention des Zentrumsführers Ludwig Windthorst (1812 – 1891) gegen den erbitterten Widerstand maßgeblicher katholisch-konservativer Kreise um den Freiherrn Felix von Loe-Terporten (1825 – 1896) und den Trierer Bischof Michael Felix Korum (1840 – 1921), die sich von Beginn an für einen Abwehrverein gegen den antikatholischen „Evangelischen Bund zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen“ ausgesprochen hatten. – Als Zweck des VV nannten die Statuten „die Bekämpfung der Irrtümer und der Umsturzbewegungen auf sozialem Gebiete, sowie die Verteidigung der christlichen Ordnung in der Gesellschaft.“ – Aus diesen noch recht vage formulierten Aufgaben kristallisierten sich folgende Tätigkeitsfelder heraus:
a.Die Abwehr der sozialrevolutionären und kirchenfeindlichen Programmatik der Sozialdemokratie.
b.Die Propagierung der christlichen Sozialreform.
c.Die staatsbürgerliche Bildung und politische Mobilisierung der Wählerschaft der Zentrumspartei.
d.Die Schulung von Funktionären für die Vereine des sozialen Katholizismus, insbesondere der Arbeitervereine und der christlichen Gewerkschaften, sowie die allgemeine Volks- und Erwachsenenbildung.
Die hiermit verknüpften weitreichenden Ziele waren:
.eine aktive Teilnahme der Katholiken am politischen und wirtschaftlichen Leben des Staates,
.eine Beeinflussung der sozialpoltischen Gesetzgebung mittels der Zentrumspartei,
.eine allmähliche Demokratisierung des Hohenzollernreiches, ohne an den Grundfesten der Monarchie zu rütteln,
.eine Beseitigung des Bildungsdefizits der Katholiken.
Der Verbreitung und Tiefenwirkung der Volksvereinsidee unter den Mitgliedern, deren Zahl erst nach der Jahrhundertwende rapide anstieg und im Sommer 1914 über 800.000 erreichte, diente eine Vielzahl von Versammlungen, Konferenzen und Kursen, die den aus allen Berufsgruppen rekrutierten Teilnehmern grundlegende Kenntnisse in Steuerfragen, in Fragen des Tarif- und Arbeitsrechts, der Jugend- und Wohlfahrtspflege, der Kommunal- und Staatspolitik vermittelten. – In einem umfangreichen und breitgefächerten Schrifttum, das von der Mitgliederzeitschrift „Der Volksverein“, der für die Schulung der geistlichen Vereinsvorsteher und der Geschäftsführer des VV konzipierten „Präsideskorrespondenz“ bis zu einer unübersehbaren Zahl von Flugschriften und Flugblättern reichte, wurdern aktuelle außen-, innen und vor allem sozialpolitische Fragen aufgegriffen, auf weiteres Schulungsmaterial verwiesen und über vereinsinterne Vorgänge berichtet. – Ausgangs- und Mittelpunkt der vielfältigen und weit gespannten Aktivitäten des VV war seine Zentralstelle in Mönchengladbach, die sich unter der Führung (Generalsekretär) des jungen Klerikers August Pieper (1866 – 1942) seit 1892 zum Zentrum katholisch-sozialer Bestrebungen schlechthin entwickelte. Sie fungierte als Exekutivorgan des Vereinsvorstandes, an dessen Spitze bis zu seinem Tode am 05.10.1914 Franz Brandts als Vorsitzender, der einflussreiche rheinische Zentrumspolitiker Carl Trimborn (1854 – 1921) als dessen Stellvertreter, Franz Hitze als Schriftführer und der Kölner Bankier (Bankdirektor) Johannes (Johann) Elkan als Kassenwart standen. Die Wahl der Vorstandsmitglieder des VV erfolgte während der alljährlich auf den Katholikentagen abgehaltenen Generalversammlungen. – Seit 1903 oblag die Leitung der Zentrale des VV einem Direktorium, das sich aus dem Generaldirektor Pieper und den Direktoren Dr. Heinrich Brauns (1868 – 1939, Geistlicher, Mitglied der Nationalversammlung und des Reichstages, Reichsarbeitsminister) und Dr. Wilhelm Hohn (1871 – 1954, Militärgeistlicher in Trier) zusammensetzte. Zwischen 1899 und 1909 wurden mehrere wissenschaftlich vorgebildete Dezernenten eingestellt. Die von Beginn an zielstrebig ausgebaute Bibliothek hatte Mitte 1914 einen Bestand von insgesamt 50.048 Bänden. – Die neue, am 18.08.1906 verabschiedete Satzung des VV, die bis zum 10.12.1928 in Kraft blieb, war Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins als „Verein der Vereine“ im Geflecht der von ihm geförderten berufs- und lebensständischen Organisationen. – Der Zentrumspartei – bis 1918 ein reiner Honoratiorenverein – stellte der VV die Massenbasis. Er übernahm die staatsbürgerliche Schulung ihrer potentiellen Wählerschaft und trug zur Popularisierung ihrer Politik in erheblichem Maße bei. Die Bestrebungen führender rheinischer Zentrumskreise, die Partei auch für Protestanten zu öffnen, fanden in dem im Jahre 1906 von Julius Bachem (1845 – 1918, Chefredakteur der Kölnischen Volkszeitung, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses) verfassten Artikel „Wir müssen aus dem Turm heraus“ ihren prägnanten Ausdruck. Die darin enthaltene Forderung, das Zentrum von einer kirchlich-katholischen Interessen-, in eine christliche Volkspartei umzuwandeln, unterstützte der VV vorbehaltlos. – Doch der „Zentrumsstreit“ erreichte einen vorläufigen Höhepunkt, als der Oberhausener Kaplan Edmund Schopen und zehn weitere Geistliche und Laien in der zunächst geheimgehaltenen „Osterdienstagskonferenz“ vom 13.04.1909 in Köln mit bischöflicher und kurialer Rückendeckung eine Unterordnung der Partei unter die kirchliche Hierarchie anmahnten. – Während die Diskrepanzen um die Partei zumindest vordergründig abebbten, verschärften sich die Auseinandersetzungen um die Notwendigkeit interkonfessioneller christlicher Gewerkschaften, die sich seit 1894 gegenüber den religiös ausgerichteten katholischen Arbeitervereinen als rein wirtschaftliche Interessenvertretung christlicher Arbeitnehmer herausgebildet hatten. Die aktive Unterstützung der christlichen Gewerkschaften durch den VV trug vor allem Generaldirektor August Pieper die erbitterte Gegnerschaft einer Reihe von konservativen Berliner Klerikern und Laien ein, die von den Oberhirten der Diözesen Breslau und Trier, Georg Kopp (1837 – 1914, Bischof von Fulda, Fürstbischof von Breslau, Kardinal) und Michael Felix Korum in der Verurteilung des „verseuchten Westens“ und der Forderung, statt Gewerkschaften, doch Fachabteilungen in den katholischen Arbeitervereinen einzurichten, unterstützt wurden. – Erst die Enzyklika „Singulari quadam“ von Papst Pius X. (1835 – 1914), in der er katholische Arbeitervereine zwar bevorzugte, Gewerkschaften aber zumindest tolerierte, beendeten im Jahre 1912 vorläufig die jahrelangen Querelen, in deren Verlauf es auch dank des Beistandes der Bischöfe von Köln und Paderborn, Antonius Hubert Fischer (1840 – 1912, Titularbischof, Weihbischof, Erzbischof von Köln, Kardinal) und Karl Josef Schulte (1871 – 1941, Bischof von Paderborn, Erzbischof von Köln, Kardinal), nicht zu der von Kardinal Georg Kopp im Jahre 1910 angedrohten päpstlichen Verurteilung des VV kam. – Der generelle Vorwurf von integraler Seite, der VV habe sich der „Weltarbeit“ verschrieben und vernachlässige kirchenpolitische und pastorale Aufgaben, fand sowohl bei weiten Teilen des Klerus als im übrigen auch bei denjenigen Bischöfen Gehör, die ihn im „Gewerkschaftsstreit“ noch unterstützt hatten. – Die Versuche der Bischöfe, das Finanzgebaren, die Personalpolitik und gewisse Sachentscheidungen des VV durch Aufnahme eines Vertrauensmannes in seinen Vorstand zu beeinflussen, führten seit 1908 zu Auseinandersetzungen, die sich erst nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 kurzzeitig beruhigten. – Mönchengladbach sah seine „vaterländische Hauptaufgabe“ nunmehr in der Stärkung des Durchhaltewillens der Zivilbevölkerung und der im Felde stehenden Soldaten. Weiterhin konzentrierte sich die Arbeit des VV, der zwischen 1914 und 1918 nahezu ein Drittel seiner Mitglieder, Geschäftsführer und Vertrauensleute durch Einberufung zum Kriegsdienst verlor, darauf, seine Organisation zu stabilisieren. Der VV stellte das Völkerringen als deutschen Verteidigungskrieg dar. – Für Generaldirektor Pieper war der Krieg ein „Erzieher“, ein „reinigendes Gewitter“, das den „Gemeinsinn des Volkes“ förderte, die „stolzen Mannestugenden“, wie „Tapferkeit, Treue und Gehorsam“ entwickelte und eine „neue Nähe zu Gott“ ermöglichte. Seine Kriegsarbeit trug dem VV auch den Respekt wichtiger Reichs- und Landesbehörden ein. – Trotzdem kam es während des Krieges innerhalb des Katholizismus zu scharfen Kontroversen um das Dreiklassenwahlrecht in Preußen, für dessen baldige Aufhebung Kaiser Wilhelm II. sich in seiner Osterbotschaft 1917 ausgesprochen hatte. Während die christlichen Gewerkschaften, die katholischen Arbeitervereine und der VV die Ausführungen des Kaisers einhellig begrüßten, Generaldirektor Pieper selbst sogar die Teilnahme der Sozialdemokratie an der politischen Verantwortung forderte, lehnte die mehrheitlich konservativ besetzte Zentrumsfraktion des preußischen Abgeordnetenhauses wie auch der deutsche Episkopat eine Änderung der bestehenden Verhältnisse nicht zuletzt aus Furcht vor einer zu erwartenden sozialistisch-liberalen Mehrheit und einer Entkonfessionierung der Schule entschieden ab. – Das Engagement des VV für diese Bestrebungen erhöhten das Misstrauen der Bischöfe. Ohnehin hatten sich seit dem Amtsantritt von Felix von Hartmann (1851 – 1919, Bischof von Münster, Erzbischof von Köln) 1913 die Fronten verhärtet. Noch im selben Jahr verlangte der Erzbischof von Köln, den VV kirchlicher Autorität zu unterstellen und keinen akademischen Beamten, insbesondere keinen Geistlichen ohne Zustimmung des Kölner Ordinarius an der Zentrale des VV in Mönchengladbach zu beschäftigen. – Diese, am 29.08.1916 wiederholten Forderungen, die der Kölner Erzbischof auch in einer daraufhin erfolgten Audienz für den neuen Vereinsvorsitzenden Carl Trimborn nicht zurücknahm, verunsicherte den auf seine unabhängige Position bedachten Vorstand des VV. Schon zuvor hatte Generaldirektor Pieper alle diese Forderungen zurückgewiesen, zog aber am 02.12.1918 die Konsequenzen und bat vom Amt des Generaldirektors des VV zum 01.04.1919 zurückzutreten. – Dem VV gelang es überraschend schnell, sich nach 1918 den neuen Herausforderungen zu stellen und am Aufbau des „Volksstaates“ – auch gegen den Widerstand konservativer katholischer Kreise – aktiv mitzuarbeiten. – Nach den Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung am 19.01.1919 sah Mönchengladbach seine Hauptaufgabe darin, den innen- und außenpolitisch gefährdeten neuen Staat zu stabilisieren, die schon bei den Reichstagswahlen vom 06.06.1920 sichtbar gewordene politische Zersplitterung zu überwinden und eine „einheitliche Grundstimmung für den politischen Neuaufbau eines echt demokratischen Deutschland“ zu schaffen. – Weiterhin versuchte der katholische Massenverein (Volksverein), die wirtschaftlichen Interessenkämpfe überwinden zu helfen und angesichts des befürchteten wirtschaftlichen Zusammenbruchs zu verstärkter Arbeitsleistung und Sparsamkeit anzuhalten. Gleichzeitig kanalisierte der VV geschickt antikapitalistische Stimmungen in den Reihen der katholischen Arbeitnehmer durch eine von ethisch-religiösen Grundlagen ausgehende Verurteilung des „Mammonismus“ (Geldgier). – Das aufklärende Schrifttum, die Durchführung von Massenveranstaltungen für die konfessionelle Schule und die Teilnahme von Rednern des VV an den so genannten kleinen Katholikentagen sicherten ihm bis 1921/1922 einen breiten Zulauf. – Seine Ziele, die „Selbstbestätigung der Katholiken auf sozialem, staatsbürgerlichem und kulturellem Gebiet“ durch Schulung „tausender verantwortungsbewußter und besonnener Führer in Staat und Wirtschaft“ zu fördern, machten sich aber seit 1922 mehr und mehr die katholischen Standes- und Interessenverbände zu eigen. Vor allem im sozialpolitschen Bereich verlor Mönchengladbach zusehends an Boden. – Nach dem Tode von Carl Trimborn wählte der Gesamtvorstand des VV am 30.08.1921 den Reichstagsabgeordneten Wilhelm Marx (1863 – 1946, Vorsitzender der Zentrumsfraktion, Parteivorsitzender, von Nov. 1923 – Januar 1925 Reichskanzler, anschließend wenige Monate preußischer Ministerpräsident, von Mai 1926 – Juni 1928 erneut Reichskanzler) zum neuen 1. Vorsitzenden des VV. – Er bekleidete dieses Amt ebenso wie sein Stellvertreter, der Bamberger Prälat und Domkapitular und Fraktionsvorsitzende der Bayerischen Volkspartei und Mitglied des deutschen Reichstags, Johann Leicht (1868 – 1940), bis zum Verbot des VV im Jahre 1933.
17.Im „Inselbad“ – vor den Toren Paderborns gelegen – war das neue Kursusheim zunächst von den Abdinghofer Benediktinerinnen als Garten mit Gartenhaus und seit 1856, nachdem auf dem Gelände zwei Quellen entdeckt worden waren, als Sanatorium mit Kur- und Badehaus, Wandelhalle, Park- und Schwimmbad genutzt worden. Im Ersten Weltkrieg diente es als Lazarett, nachher infolge einer Stiftung als Kriegerheilstätte mit Siedlungsgut in der Senne und schließlich als Erholungsheim für pflegebedürftige Kinder. Als die Hauptfürsorgestelle der Provinz Westfalen keine Mittel mehr bereitstellen konnte, glaubten die neuen Gesellschafter im Sinne der Stifterin, Else Schönbeck, zu handeln, wenn sie den Nachlass dem VV „für seine großen und staatsbürgerlichen Volksbildungsaufgaben“ zur Verfügung stellten.
18.Das Geschäftsjahr 1924/1925 war für den VV noch mit einem kleinen Überschuss abgeschlossen worden. Doch von da an wurde die finanzielle Situation und die chronische Finanznot des VV immer bedrohlicher. Am 27.07.1928 beschloss der Vorstand die Gründung der Gesellschaft zur Förderung des VV mit beschränkter Haftung und betraute sie mit der Wahrnehmung der Rechtsgeschäfte des VV. – Es wurde eine Geldsammlung bei den Mitgliedern der Reichstags- und einigen Landtagsabgeordneten der Zentrumspartei, bei Ministern, begüterten Laien, einer Anzahl katholischer Tageszeitungen, den höchsten kirchlichen Stellen und dem Pfarrklerus durchgeführt, die jedoch nicht den erhofften Betrag erbrachte. Auch der allgemeine Spendenaufruf des Generaldirektors Josef van der Velden im Oktober 1930 blieb wirkungslos. Die Oberhirten von Paderborn, Münster und Rothenburg zogen ihre gegebenen Zusagen wieder zurück. Der bayerische Episkopat versagte dem VV von vornherein jede finanzielle Hilfe. – Aber einen Konkurs wollte man unbedingt vermeiden. Es folgten Personalentlassungen und Objektrückgaben. Auch schlitterten Unternehmen, die eng mit dem VV zusammengearbeitet hatten, in die Insolvenz. Der VV war nicht mehr in der Lage, Löhne und Gehälter rechtzeitig auszuzahlen. Es sollte nun schnellstmöglich eine rechtliche Trennung von Verlag und VV herbeigeführt werden. Am 28.12.1929 erfolgte die Einleitung des Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses für den Volksvereinsverlag. – Am 07.02.1930 kam es zu einem Vergleichsvorschlag, in dem 93 Gläubiger Forderungen in Höhe von insgesamt 3,7 Millionen RM anmeldeten. Die Gewerbebank in Mönchengladbach, die der Verlagsgesellschaft einen Kredit von 700.000 RM gewährt hatte, musste schließlich wegen zusätzlicher interner Machenschaften ihre Schalter schließen. Der Zorn der geschädigten Gewerbetreibenden richtete sich aber eigentlich grundlos gegen den VV. – Der unvermeidliche Personalabbau an der Zentrale des VV traf auch so bedeutende Männer wie Anton Heinen, der zu Pfingsten 1932 eine Pfarrstelle in Rickelrath bei Mönchengladbach annahm, aber an den Kursen des VV weiter mitwirkte, und August Pieper, für dessen Ruhegehalt auf Betreiben des damaligen Bischofs von Paderborn, Caspar Klein (1865 – 1941, Apostolischer Vikar von Anhalt, Domkapitular und Generalvikar, Erzbischof), elf Diözesen nach einem bestimmten Verteilerschlüssel aufkamen. Die Bezüge des gesamten Personals der Zentrale des VV wurden drastisch gekürzt. – Aber alle Entscheidungen zahlten sich nicht mehr aus! – Einen kurz vor der Reichstagswahl vom 05.03.1933 veröffentlichten Aufruf gegen die „nationale Erhebung“, den neben dem VV fast alle katholischen Verbände unterzeichnet hatten, nahm die Nationalsozialistische-Regierung zum Anlass, wegen angeblicher staatsfeindlicher Betätigung des VV am 01.07.1933 die Zentrale und ihre Außenstellen durch die Gestapo besetzen und schließen zu lassen. – Bereits am 07.07.1933 erhielt Wilhelm Marx die Aufforderung, binnen weniger Tage 30.000 RM für Gehälter, Mieten, Steuer- und Versicherungsrückstände zu besorgen. Insgesamt jedoch beliefen sich die Verbindlichkeiten des VV inzwischen auf „rund 373.000 Mark“, die angesichts der Drohung des Mönchengladbacher Polizeipräsidenten, die Vorstandsmitglieder persönlich haftbar zu machen, „mit allergrößter Beschleunigung“ aufgetrieben werden mussten. – Am 22.07.1933 musste der Vorsitzende des VV, Wilhelm Marx, den Vorstand bitten, die Liquidation des VV in die Wege zu leiten. Sämtlichen Angestellten wurde zum 01.10.1933 gekündigt. – Auf Bitten des Volksvereinsvorsitzenden erklärten sich die Mitglieder der Fuldaer Bischofskonferenz im Spätsommer 1933 bereit, durch eine weitere große Sammelaktion 150.000 Mark aufzubringen, um so auch einen befürchteten Schauprozess gegen den VV mit all seinen Folgen für den Gesamtkatholizismus zu verhindern. – Bis zur Jahreswende 1933/1934 gelang es dann nicht nur mit Hilfe der Bischöfe, sondern auch durch großzügige Spenden eines Kreises um die katholischen Industriellen, aus rückständigen Mitgliedsbeiträgen und persönlichen Zuwendungen von Vorstandsmitgliedern den Großteil der Schulden des VV zu tilgen. Zunächst wurden die Geschädigten der Gladbacher Gewerbebank abgefunden. Die Stadt Mönchengladbach kaufte die der Druckerei im Dezember 1931 verpfändete Bibliothek und rettete sie so vor einer Beschlagnahme durch die Gestapo. – Am 24.01.1934 enteignete durch Verfügung des Regierungspräsidenten in Düsseldorf unter Berufung auf die Gesetze über die „Einziehung kommunistischen bzw. volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ vom 26.05.1933 und 14.07.1933 den gesamten Besitz des VV, des Volksvereinsverlages und der Rheinischen-Druckerei-AG. – Die Anklageschrift vom 10.10.1933, die zum so genannten „Kleinen Volksvereinsprozess“ vom 04. bis 20.12.1933 vor dem Landgericht Mönchengladbach führte, enthielt den Vorwurf der Untreue zum Nachteil des Volksvereinsverlages, gegen den seit 1932 als Direktor des Bonifatiuswerks in Wien wirkenden ehemaligen Generaldirektor Hohn. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Carolus-Druckerei-GmbH. in Frankfurt/Main, Friedrich Dessauer, und dessen Geschäftsführer, Josef Knecht, wurden angeklagt, Hohn hierzu angestiftet bzw. Beihilfe geleistet zu haben. Die vorgebrachten Anschuldigungen ließen sich in der Hauptverhandlung jedoch nicht erhärten. – Erfolglos verlief auch der Versuch des Sonderstaatsanwalts, dem Prozess einen landesverräterischen Anstrich zu geben, indem er auf die engen Kontakte des angeblichen „Juden“ Dessauer zu dem ehemaligen Krupp-Direktor und Pazifisten Wilhelm Muehlon während des Ersten Weltkrieges verwies. Die Angeklagten wurden schließlich freigesprochen und die Auslagen der Staatskasse auferlegt. Tatsächlich wurde die Anklage am 02.01.1935 als „materiell unbegründet“ ohne Eröffnung des Hauptverfahrens zurückgezogen. – Und am 02.02.1934 hatten die NS die Hakenkreuzflagge auf dem Vereinshaus des VV in Mönchengladbach gehisst, in dem nun unter anderen Stellen die Kreisleitung Gladbach-Rheydt der NSDAP residierte.
19.Gladbach-Rheydt war der Name einer Stadt, entstanden aus der Städtefusion der beiden niederrheinischen Städte Rheydt und München-Gladbach (seit 1960 Mönchengladbach) im Jahre 1929. – Die Stadt wurde bereits 1933 auf Bestreben von Joseph Goebbels („Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und Präsident der Reichskulturkammer“ sowie „Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz“), der ein gebürtiger Rheydter war, wieder aufgelöst. 1975 kam es dann doch im Rahmen der nordrhein-westfälischen Gemeindereform durch das so genannte Düsseldorf-Gesetz zur Eingemeindung der bis dahin kreisfreien Stadt Rheydt in die ebenfalls kreisfreie Stadt Mönchengladbach.
20.Am 13.12.1870 hatten 48 Mitglieder des preußischen Abgeordnetenhauses die „Fraktion des Zentrums“ gegründet, deren erster Vorsitzender Karl Friedrich von Savigny wurde. Man benannte die Zentrumspartei nach ihrem Platz in der Mitte des Abgeordnetensaales. Sie war eine der wichtigsten Parteien des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Am 23.03.1933 stimmten die Abgeordneten des Zentrums geschlossen für das „Ermächtigungsgesetz“ Adolf Hitlers. Diese folgenschwere Entscheidung konnte den Untergang der ältesten Partei Deutschlands nur noch kurzfristig verzögern. – Joseph Goebbels forderte am 28.06.1933 den Reichskanzler Heinrich Brüning (1930 – 1932), der der Zentrumspartei angehörte, auf, „schleunigst seinen Laden zu schließen“, anderenfalls werde man den „Experimenten“ dieser Partei nicht länger zusehen. Der Zwangsauflösung kam die Partei des Zentrums als letzte der so genannten bürgerlichen Parteien durch Selbstauflösung am 05.07.1933 zuvor. – Die preußische Provinz bzw. die Rheinprovinz umfasste das links- und rechtsrheinische Gebiet von Nahe und Wied bis zur Grenze der Niederlande. Sie entstand 1824 aus dem Zusammenschluss der 1815 (Wiener Kongress) gebildeten Provinzen Kleve-Berg und Niederrhein; das Fürstentum Lichtenberg kam 1834, das Oberamt Meisenheim 1866 hinzu. Die Rheinprovinz bestand aus den fünf Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf, Koblenz, Köln und Trier mit 62 Kreisverwaltungen. Der Sitz des Oberpräsidenten war in Koblenz. 1945 wurde die Rheinprovinz aufgelöst. Ihr Gebiet ist heute aufgeteilt auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. – Der Reichsminister, Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz hieß von 1922 bis März 1933 Dr. jur. h. c. Johannes Fuchs (1874 – 1956). Er war ebenfalls von der Zentrumspartei und 1930 zum Ehrenbürger der Stadt Trier ernannt worden.
21.Mit der Leitung des am 18.10.1939 entstandenen „Amt Ausland/Abwehr” im OKW = Oberkommando der Wehrmacht war Konteradmiral Wilhelm Canaris (* 01.01.1887 im westfälischen Aplerbek, † (gehenkt) 09.04.1945 im 1938 eingerichteten KZ = Konzentrationslager in Flossenbürg, Gemeinde Weiden/ Oberpfalz) betraut worden. – Über Admiral Canaris wissen wir, dass er immer einen Staatsstreich und ein Attentat auf Hitler abgelehnt hatte, aber während des Zweiten Weltkrieges seine Mitarbeiter, die sich bemühten, Kontakte zu den Alliierten zu knüpfen, unterstützte. Er opponierte insgeheim schon lange gegen das Naziregime. Nach dem fehlgeschlagenen Putsch (20. Juli 1944) wird er durch die bei Angehörigen von Widerstandsgruppen gefundenen Informationen belastet und der Beteiligung am versuchten „Tyrannenmord“ verdächtigt. – Der Amtschef und Leiter der III. Abteilung „Abwehr“ – mit Spionageschutz und Gegenspionage betraut – hieß Oberst i. G. Franz-Eccard von Bentivegni (* 18.07.1896 in Potsdam, † 04.04.1958 in Wiesbaden). Diesen Chefposten hatte Oberst von Bentivegni vom 01.09.1939 – August 1943 und vom 20.09.1943 – März 1944 inne. 1944 wurde er zum Generalmajor und noch 1945 zum Generalleutnant befördert. – Das „Amt Canaris“ – ein Zentrum des militärischen Widerstandes – befand sich bis 1943 in Berlin, Tirpitzufer 74/75, verlegte nach Zossen und mit der Entmachtung von Admiral Canaris im Februar 1944 erlosch auch der Widerstand. Die Abwehr wurde schließlich als „Amt Mil“ durch den Sicherheitsdienst (SD) im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) übernommen.
22.Zwischen 1933 und 1945 wurden in der Strafanstalt bzw. im Gefängnis Plötzensee 2.891 Todesurteile vollstreckt, unter anderem an Mitgliedern der „Roten Kapelle“, Teilnehmern des gescheiterten Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 und an Mitgliedern des „Kreisauer Kreises“. – Graf Moltke war maßgebend an der Entwicklung der Grundgedanken und Leitsätze für ein neues und humanes Deutschland beteiligt, das er legal von der Schreckensherrschaft der Nazis zu befreien hoffte. Einige „Kreisauer“ befürworteten später (1943/1944) auch den „Tyrannenmord“ bzw. suchten und pflegten den Kontakt zu den Organisatoren des späteren „20. Juli 1944“. Andere waren – besonders Moltke – bis zuletzt gegen einen Putsch und Staatsstreich eingestellt. – Der Name „Kreisau“ leitet sich ab vom Familiengut „Kreisau“/Schlesien in der Nähe von Schweidnitz (heute Krzyzowa/Swidnica in Polen) des Grafen Helmuth James von Moltke. Dort trafen sich Pfingsten 1942, im Oktober 1942 und Pfingsten 1943 einige der Beteiligten zu geheimgehaltenen und als Familientreffen getarnten größeren Tagungen. Wesentlich häufiger traf man sich aber in der Wohnung des Ehepaares Marion und Peter Graf York von Wartenburg in der Berliner Hortensienstraße, wo in kleinen Arbeitsgruppen über die Neuordnung Deutschlands nach dem Sturz des Naziregimes diskutiert wurde.
23.Die Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung, seine Verhaftung und die Zeit in Berlin (Plötzensee) scheint nicht mehr aufzuhellen zu sein, weil viele Unterlagen vermutlich durch Kriegseinwirkungen verloren gegangen sind oder vernichtet wurden. – In den Unterlagen der Gedenkstätte des Deutschen Widerstandes in Berlin konnten keine Spuren von Dr. Egidius Schneider gefunden werden. „1944/1945 sind hunderte Frauen und Männer aus politischen Gründen in Plötzensee inhaftiert gewesen, die wegen des nahenden Kriegsendes nicht mehr verurteilt wurden.“
24.Die ersten Kindergärten (Kinderbetreuungsstätten) in Kalenborn und Vettelschoß (1938 – 1944) waren „Babies“ der NSV.
25.Als Burghard Freiherr von Schorlemer-Alst (1825 – 1895) sich aus dem preußischen Militärdienst 1852 verabschiedete, lernte er in einer Bonitierungskommission (Schätzungen von Grundstücken, Boden und Waren) die Sorgen der Landwirte aus unmittelbarer Nähe kennen. Da die zahlenmäßig starke Bevölkerungsgruppe der Landwirtschaft nicht die entsprechende gesellschaftliche Beachtung fand, gründete er 1862 den ersten Bauernverein für den Kreis Steinfurt und 1871 für ganz Westfalen. – Er musste aber mit seiner Gefolgschaft erbittert ringen, um den Ehrennamen „Bauer“ durchzusetzten, weil die Landwirte oder Ackerer so nicht genannt werden wollten. Die Leute wollten lieber ihren Verein „Grundbesitzer- oder Hofbesitzerverein“ nennen. So sehr fühlte sich der Bauer selbst schon als Aschenbrödel der damaligen Gesellschaft. – Besondere Anliegen von Schorlemer-Alst waren das Anerbenrecht, die Feuer- und Lebensversicherung, Ausbildung der Landwirte in Winterschulen, der gemeinschaftliche Warenbezug sowie Förderung und Ausbau einer genossenschaftlichen Geld- und Kreditversorgung. – Bei aller politischer Neutralität des Bauernvereins war Schorlemer-Alst eine politische Kämpfernatur. Er war Vorsitzender der Zentrumspartei im preußischen Landtag, später Reichstagsabgeordneter und im Kulturkampf ein erbitterter Gegner von Otto von Bismarck. Neben Ludwig Windthorst (Zentrumführer und Befürworter der Gründung des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ (Mönchengladbach) gehörte er zu den prononciertesten (scharfen) Gegnern Bismarckscher Innenpolitik. Sein Engagement für die Landwirte brachte ihm die Ehrenbezeichnung „Westfälischer Bauernkönig“ ein.
26.Am 31.07.1933 wurde der „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ vom „Reichsverband Deutscher Schriftsteller“ (RDS), den man 1933 gründete, „geschluckt“. Er war eine Unterorganisation der nationalsozialisten „Reichsschrifttumskammer“ (RSK). Mit der Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 01.11.1933 wurde die RSK ins Leben gerufen. In ihr sollten „sämtliche Personen, die – von der Urproduktion der Dichtung angefangen – bis zum gewerblichen Vertrieb am deutschen Schrifttum arbeiten“, zusammengefasst werden. – Das Nationalsozialistische-System verfolgte Schriftsteller, die nicht auf ihrer Linie lagen. Die Führung ließ systematisch Bücher abfackeln (Bücherverbrennung am 10.05.1933). Das Verbot der Bücher, die innere Emigration, stand unter der Kontrolle durch die Reichsschrifttumskammer (RSK).
Bildverzeichnis:
1.Abb. 01: Dr. Egidius Schneider.
2.Abb. 02: Die ehemalige „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf.
3.Abb. 03: Standesamtlicher Geburtseintrag von Egidius Schneider im Standesamt in Neustadt. – Die Geburt wurde am 14.08.1893 von dem Vater (Johann Schneider) angezeigt.
4.Abb. 04: „Vettelschoß und Dr. Egidius Schneider“ (Dr. Schneider-Straße 10 in Vettelschoß).
5.Abb. 05: Das ursprüngliche Geburtshaus – es hatte eher ein Stroh- als ein Reetdach – von Egidius Schneider in Vettelschoß. Die Aufnahme entstand vor 1922, als es noch nicht umgebaut war. Vlnr.: Margaretha Schneider geb. Kurtenbach (Mutter von Egidius Schneider, die 1929 sterbenskrank war und sich in stationärer Krankenhausbehandlung befand. Sie ist am 13.10.1930 in Vettelschoß verstorben.) Egidius Girnstein, Maria Girnstein geb. Schneider, Margarethe (Gretchen) Girnstein, Josef Girnstein, Margaretha Schneider, die später in Linz ansässig war.
6.Abb. 06: Das Anwesen (Geburtshaus von Dr. Egidius Schneider mit Anbau) Dr.-Schneider-Straße 10 in Vettelschoß. Es stand 2009 zum Verkauf.
7.Abb. 07: Vettelschoß vor dem Zweiten Weltkrieg.
8.Abb. 08: Die St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß nach der Renovierung im Jahre 1925. Es gab sie schon vor 1550. Nach schweren Kriegsschäden während des „Beschusses“ im Zweiten Weltkrieg wurde sie 1945/1946 abgerissen, obwohl der Provinzialkonservator der Rheinprovinz in Bonn am 13.07.1945/19.10.1945 attestierte: „Eine Wiederherstellung ist noch möglich, wenn bald zugegriffen wird.“
9.Abb. 09: Das Protokoll des Vettelschosser Gemeinderates vom 16.03.1893 über die Billigung des Pachtvertrages „Willscheiderberg“ vom 10.03.1893 der Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG.) in Linz. Die Niederschrift im Protokollbuch der Gemeinde Vettelschoß in Sütterlinschrift trägt die Handschrift des damaligen Gemeindevorstehers Heinrich Reufels vom Seiferhof.
10.Abb. 10: Erste Seite des Pachtvertrages der Basalt-Actien-Gesellschaft in Linz vom 10.03.1893.
11.Abb. 11: Johann Jacob Gärtner mit Ehefrau (Anna Maria geb. Stümper aus Notscheid), 3 Buben und 1 Mädchen vor dem Vettelschosser Schulsaal und der Lehrerwohnung sowie der am 29.08.1886 installierten und im Frühjahr 1905 erneuerten Wasserpumpe. Diese verkaufte die Gemeinde am 16.11.1929 für 10 Mark dem „Sieferhalfe“ (Mathias Reufels, Seiferhof), weil die alte und gute Schulpumpe nach dem Anschluss der Gemeinde Vettelschoß an das Kreisgruppenwasserwerk „Linzerhöhe“ (mit feierlicher Eröffnung der Pumpstation in Kodden sowie des Notscheider Wasserturmes am 09.06.1928 mit einer Festivität am Willscheiderberg bzw. im Saale/Wirtshaus „Zum Backmann's-Jupp“) überflüssig geworden war und nunmehr das köstliche Nass aus der Wied dem Wasserhahn entnommen werden konnte. Bei dem größeren der Jungs dürfte es sich um Peter Gärtner handeln, der mit Egidius Schneider auf das Gymnasium nach Linz wechselte. – Ursprünglich waren Schulsaal und die Wohnung des Lehrers einfache Fachwerkbauten und mit Stroh gedeckt. 1852 bestand das Schulhaus in Vettelschoß aus einem bloßen Schulsaal mit einem Vorzimmer, das vorher als Schulzimmer gedient hatte. Im Sommer 1882 entstand am Schulsaal ein Neubau. Die Fenster an der Ostseite wurden zugemauert und die nach Süden und Westen vergrößert. Die Objekte erhielten einheitliche Leien- oder Schieferdächer. Ein weiterer Umbau an der Schule erfolgte in den Sommermonaten 1892. Die Ostmauer, in der keine Fenster waren, ist abgerissen und dafür sind 5 Fenster angebracht worden. An der Westseite verblieb ein Fenster. Den Eingang verlegte man an die Südseite. Am 25.04.1898 begann man mit dem Abbruch der alten Lehrerwohnung. Der Neubau war am 15.12.1898 bezugsfertig. Da der Außenputz in den Sommermonaten des Jahres 1903 aufgetragen wurde, dürfte das Foto vorher bzw. spätestens im Frühjahr 1903 entstanden sein. – Dass es vor 1750 neben der Pfarrschule in Neustadt eine Schule in Vettelschoß gegeben haben soll, ist nicht mehr nachvollziehbar. Vor/um 1793 hatte Vettelschoß eine so genannte Winterschule. Am 23.11.1796 trug man einen Magister aus Vettelschoß auf dem ersten und 1834 aufgelassenen Neustadter Friedhof (Hauptstraße 15) zu Grabe. – Offiziell gab es 1803 in Vettelschoß noch keine Schule. Das Kirchspiel Neustadt verfügte nur über die Schule in Neustadt. Der nächste Schulort für die Kinder aus der Gemeinde Vettelschoß war Windhagen. Doch 1807 ist in Vettelschoß von dem Lehrer Michael Frings, der sich am 02.08.1808 einer Lehrerprüfung unterzog, die Rede. Auch 1817 hatte Vettelschoß nach den Annalen noch keine Schule. Vermutlich fand der Schulunterricht in Privaträumen statt! Die Kinder der Gemeinde Vettelschoß, die nur aus 313 Seelen bestand, wollte der Neustadter Pfarrer Josef Hecker (1797 – 1825) im Jahre 1817 nach Notscheid in die ein Jahr später fertiggestellte Schule schicken. – Der erste von der Königlichen Regierung in Koblenz am 25.07.1817 bestallte Vettelschosser Schullehrer hieß Anton Neifer. Er stammte aus Kalenborn und wohnte in Willscheid, und zwar in dem Objekt, das älteren Bürgerinnen und Bürgern noch als die „Gastwirtschaft von Anton Thomé“ in Erinnerung ist. – Anton Neifer und Ägidius Kretz (Vater von Anton Kretz, dem Namengeber von Kretzhaus) wohnten vis-a-vis in Kalenborn (getrennt durch den Dorfweg bzw. die heutige Kalenborner Straße) und waren unzertrennliche Spielkameraden und Freunde. Die Taufpatin von Ägidius Kretz war die Mutter von Anton Neifer. Und der Trauzeuge von Ägidius Kretz war sein Kumpel Anton Neifer.
12.Abb. 12: In diesem Westerwälder Bauernhaus nahm am 15.04.1892 die Vettelschosser Postgeschichte ihren Anfang. Vor dieser einstigen stattlichen und mit Stroh gedeckten Hofstatt wurde am 01.10.1912 unter großer Beteiligung der Bürgerschaft der letzte Postkutscher zur Fahrt nach Linz feierlich verabschiedet. Das Anwesen sah wahrscheinlich 1741/1742 schon so aus. Es war das „Stammhaus“ der vor 1688 in Vettelschoß nachgewiesenen „Mohren-Sippe“. Links ist die St.-Michaels-Kapelle schemenhaft erkennbar.
13.Abb. 13: Die Brief- und Postzustellung in Vettelschoß zwischen 1934 und 1936 durch Heinrich Prangenberg („Poss-Hein“). Links neben Heinrich Prangenberg ist Johann Stümper („Stömpich-Lang“) und die 1945/1946 abgerissene St.-Michaels-Kapelle zu sehen.
14.Abb. 14: Die erste Vettelschosser Kirche, die am 27.06.1900 der „Heiligen Familie“ geweiht, am 20.05.1947 zur Pfarrkirche erhoben und im Herbst 1974 abgerissen wurde. Am gleichen Platz entstand die am 25.09.1977 geweihte St.-Michaels-Kirche – die bis zur Fusion am 01.01.2008 mit der Pfarrei St. Katharina – die Pfarrkirche von Vettelschoß war.
15.Abb. 15: Im ehemaligen „Schmitzhoff“ (Hauptstraße 21), den die Gemeinde Vettelschoß erwarb und eine kostenintensive Sanierung vornehmen ließ, befindet sich heute eine Weinstube und das Heimat- oder Dorfmuseum von Vettelschoß.
16.Abb. 16: Das am 03.11.1706 als städtisches „Studium Martinianum“ („Martinus-Gymnasium“) eröffnete Linzer Gymnasium um 1900/1907.
17.Abb. 17: Eintrag des Standesamtes „Mgladbach“ über die Eheschließung von Dr. Egidius Schneider mit Margareta Hansen am 20.07.1925 (Vorderseite).
18.Abb. 18: Eintrag des Standesamtes „Mgladbach“ über die Eheschließung von Dr. Egidius Schneider mit Margareta Hansen am 20.07.1925 (Rückseite).
19.Abb. 19: Die „Kemenate“ in Rhöndorf – Adelssitz oder Frauengemach einer Burg – das spätere Weingut – dann Mütter-Kurheim St. Hedwig (Engelsburg) – wurde im Herbst 1952 der Sitz der von Füssenich nach Rhöndorf verlegten „Katholischen Landvolkshochschule“. Ihr erster Leiter war Dr. Egidius Schneider. – Die „Kemenate“ - Hofansicht – in Rhöndorf vor dem Abriss. Dort entstand zwischen 1956 und 1958 durch den Architekten und Dipl.-Ing. Joachim Schürmann das Haupthaus des Tagungsbereichs der „Katholischen Landvolkshochschule“ in Rhöndorf.
20.Abb. 20: Dr. Egidius Schneider, Begründer und erster Leiter der „Katholischen Landvolkshochschule“ in Rhöndorf, im Kreise von Jungbäuerinnen oder Landfrauen im Jahre 1955. Neben Dr. Egidius Schneider sitzt (mit Mantel) seine letzte Referentin, Annemarie Mohr (1955 – 1959).
21.Abb. 21: Der „Jungbauern-Lehrgang 1956“ an der „Katholischen Landvolkshochschule“ in Rhöndorf. Neben Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer steht (rechts) Dr. Egidius Schneider, der Begründer und erste Leiter der Landvolkshochschule in Rhöndorf.
22.Abb. 22: Kardinal und Erzbischof von Köln, Joseph Frings (rechts neben ihm Dr. Egidius Schneider), stattete dem „Jungbauernlehrgang“ im Februar 1955 in der „Kemenate“ in Rhöndorf einen Besuch ab.
23.Abb. 23: Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Heinrich Lübke, im Januar 1958 im Gespräch mit Dr. Egidius Schneider (links), dem Leiter der „Katholischen Landvolkshochschule“ in Rhöndorf, die wegen Baumaßnahmen in das Haus „Marienhof“ nach Ittenbach verlegt hatte. Er stattete den Landwirten, die an einem Kursus im Haus „Marienhof“ in Ittenbach teilnahmen, unverhofft einen Besuch ab.
24.Abb. 24: Die ehemalige „Katholische Landvolkshochschule Egidius Schneider“ in Rhöndorf.
25.Abb. 25: Dr. Egidius Schneider in seinem Büro in der „Katholischen Landvolkshochschule“ in Rhöndorf.