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Einer der ersten Führerschein-Inhaber im vorderen Westerwald stammte aus dem Elsafftal.

Er war später der erste Fremden-Pensions-Wirt und Nachkriegsbürgermeister in der Gemeinde Vettelschoß.

 

 

Von H.H.Mohr

 

 

Das Konzept einer Fahrerlaubnis – wie auch des Führerscheins – gibt es seit 1888 (Preußen). Eine behördliche Prüfung gab es erstmals in Wien im Jahr 1901. Der wohl erste Führerschein der Welt wurde am 01.08.1888 vom Großherzoglich Badischen Bezirksamt an den Automobilerfinder Carl Benz ausgestellt. Die erste deutsche „Autolenkschule“ war 1906 in Aschaffenburg gegründet worden. Eine Chauffeurs-Ausbildung erfolgte erstmals 1905 in der so genannten „Chauffeurs-Schule“ – und wiederum in Aschaffenburg.

Vom Großherzoglichen Hessischen Kreisamt Bingen erhielt Josef Manns aus Unterelsaff (* 17. September 1886 in Mittelelsaff) am 05. Mai 1911 einen Führerschein. Er war nunmehr – nach der abgelegten Prüfung vom 25. Februar 1911 – ermächtigt, einen „Kraftwagen mit (Motor) Verbrennungsmaschine (Klasse) 3 b“ zu führen. Doch aus Josef Manns ist zeitlebens kein „Automobilist“ oder „Motorradfreak“ geworden.

Josef Manns – der sich am 20.11.1919 mit der attraktiven Anna Eva geb. Klein (Metzgers-Tochter) aus Vettelschoß verehelichte – wurde nach der Eheschließung volkstümlich auf der Linzer Höhe als der „Kleins-Manns“ genannt.

So etwa Mitte der 1920er Jahre eröffnete Josef Manns im Haus seiner Schwiegereltern bzw. der unverheirateten Schwägerin (Margarethe Klein) in der Provinzialstraße 26 (der heutigen Hauptstraße 39) im beschaulichen mit reichlich alten Bäumen bestandenen und landwirtschaftlich strukturierten sowie heimeligen Vettelschoß die erste Fremdenpension. Seine allerersten Logiergäste waren Verwandte, die der „Manns-Jupp“ und seine Ehefrau für einige Tage gegen ein geringes Entgelt beköstigten und sie mit dem Bauerndörfchen und seinen Ackerern (Kleinbauern) vertraut machten.

Es war die Zeit der boomenden Basaltindustrie am „Wöls- oder Willscheiderberg“ (ausgebeutet und am 31.12.1974 stillgelegt) und am „Geißen-“ und „Türkenhügel“ (Stilllegung 1935 bzw. 1939/1940) sowie des damals einzigartigen „Schmelzbasaltwerks Kalenborn – Dr.-Ing. Mauritz KG“, das heutige weltweit führende Unternehmen im Bereich des universellen Verschleißschutzes mit Niederlassungen und Vertretungen in über 50 Ländern, die „Kalenborn Kalprotect GmbH & Co. KG“ in Kalenborn (Vettelschoß), Asbacher Straße 50.

Mit besonderem Stolz zeigte die ehemalige Bürgerschaft der Gemeinde Vettelschoß – die Mitte der 1920er Jahre um die 800 Einwohner zählte – ihren Besuchern neben den Steinbrüchen auch gerne die St.-Bernhardus-Kapelle in Willscheid (von vor 1570), die St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß (von vor 1550, nach schweren Schäden im „Beschuss“ 1945/1946 abgerissen, an die bis heute kein Stein noch Strauch erinnert) und vor allem die am 27.06.1900 der „Heiligen Familie“ geweihte erste Kirche. Nach dem Bau der Kirche mit Pfarrhaus sprach Trier „von Prachtbauten“. Die Kirche wurde am 20.05.1947 zur Pfarrkirche erhoben und im Herbst 1974 infolge angeblicher irreparabler Kriegsschäden ebenfalls abgetragen.

 

Abbildung 01

 

Der neue und zweite Kirchenbau in Vettelschoß ist am 25.09.1977 als die St.-Michaels-Pfarrkirche feierlich konsekriert worden. Doch nach der Fusion (01.01.2008) der Pfarrei St. Michael (Vettelschoß) mit der Pfarrei St. Katharina (St. Katharinen) wurde die dortige frühere Klosterkirche (1317/1324) von Trier als die Pfarrkirche der Gemeinden St. Katharinen und Vettelschoß dekretiert.

 

Abbildung 02 und 03

 

An der rechten Hauswand der „Handlung Metzgerei Anton Klein“ in Vettelschoß hatte Josef Manns zunächst das Schild „Fremden-Pension“ angebracht. Kurze Zeit später ließ der Neuling im Gastronomie-Gewerbe verschiedene Ansichtskarten edieren, die Vettelschoß als „Erholungsort“ und „Luftkurort“ anschaulich machten. Doch einige Bauersleute und Werktätige, die in der lehmigen Quarzit-Schürfung malochten oder in den Basaltsteinbrüchen als Schwerstarbeiter im Brotberuf standen, fanden diese „Apostrophierungen“ von Vettelschoß als eine Brüskierung.

Das erste „Gästehaus“ in der Gemeinde Vettelschoß florierte wider Erwarten so gut, dass sich Josef Manns noch 1933 (zu Beginn der Nazizeit) ermutigt fühlte, in der Provinzialstraße (der heutigen Hauptstraße Nr. 43) in Vettelschoß ein Objekt zu bauen und einen selbständigen bzw. erweiterten Fremdenpensions- und Gastronomiebetrieb einzurichten. Doch kurz nach Fertigstellung dieses Zukunftstraumes von Josef Manns wurde der Gast- und Pensionswirt von den lokalen und meist unbedarften Dorf-Nazis wegen der Touristen (unter ihnen befanden sich auch betuchte Bürgerinnen und Bürger aus dem Westerwald und von Rhein und Ruhr jüdischen Glaubens, die damals in der Wirtschaft einen Namen hatten) verleumdet und schließlich arg geschädigt.

 

Abildung 04

 

Ein ganz besonderes Wanderziel für die Gäste in Vettelschoß war so ab 1934/1935 die Tour durch die landschaftlich reizvolle „Wahlheld“ („In der Wahlhelde“) – als eine „Wüstung mit Gebüsch bewachsener, sanft ansteigender Berghang“ und „Wahl“ als ein unbefestigtes, mooriges Gelände gedeutet sowie mit „-helde“ ist der Bergrücken („aufm Wahlheldeneichert“ bzw. „Im Eichelsberg“, „aufm Eichert“ oder „Im Elsafferberg“) gemeint – nach Oberelsaff zur „Hohner Mühle“ und zu der von der Mittel- und Oberelsaffer Bürgerschaft errichteten St.-Antonius-von-Padua-Kapelle, die Pfingstsonntag, 09.06.1935, durch Pfarrvikar Alois Löw eingeweiht worden war.

Die Sommerfrischler kamen ausschließlich mit der 1912 in Betrieb gegangenen Westerwaldbahn (Linz – Flammersfeld – Altenkirchen) nach Vettelschoß gereist, wo sie am Bahnhof meistens von dem Pensionswirt und seiner Ehefrau freudig begrüßt oder später mit einem ehrlichen „Auf Wiedersehen“ verabschiedet wurden. Zum Transport des Gepäcks diente ein kleiner Leiter- oder Bollerwagen, den ab und an für ein paar Groschen an Trinkgeld benachbarte Schulkindern gerne vom oder zum Bahnhof zogen.

 

Abbildung 05

 

Der couragierte Josef Manns strengte nach Schließung seines Gästehauses am 01.08.1938 – allen Unkenrufen zum Trotz – gegen den vermeintlichen Urheber der Kampagne, den „braunen“ Vettelschosser Lehrer Karl Becker („SA-Mann/Nationalsozialist der Ersten Stunde“, der gern „ein alter Kämpfer“ genannt werden wollte; er war vom 01.05.1934 bis Frühjahr 1945 als Volksschullehrer in Vettelschoß tätig, wurde aber nach dem Nazispuk nicht wieder in den Schuldienst übernommen), vor dem Amtsgericht in Asbach ein Verfahren auf Schadenersatz an, obwohl auch Pastor Alois Löw (er wirkte von 1930 bis 1937 in Vettelschoß) – der durch die Naziclique der Gemeinde Vettelschoß schon selbst in ernsthaften Schwierigkeiten steckte – mit „Engelszungen“ vergeblich versuchte, Josef Manns von diesem Schritt abzuhalten.

Am Montag, 28.11.1938, wies das Amtsgericht in Asbach den Rechtsstreit erwartungsgemäß kostenpflichtig ab. Die konservativ-katholisch geprägte Rhein- und Wiedzeitung (RWZ) berichtete am nächsten Tag über den Verfahrensausgang mit der Überschrift: „Dem Judenknecht geschah wirklich recht!“

 

Abbildung 06

 

Schon während der Prozessdauer – die blauäugigen und bodenständigen Dorf-Nazis waren in Asbach als Zeugen aufgetreten, die später im „Entnazifizierungsverfahren“ heilfroh waren, nur als „Mitläufer“ eingestuft zu werden – fanden sich in den Gasträumen von Josef Manns so genannte „Goldfasane“ (Spottbezeichnung für Amtsträger wie Ortsgruppenleiter der NSDAP) aus nah und fern ein, was der Gastwirt zunächst als eine schlimme Provokation empfand und den „Volksgenossen“ höhnisch seine Lage zu schildern versuchte.

Doch diese Darstellungen fanden unter den Parteigenossen wenig bzw. so gut wie keine Aufmerksamkeit. Sie interessierten sich hingegen für die hübschen und jungen „Dienstverpflichteten“ aus dem Feindesland, um sich mit ihnen vermeintlich inkognito zu vergnügen; denn die waren durch die Schließung des Pensionsbetriebes als Küchenpersonal arbeitslos und nunmehr durch die verkappten Nationalsozialisten als Callgirls (wie man heute zu sagen pflegt) begehrt geworden. Manchmal – auch schon früher – hatte Josef Manns den Eindruck, dass die ihm zugewiesenen Ausländerinnen eventuell von Anfang an im Sold (mit Auftrag) anderer Institutionen (vielleicht fremder) standen!

Während des fast regelmäßigen lautstarken Remmidemmis hinter den Mauern des Gasthauses ging Josef Manns seelenruhig und in der sicheren Annahme, weder in nächster Zeit vermisst noch ertappt zu werden, nebenan (Hauptstraße 39) ins Schlachthaus zum „Schwarzschlachten“ oder richtete für die verladenen „Muttis“ der Pgs (Parteigenossen) im Keller die Kartons mit den „Bauerndevisen“ (Eier, Wurst, Butter, Speck, Fleisch, Mehl) her und keiner hinterfragte später, woher die frischen und eigentlich nur auf „Lebensmittelkarten“ eingeschränkt zu bekommenden Esswaren in dieser immer beschwerlicher werdenden Zeit von „Mutter Sorge“ und „Vater Staat“ letztlich stammten. Alle schienen nach den womöglich nur lauschigen Gesprächen zufrieden und zogen zu später Stunde von dannen!

So konnte sich die Familie von Josef Manns auch ohne die Urlauber eine Zeit lang leidlich „über Wasser“ halten. Auch wenn von Bürgerinnen und Bürgern in Vettelschoß – die ansonsten die Flöhe husten hörten – hinter der hohlen Hand über den existierenden möglichen „Sündenpfuhl“ beim „Kleins-Manns“ getuschelt wurde, traute sich keiner, die in der Bevölkerung gefürchteten Bonzen der Hitler-Partei zu desavouieren.

In dieser wirren Zeit erlaubte sich sogar der Erz-Nazi und seinerzeitige kleinbürgerliche Bahnhofsvorsteher in Vettelschoß namens Josef Saal, die am Bahnhof in Vettelschoß „gestrandeten“ Gäste für die Pension von Josef Manns in „Empfang“ zu nehmen und in sein Büro zu führen. Er verwickelte die überraschten Fremden in eine miese Diskussion über die angesteuerte und geschlossene Gaststätte/Pension und vor allem über Josef Manns und ließ dann die Fremden „kostenfrei“ nach Neustadt ins Hotel „Wiedischer Hof“ von Karl Platen chauffieren.

Ab und an hielt es Josef Manns doch für erforderlich, die offizielle Genehmigung zum Schlachten eines Schweins einzuholen. So setzte er sich eines Tages telefonisch mit dem Landwirt Johann Stockhausen in Willscheid (den man wegen seiner Jagdleidenschaft auch „Kaut“ nannte), dem damaligen in der Bevölkerung sehr geschätzten Ortsvorsteher oder Bürgermeister und Ortsbauernführer bzw. dem „politischen Fleischbeschauer“, in Verbindung und bat ihn zur „Fleischbeschau“ vorbeizukommen; denn er habe kürzlich die amtliche Genehmigung zur Haus­schlachtung eines Schweins erhalten.

Johann Stockhausen (er ist am 16.03.1945 in seinem Gehöft in Willscheid ums Leben gekommen und musste wegen des „Beschusses“ zunächst an seinem Wohnhaus beerdigt werden) fragte todernst zurück: „Mit oder ohne Sakramenten?“ – „Natürlich ohne“, war die Antwort von Josef Manns, „denn Johann, ich bin ein ehrlicher Mensch!“ – Daraufhin erwiderte Johann Stockhausen, dass er erst kürzlich bei einer Bürgersfrau die „Fleischbeschau“ durchgeführt habe, die ihm partout weismachen wollte, nur ein Schwein geschlachtet zu haben, obwohl die beiden Schweinehälften noch mit je einem kompletten Schweineschwänzchen versehen waren. Dumm gelaufen, kann man da nur sagen! – Bei einem der Enkel von Johann Stockhausen handelt es sich um das heutige MdB Erwin Rüddel.

Auch das unterhalb des Bahnhofs für die Sommerfrischler von Josef Manns gebaute Schwimmbad in der Vettelschosser Flur „Züngssiefen“ oder „Züngsiefen“, in dem sich ebenfalls gerne die Schulkinder vom zeitigen Frühjahr bis zum Spätherbst tummelten, musste von Amts wegen mit fadenscheinigen Begründungen schließen. Es war schon vorher mehrfach demoliert worden. Für den Schergendienst hatte man seinerzeit die heimischen HJler (Angehörige der Hitler-Jugend) verdächtigt!

 

Abbildung 07

 

Auch das wöchentlich einmal geöffnete „Tagesbüro“ der Kreissparkasse Neuwied in der Gaststätte/Pension von Josef Manns wurde kurzerhand verlegt, und zwar in die benachbarte einstige renommierte Gastwirtschaft „Zur alten Post“, die man zu dieser Zeit schon als „Offizielles Parteilokal der NSDAP“ ausgeschildert hatte. Es war die Schmiede der Nazis für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Vettelschoß. Dieses altersschwache Objekt kam 2011 unter die Abrissbirne, das mit der 1892 in Vettelschoß eröffneten ersten Postagentur insofern etwas zu tun hatte, weil sie 1904 in dieses Objekt „übersiedelte“. Die anfängliche Niederlassung der Post in Vettelschoß befand sich in dem 1913/1914 abgerissenen Fachwerkbauernhaus (mit der ersten Gaststätte von Vettelschoß) der alten Mohren-Sippe, das zwischen dem „Schmitzhoff“ (heutiges Dorfmuseum in Vettelschoß) und unmittelbar an der zweiten Poststelle (Hauptstraße 25 bzw. 35) gelegen war.

Als es in Vettelschoß keine Touristen mehr gab und die Pension „Klein/Manns“ geschlossen war, durfte auch der Mittagstisch für die Volksschullehrerin Johanna Rolinger dort nicht mehr gedeckt werden. Bei dem Versuch der Tochter von Josef Manns (Gertaliese Manns, verheiratete Albers, † 02.12.2010), der Lehrerin das Essen mittags im mit einer Serviette abgedeckten Korb in ihre Klasse der Vettelschosser Volksschule zu bringen, wurde sie von Lehrer Karl Becker erwischt. Der Pauker blickte etwas verwundert in das Weidengeflecht (das gutbürgerliche Menü hatte sich nicht, wie der Legende der Landgräfin Elisabeth von Thüringen zufolge, in weiße und rote Rosen verwandelt) und errötete, holte tief Luft und hielt seiner verlegenen wie schüchternen früheren Schülerin eine Standpauke, die er mit nationalsozialistischen Parolen „pfefferte“.

Die angesehene Lehrerin (sie wohnte in Willscheid), die schon lange mit Lehrer Becker im Clinch lag, ließ sich schließlich versetzen und kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Vettelschoß zurück. Bis zur Versetzung nach Kasbach konnte „Fräulein Rolinger“ noch des Öfteren – meistens in den Abendstunden – insgeheim von der Familie Manns mit Essen versorgt und in ihrer Wohnung in Willscheid besucht werden.

Josef Manns musste sich zu guter Letzt im 58. Lebensjahr – wie alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren – noch am 25.09.1944 als „Deutscher Volkssturm“ nach Perl (Landkreis Merzig-Wadern im Saarland) an den Westwall zum Bau von Panzersperren und des „Westwall-Bunkers“ (heute ein aufschlussreiches Museum für Jung und Alt) begeben, wo er mit dem Vettelschosser Gastwirt Josef Hecken („Backmann's Jupp“) und dem Kalenborner Lehrer Egidius Bieger (dem ersten Ortsgruppenleiter der NSDAP in der Gemeinde Vettelschoß, der das verbrecherische Naziregime rechtzeitig erkannte, sich distanzierte, in Schwierigkeiten geriet und aus dem „Saulus“ schließlich ein „Paulus“ wurde) zusammentraf.

Weit vor Kriegsende „türmten“ die drei Gleichgesinnten aus der Gemeinde Vettelschoß mit zunächst schlotternden Knien vom Westwall – die durch das Abhören des „Feindsenders“ über den Frontverlauf bestens informiert waren – anfangs zu Fuß bis Trier. Die Deserteure hatten Blasen an den Füßen und der beleibte Josef Hecken lief zuletzt auf Strumpfsocken. Von Trier ging es mit der Bahn über Koblenz/Neuwied nach Linz und schließlich klammheimlich im so genannten und wenig frequentierten unbequemen „Großraumwagen 3. Klasse“, den der Volksmund auch „Viehwagen“ nannte, mit der Westerwaldbahn – diesen „Bummelzug“ nannte die Bevölkerung auch liebevoll „Waldi“ oder „Wester­waldexpress“ – zu ihren Familien nach Kalenborn/Vettelschoß.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verließen der Lehrer Karl Becker und der Bahnhofsvorsteher Josef Saal tief gekränkt Vettelschoß klammheimlich und auf Nimmerwiedersehen. Sie mussten jedoch vorher noch eine gehörige Tracht Prügel hinnehmen. Josef Saal hatte sich selbst zum „Brandmeister“ der Freiwilligen Feuerwehr Vettelschoß ernannt und war auf Gemeinderatssitzungen von Vettelschoß als „Amtsvertreter“ in Abwesenheit des Ortsgruppenleiters immer präsent.

Josef Manns wurde erstmals am 07.03.1928 als Gemeinderatsmitglied von Vettelschoß verpflichtet, gehörte dem Gemeinde-Komitee bis 04.10.1929 und dann wieder vom 23.04.1931 – 26.01.1933 an. Nach den Irrungen und Wirrungen im „Dritten Reich“ oder „Tausendjährigen Reich“, das letztlich keine zwölf Jahre währte, zählte Josef Manns mit zur „Entnazifizierungskommission“ und war vom 09.05.1947 – 29.11.1948 (in einer sehr schwierigen Zeit unter der französischen Besatzungsmacht) der erste Nachkriegsbürgermeister der Gemeinde Vettelschoß.

Seine wohl schwierigste Aufgabe war es seinerzeit, sowohl die Bauersleute als auch die Militärregierung aufgrund der Abgabenpflicht von Schlachtvieh glaubhaft zufrieden zu stellen. So musste Josef Manns oftmals seine Listen über den Viehbestand in der Gemeinde Vettelschoß zu Gunsten der Landwirte korrigieren und versuchen, den Franzosen plausibel zu machen, dass so manches Rind oder Schwein überraschend krepiert und in den gemeindlichen Abdeckereien gelandet sei.

Das Gemeindegebiet von Vettelschoß glich 1945 einem Trümmerfeld. Der „Beschuss“ hatte 70 – 72 % der Wohn- und Wirtschaftsgebäude zerstört. 1946 gab es in der Gemeinde Vettelschoß 267 Haushaltungen mit insgesamt 1.029 Einwohnern. Der Haushaltsplan der Kommune für das Rechnungsjahr 1947 wurde in Einnahmen auf 52.300 RM und in Ausgaben auf 77.700 RM festgesetzt.

 

Abbildung 08

 

Der „Beschuss“ hatte auch das Wohnhaus mit der Fremdenpension von Josef Manns nicht verschont. Nach verschiedenen Instandsetzungsarbeiten nahm er den Pensionsbetrieb 1947/1948 wieder auf. Es kamen überwiegend die alten Stammgäste von einst nach Vettelschoß, die in der Nazizeit viel erlebt und durchgemacht hatten und darüber – oftmals mit Tränen in den Augen – zu berichten wussten. Für einige gab es leider kein Wiedersehen mehr in Vettelschoß; denn sie waren aller Wahrscheinlichkeit nach in dem von den Nationalsozialisten initiierten schändlichen Volksmord (Holocaust) ums Leben gekommen.

Als der Pensionsbetrieb sich wieder stabilisiert hatte und eine positive Weiterentwicklung versprach, ließ Josef Manns im Jahr 1950 sein Gasthaus um einen Tanzsaal erweitern. Zu dieser Zeit war die Gaststätte längst zum Vereinslokal des zweiten oder Nachkriegs-Mandolinenclubs „Von den blauen Bergen kommen wir“ aus Vettelschoß geworden. Der Saal diente zwar ab und an für offizielle Tanzveranstaltungen, aber auch für Theateraufführungen der „Mandolinen-Zupfer“ und zu langen Unterhaltungsprogrammen für die Urlauber, die der Mandolinenclub in vielfacher Hinsicht und gekonnt zu gestalten wusste.

Von manchen Gästen wurde der Aufenthalt in Vettelschoß nicht selten um das Wochenende verlängert, damit sie die Samstag-Abend-Veranstaltung noch miterleben konnten. Die Aktivisten von damals werden noch heute nicht müde, über diese Zeit zu berichten, aber auch zu erwähnen, dass so manche harte DM von den Fremden in die „Club-Kasse“ geflossen ist.

Im Jahr 1963 mit 77 Jahren begab sich Josef Manns – inzwischen eine Legende in Vettelschoß – auf sein Altenteil. Vielleicht zu spät! Die Objekte von Pension mit Saal und Gaststätte ließ er nach und nach zu Mietwohnungen aus- bzw. umbauen.

Abbildung 09

Bildtexte:

 

  1. 1.Der am 05.05.1911 ausgestellte Führerschein von Josef Manns. 

  2. 2.Das heimelige Vettelschoß etwa Anfang der 1930er Jahre. 

  3. 3.Die „Handlung-Metzgerei von Anton Klein“ in der Provinzialstraße 26 (Hauptstraße 39) in Vettelschoß im Jahr 1913. An der seitlich rechten Hauswand über den zwei Fenstern befand sich das erste Schild „Fremden-Pension“. Vor dem Objekt haben sich die Geschwister Margarethe und Anna Eva Klein sowie ein Freier aus dem Raum von Aachen postiert. 

  4. 4.Vettelschoß wurde auf Ansichtskarten als Luftkurort und als Erholungsort bezeichnet. Vor der Ortschaft ist gut die Gewannflur „Farmesheck“ – wie auch nach den „Handriß-Karten“ von 1829 überliefert – zu erkennen. Sie wird als ein ehemals eingefriedigter Landwirtschaftsbetrieb mit Weideplatz oder Acker gedeutet und ist inzwischen von der Gemeinde Vettelschoß zum Gewerbepark erschlossen worden. Die Feldflur „Farmesheck“ („Farmersheck“ gibt keinen Sinn) war ursprünglich in schmale, streifenförmige Gewanne unterteilt, auf der im Flurzwang (Dreifelderwirtschaft) alle Arbeiten immer gleichzeitig auszuführen waren. Typisch für Gewanne ist, dass ihre Länge mindestens das Zehnfache der Breite beträgt. Diese lang gestreckte Form ist auf die Schwierigkeit des Wendens mit Pflug-Gespannen zurückzuführen; denn schmal gestreckte Parzellen machten nur wenige Wendungen notwendig. 

  5. 5.Die „Pension Klein“ (Manns) in Vettelschoß: „Zimmer mit fließendem Wasser, Speisen zu jeder Tageszeit. Privates Strandbad mit Liegewiese. Bahnstation Vettelschoß“. – Eine Ansichtskarte, gelaufen, abgestempelt im Juli 1936 in Vettelschoß. 

  6. 6.Der Artikel der Rhein- und Wiedzeitung (RWZ) vom Dienstag, 29.11.1938. 

  7. 7.Eine Teilansicht von Vettelschoß vermutlich um 1910. Der Bahnhof mit Bahndamm für die am 30.09.1912/01.10.1912 eröffnete Westerwaldbahnstrecke waren noch nicht gebaut und der Steinbruch „Geißenhüvvel“ noch „unberührt“. Neben dem „Gasthaus Joseph Prangenberg zur Post“ ist (links) das alte Bauernhaus der einstigen Mohren-Sippe zu sehen, in dem im dortigen ersten Gasthaus von Vettelschoß 1892 die Postagentur eröffnet wurde. Vor diesem Objekt verabschiedete die Bürgerschaft von Vettelschoß am 01.10.1912 mit Pauken und Trompeten den Postkutscher vor seiner letzten Fahrt nach Linz; denn die Post und die Pakete wurden nunmehr vom und zum Rhein mit der Bahn transportiert. Die Familie „Mohr“ ist seit 1688 namentlich in Vettelschoß fassbar. Sie war aber wahrscheinlich schon viel früher (noch ohne einen Zu- oder Familiennamen) dort ansässig und verfügte in und um Vettelschoß über sehr viel Grund und Boden, der immer wieder durch die Erbschaften zur Aufteilung gekommen ist. 

  8. 8.Ein Gruppenfoto des Vettelschosser Mandolinenclubs „Von den blauen Bergen kommen wir“ vor dem „Winzerverein“ in Bad Bodendorf am 08.07.1951. V.l.n.r.+1.o.R.: Elfriede Knopp, Reinhold Simon, Änni Hoppen, Wolfgang Simon, Erich Manns. 2. R.: Matthias Ewenz, Alois Homscheid, ?, Günter Homscheid, Häns Mohr. 3. R.: Lena Krebs, Gertaliese Manns, Ferdinand Decker, Josef Hesseler, Walter Kretz, Anna Manns, Lisbeth Heßler, Erich Weißenfels, Gertaliese Ewenz, ?. 

  9. 9.Josef Manns (ein passionierter Gastronom und überzeugter sowie gewiefter Kommunal-Politiker) ist am 22.10.1975 verstorben. 

 

 


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