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Vettelschoß und seine Probleme

vor hundert Jahren

 

Wir durchblättern zunächst die Annalen im Sauseschritt und lassen

die wichtigsten lokalen Ereignisse kurz Revue passieren

 

Von H.H.Mohr

 

Die Zeiten der Vergangenheit sind uns kein Buch mit sieben Siegeln

 

Als der bisher älteste Beleg für Vettelschoß gilt die Testamentsurkunde einer „Cristina“ (Christina) aus „Vertilschos“ („Viertelschoß“) – datiert „im Jahre des Herrn 1344 am Tag des hl. Papstes Urban I.“ = 25.05.1344.

Der hl. Urban I. († 19. oder 25. Mai 230) war von 222 – 230 Papst und Bischof von Rom. Die Kirche feiert den 25. Mai (der beginnenden Rebenblüte) als seinen Gedenktag, der nach alter Überlieferung vermutlich sein Todestag ist.

Papst Urban I. ist der Patron von Maastricht (NDL), Toledo (SPA), Troyes (FRA), Valencia (SPA), Zielona Góra = Grünberg in Schlesien (POL) und der Winzer. – Eine der alten Bauernregeln besagt:

 

„Die Witterung an St. Urban zeigt des Herbstes Wetter an.“

 

Die „Cristina“ aus „Viertelschoß“ war eine „Inclusa“ (Inklusin/Einsiedlerin) in Dattenberg, die als Bürgerliche aus einer achtbaren und sicherlich auch betuchten Sippe in Linz stammte. Ihren Bruder namens Jacobus (genannt „Kollbusch“) kennen wir als den seinerzeit amtierenden Siegelbewahrer des kurkölnischen Amtes in Linz. Er ist uns in Erbpacht-Urkunden der Zisterzienserabtei Heister-bach vom 13.09.1340 und 25.06.1341 überliefert, die 1189 Zisterzienser („Bernhardiner“) aus Himmerod (Eifel) im aufgegebenen Augustinerchorherrenstift auf dem „Stromberg“ (Petersberg) gründeten und sich 1192 im St. Peterstal bzw. Heisterbachtal ansiedelten (Patrozinium: St. Maria und St. Peter).

Den Grundstein für die großartige Abteikirche des bedeutsamen Zisterzienserklosters in Heisterbach legten die Mönche im Jahr 1202. Sie fiel – wie die meisten Klöster und Kommunitäten bzw. Klostergemeinschaften – der Säkularisation zum Opfer. Eine Besichtigung des ehemaligen Konventsgeländes mit dem Torso der altehrwürdigen Klosterkirche von Heisterbach ist auch ein Abstecher in unsere nähere Heimatgeschichte; denn Heisterbach und seine Mönchen prägten bis nach 1803 maßgebend unsere Kirchengeschichte bzw. die in der Pfarrei Neustadt, obwohl auch Zwistigkeiten und keine Konformen von Heisterbach nach Neustadt durch die entsandten Geistlichen überliefert sind. Dennoch wurden bis zur Säkularisation überwiegend Seelsorger aus/von Heisterbach an die Wied delegiert.

 

Abb. 01

 

„Im Urteil des Offizials Koblenz vom 19.10.1335 erkennt Heinrich – Rektor der Kirche zu Nuwenstat – an, daß er, obwohl er kommenden Weihnachten 4 Jahre die Pfarrei verwalte, für jedes Jahr die Pacht von 7 Mark der Abtei schulde. Er verspricht, dieselbe zum festgesetzten Termin zu bezahlen. Im Versäumnisfalle solle er mit Suspension und Exkommunikation bestraft werden.“

„Zwei Jahrzehnte später, 1355, stellen die von dem Abt Anselm (1332 – 1357) von Heisterbach und dem Rektor Heinrich von Lenxdorf (Lengsdorf) in Neustadt (1351 – 1355) als Schiedsrichter Berufenen, der Bonner Kanoniker Heinrich von Dollendorf und der Rektor an St. Remigius in Bonn, Heinrich von Menden, nach Anhörung alter Pfarreingesessener und unter Heranziehung diesbezüglicher Akten fest, daß die Neustadter Kirche zur Zahlung eines Zins – es sind knapp 100 Jahre verflossen!! – verpflichtet gewesen ist.“

„1370 liegt der Rektor Johann Ulriki (1369/1370) mit der Heisterbacher Abtei in gleichem Streit. Nachdem diesem am 15.01.1370 vom Offizial zu Koblenz der Entscheid zugestellt worden war, den Jahreszins in Höhe von 7 Mark zu entrichten, dieser aber dem Offizialentscheide nicht nachkam, wurde er am 8. Juli desselben Jahres exkommuniziert.“

„In der Urkunde heißt es, daß auf Befehl der Koblenzer Kirche in den Kirchen Linz und in allen anderen Pfarreien dieses Jurisdictionsbezirkes die Exkommunikation und Suspension des Rektors der Pfarrkirche zu Nuwenstat, die der Offizial schon lange verfügt habe, an allen Sonn- und Feiertagen auszusprechen sei. Nachdem die Glocken geläutet, die Kerzen gebrannt und wieder ausgelöscht seien, sei dieses zu geschehen.“

Abb. 02

 

Der in Königswinter geborene Dichter Wolfgang Müller (1816 – 1873), der sich auf Grund der Namensgleichheit mit einem Maler „von Königswinter“ nannte, verband eine weitverbreitete alte Sage der Zisterzienser erst nach Auflösung der Abtei mit Heisterbach und schuf (rekapitulierte) das Gedicht:

 

 

„Der Mönch von Heisterbach

 

Ein junger Mönch des Klosters Heisterbach

Lustwandelt an des Gartens fernstem Ort.

Der Ewigkeit sinnt still und tief er nach

Und forscht dabei in Gottes heil'gem Wort.

 

Er liest, was Petrus der Apostel sprach:

Dem Herren ist ein Tag wie tausend Jahr

Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.

Doch wie er sinnt, es wird ihm nimmer klar.

Und er verliert sich zweifelnd in den Wald.

Was um ihn vorgeht, hört und sieht er nicht.

Erst wie die fromme Vesperglocke schallt,

Gemahnt es ihn der ersten Klosterpflicht.

 

Im Lauf erreicht er den Garten schnell;

Ein Unbekannter öffnet ihm das Tor.

Er stutzt – doch sieh, schon ist die Kirche hell

Und draus ertönt der Brüder lauter Chor.

 

Nach seinem Stuhle eilend tritt er ein.

Doch wunderbar, ein andrer sitzend dort,

Er überblickt der Mönche lange Reih'n:

Nur Unbekannte findet er am Ort.

 

Der Staunende wird angestaunt ringsum,

Man fragt nach Namen, fragt nach dem Begehr,

Er sagt's, da murmelt man durchs Heiligtum:

Dreihundert Jahre hieß so niemand mehr.

 

Der letzte dieses Namens, tönt es laut,

Er war ein Zweifler und verschwand im Wald;

Man hat den Namen keinem mehr vertraut,

Er hört das Wort, es überläuft ihn kalt.

 

Er nennt den Abt und nennt das Jahr.

Man nimmt das alte Klosterbuch zur Hand,

Da wird ein großes Gotteswunder klar:

Er ist's, der drei Jahrhunderte verschwand.

 

Der Schrecken lähmt ihn, plötzlich graut sein Haar.

Er sinket hin, ihn tötet dieses Leid.

Und sterbend mahnt er seiner Brüder Schar:

Gott ist erhaben über Ort und Zeit.

 

Was er verhüllt, macht nur ein Wunder klar.

Drum grübelt nicht, denkt meinem Schicksal nach.

Ich weiß, ihm ist ein Tag wie tausend Jahr,

Und tausend Jahre sind ihm wie ein Tag.“

 

Bei dieser Legende über die Relativität von Raum und Zeit – die sich auf die Bibelstellen „2. Petrus 3,8 und Psalm 90,4“ stützt – handelt es sich um eine spezifisch zisterziensische Wanderlegende. Sie wird schon bei Gaspar Jongelinus (Gaspar Jongelincx, * 1605, † 1669, er war ein Theologe und Historiker, der besonders durch seine Arbeiten zur Geschichte des Zisterzienserordens hervorgetreten ist) in ähnlichem Wortlaut über den Abt Ero in einer Zisterze in den Pyrenäen – eines spanischen Zisterzienserklosters – erwähnt.

Eine weitere genealogische Aufhellung dieser früher sicherlich kommunalpolitisch einflussreichen Sippe der „Kollbuschs“ in Linz wäre interessant, dürfte aber wegen der fehlenden Nachweise über die Ahnen und die nachfolgenden Generationen für die Genealogie weiterhin ein Wunschtraum bleiben.

„Christina aus Vettelschoß“ hatte als Erblasserin in ihrem Testament unter anderen zum Heil ihrer Seele auch den „Konvent der Nonnen der heiligen Katharina beim Rennenberg“ (Stifter der Zisterzienserinnenabtei waren Gerhard in Gemeinschaft seiner Gemahlin Benedicta {geb. Von der Neuerburg} von Rennenberg) bedacht, damit „ihr Jahrgedächtnis gehalten wird“. Es sollte am Todestag (?) der Christina alljährlich für sie in der Klosterkirche St. Katharina eine hl. Messe gelesen werden.

Zur Errichtung des Nonnenklosters, des anfänglichen „Haus- und Familienklosters“ für die Töchter der Rennenberger in „Hargarde“ (Hargarten = Flachsanbaugebiet), das zunächst (bis die Existenz insbesondere pekuniär bedroht schien) nur dem Adel vorbehalten war, hatte die verwitwete Gräfin Mechthild von Sayn als Landesherrin unseres Gefildes zu Pfingsten am 27.05.1257 ihr Plazet erteilt. In der ältesten Urkunde wird die Abtei „ecclesia beate Catherine“ genannt.

Dort, wo das Zisterzienserinnenkloster „St. Katharina“ errichtet wurde, soll sich bereits „zur Zeit des hl. Bernhard (Bernhard von Clairvaux, * um 1090 auf Burg Fontaine-lès-Dijon, † 20.08.1153 in Clairvaux bei Troyes) eine Kanonessenniederlassung (Kanonissenniederlassung bzw. Stiftsdamenniederlassung) befunden haben.“ – „Die Kanonessen seien dann 1201 wegen Armut und weil ihre Gebäude durch Brand zerstört worden seien, gezwungen gewesen, sich teils nach Dietkirchen, teils nach Gerresheim zu begeben.“

Das Zisterzienserinnenkloster „St. Katharina“ blieb in seiner wechselvollen Geschichte bis zur Auflösung infolge der Säkularisation eine inessenzielle Abtei.

Der Trierer Erzbischof Heinrich II. von Finstingen (1260 – 1286) stellte 1261 das Frauenkloster „St. Katharina“ in „Hargarde“ unter seinen „Schutz und Jurisdiktion“, aber schon am 22.11.1281 übernahm es zur Aufsicht und Visitation der Abt Richard von Manderscheid (1280 – 1281/1282) des Zisterzienserklosters in Himmerod.

Erzbischof Heinrich II. von Finstingen galt als ein Mann der „kaiserlichen Zeit“ vor Rudolf von Habsburg. Er war gewalttätig und mehr gefürchtet als geliebt. Allerdings hatte er durch zahlreiche Neuerwerbungen während seines Amtes das Erzstift Trier bedeutend gefestigt, erweitert und bereichert.

1134 hatte Bernhard von Clairvaux eine Gründergruppe zu seiner ersten Niederlassung in Deutschland nach Trier ausgesandt. Auf dem Weg zum Reichstag nach Bamberg 1135 fand er höchstpersönlich in Begleitung des befreundeten Trierer Erzbischofs Albero von Montreuil (1131 – 1152) den jetzigen Klosterort im Talkessel der Salm und gab ihm – was ganz selten ist – einen eigenen Namen, indem er ausrief: „Hic est vere Claustrum Beatae Mariae Virginis“. – „Das ist wirklich ein Eiland für die allerseligste Jungfrau Maria!“. Dem Erzbischof von Trier war das so bedeutsam, dass er den Namen „Claustrum“ besonders „aus Liebe und Verehrung für Abt Bernhard von Clairvaux“ in der Dotations­urkunde ausdrücklich festhielt.

Im Jahr 1138 schickte Bernhard von Clairvaux seinen Architekten und Novizenmeister, den seligen Achard nach Himmerod, obwohl dieser zur gleichen Zeit mit dem Bau der Mutterabtei Clairvaux befasst war.

Möglicherweise ist Bernhard von Clairvaux noch einmal (1148) von Trier aus in Himmerod gewesen, als Papst Eugen III. (1145 – 1153) – ein Schüler Bernhards von Clairvaux, der bald nach seiner Wahl wegen politischer Wirren Rom verlassen musste, aber 1152 wieder nach Rom zurückkehrte, den Winter von November 1147 bis Februar 1148 mit seinem Gefolge in Trier verbrachte – auf der Synode 1148 in Trier etwaige Fragen der Kirchenreform behandelte.

Mit Papst Eugen III. regte Bernhard von Clairvaux als Prediger den 2. Kreuzzug (1147 – 1149) an. Seine Kanzelworte schickten Tausende in den Tod. Die im­mensen Verluste hatten in Europa zu einer Ernüchterung gegenüber der Kreuzzugsidee geführt. Bernhard von Clairvaux, der mit Rednerkunst und Fanatismus in Frankreich und Deutschland die Kreuzzugsbegeisterung schürte, wurde schließlich als „falscher Prophet“ bezeichnet.

Trier spielte im Leben Hildegards von Bingen (1098 – 1179) eine große Rolle. Hier wurde sie als Prophetin auf der Synode 1148 durch Papst Eugen III. bestätigt. Doch erst am 07.10.2012 erhob der deutsche Papst Benedikt XVI. (19.04.2005 – 28.02.2013) die hl. Hildegard zur Kirchenlehrerin und dehnte ihre Verehrung auf die Weltkirche aus. Mit Erzbischof Arnold I. von Trier (1169 – 1183) aus dem vornehmen Geschlecht von Walencourt (Diözese Lüttich) war Hildegard nach dessen eigenen Angaben verwandt, vermutlich seine Tante.

 

Abb. 03

 

Die Abtei „Claustrum“ (Insel, Hort, Schutz und Zuflucht) bzw. das Zisterzienserkloster Himmerod („Hammerd“) liegt zwischen Großlittgen und Eisenschmitt (Landkreis Bernkastel – Wittlich).

Wegen der schlechten Erreichbarkeit und der unwirtlichen „Linzerhöhe“ gab der Trierer Erzbischof Heinrich II. von Finstingen schon 1261 „als Mitzweck des Zisterzienserinnenklosters St. Katharina“ sein Einverständnis, dass die aus dem Eifeler Zinsterzienserkloster Himmerod als Beichtväter zu den Nonnen der Abtei „St. Katharina“ entsandten Geistlichen auch die pastorale Be­treuung in dieser kärglichen und unwegsamen Gegend ausüben sollten. Die Pfarrer aus Linz („Lynse“) und Neustadt („Nuwenstat“) „legten auf die Ausübung der Seelsorge in ihren abgelegenen Pfarreibezirken (‚Ob de Hüh‘) durch den Klosterpropst aus ‚St. Katharina‘ großen Wert.“

Mit der Fusion am 01.01.2008 der Pfarrei St. Michael in Vettelschoß mit der Pfarrei St. Katharina in St. Katharinen wurde die bejahrte und frühere Klosterkirche der Zisterzienserinnen von 1317/1324 (der Turm war bis nach dem Zweiten Weltkrieg – wie die St.-Bernhardus-Kapelle in Willscheid noch in unserer Zeit – mit dem altbekannten „Jerusalemkreuz“ versehen) erklärtermaßen zur Pfarrkirche der Gemeinden St. Katharinen und Vettelschoß (einschließlich der Weiler von Ober- und Mittelelsaff, die zur Gemeinde Neustadt, Verbandsgemeinde Asbach, sowie Kretzhaus und Reifstein, die zur Stadt Linz bzw. Erpel gehören). Nur wenige Häuser in Oberelsaff und die am 09.06.1935 durch den Vettelschosser Pastor Alois Löw geweihte St.-Antonius-von-Padua-Kapelle zählen zur Gemeinde Vettelschoß (Verbandsgemeinde Linz).

 

Abb. 04

 

Die eigentliche Kirchengeschichte von Neustadt bzw. von „Nuwenstet, Nuwenstat, Nuenstath oder Neustatt“ („Neußend“) begann wohl erst mit der Gründung und Dotierung der ersten Pfarrkirche aus Stein in Neustadt (Hauptstraße 15) am 11.12.1230 durch das mittelrheinische und einflussreiche Dynastenpaar (Graf Heinrich III. von Sayn, † 01.01.1247, und seine Gemahlin Gräfin Mechthild von Sayn, * 1200/1203, † 07.07.1285).

Der Bau der ersten Steinkirche in Neustadt (1875 wegen Baufälligkeit abgetragen und zum Bürgermeisteramt umgebaut) erfolgte wahrscheinlich aus Dank für die glückliche Heimkehr des Grafen vom 5. Kreuzzug (1217 – 1219/1221).

Mit der Errichtung der heutigen Pfarrkirche St. Margaretha oder St. Margarita in Neustadt war im April 1869 (Grundsteinlegung) begonnen worden. Wegen des „Kulturkampfes“ unterblieb die „feierliche Konsekrierung, sondern das Gotteshaus wurde zunächst im Juli 1873 nur eingesegnet“. Es war auch bis zur Einweihung der ersten Kirche in Vettelschoß (27.06.1900) das Gotteshaus der „Kirchengemeinde“ bzw. „Kapellengemeinde“ oder Vikarie von Vettelschoß.

Und die Pfarrei Neustadt tangierte Vettelschoß bis zur langwierigen Abpfarrung von Neustadt am 07.09.1925. Diese war leider mit einigen Querelen der Geistlichkeit verbunden, die oftmals wie „zornige Männer“ artikulierten und sich so letztlich gegenseitig in kränkende Kalamitäten verwickelten. Über wenige dieser Höhepunkte kann sich der Leser in dieser Abhandlung später selbst ein Bild machen!

Unter dem 14.02.1254 vermachte die verwitwete Gräfin Mechthild von Sayn „dem Hospitale von Heisterbach die Kirche von Nuwenstat bei Wiede mit dem Patronatsrecht und den Zehnten, den Anteil des Pfarrers daselbst ausgenommen, mit der Bewilligung ihres Landesherrn, des Erzbischofs (Arnold II.) von Köln. (Es muss richtig Erzbischof Konrad I. von Hochstaden – der von 1238 bis 1261 als Kölner Erzbischof amtierte – heißen.) Dieses Vermächtnis Mechtildes ist eine Ergänzung einer bereits zu Lebzeiten ihres Gemahls getätigten Stiftung, wonach Heisterbach Pflegestellen für 13 Arme einrichten solle.“ – „Die Stiftung Mechtildes betrifft wiederum 13 Arme, für deren Versorgung Heisterbach sorgen solle. Ihre Leistungen bestehen in Liegenschaften in Neustadt, Linz, Oberdollendorf und Weinsbach (?) bei Rennenberg.“

„Abt und Konvent versprechen, die genannten Einkünfte nur für die Armen im Sinne des Stifters zu verwenden und alljährlich, am 2. Januar, dessen Jahrgedächtnis zu feiern. Heisterbach ist Patronats- und Zehntherr der Kirche (Nuwenstat = Neustadt) geworden.“

Doch die erste historisch belegbare Erwähnung des Dörfchens „Nuenstath“ (höchstwahrscheinlich das an der Wied) fand man im „Siegburger Mirakelbuch“, welches in der Universitätsbibliothek in Düsseldorf aufbewahrt wird. Danach dürfte die Niederschrift mit der Erwähnung von „Nuenstath“ im Jahr 1185 entstanden sein.

Die Mirakelberichte befassen sich mit den Wundererscheinungen des Kölner Erzbischofs Anno II. (1058 – 1075), dem Begründer der Abtei in Siegburg. Seine Heiligsprechung erfolgte am 29.04.1183. Jene Abtei „Michaelsberg“ in Siegburg war eine Abtei des Benediktinerordens. Sie bestand von 1064 – 2011 (mit einer Unterbrechung von 1803 – 1914) und gehörte zur Kongregation von Subiaco, zu der in Deutschland nur noch die Abtei Kornelimünster bei Aachen gehört.

Das Kloster „San Benedetto“, auch Sacro Speco (Heilige Felsspalte) genannt, gehört zur Territorialabtei Subiaco des Benediktinerordens. Das Hauptkloster der Territorialabtei ist das Kloster Santa Scolastica, das etwa 1 km unterhalb von San Benedetto (Subiaco) in Italien liegt.

Besonders lesenswert und geschichtsträchtig ist die Anno-Vita! – Es scheint wirklich kurios: Auf der einen Seite wurde Anno zu Lebzeiten gehasst und verachtet (er galt als der Inbegriff eines Tyrannen), auf der anderen Seite verehrte man ihn nach seinem Tode als einen Heiligen.

Annos Neffe, Kuno bzw. Konrad I. von Pfullingen, der unter Missachtung des Wahlrechtes des Trierer Domkapitels investiert wurde, wurde deshalb auf der Reise nach Trier am 18.05.1066 vom Trierer Burggrafen mit seinem Begleiter, dem Speyerer Bischof Einhard II. bzw. Graf von Katzenellenbogen (1060 – 1067), in Bitburg gefangengenommen und nach der Burg Ürzig (Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues, Kreis Bernkastel-Wittlich) in Haft gebracht. Dort stürzten ihn am 01.06.1066 Kriegsknechte von einem Felsen und töteten ihn dann mit dem Schwerte. Die Leiche ließ der Bischof von Verdun nach Tholey bringen.

 

Abb. 05

 

In der Urkunde des Papstes Innozenz III. (1198 – 1216) vom 29.08.1213 mit Besitzbestätigung für das Zisterzienserkloster Heisterbach wird die „Parochia Nuwinstat“ (Pfarrei „Neustatt“) bereits erwähnt. Die Pfarrei („Kirspel“) Neustatt bzw. Neustadt gehörte zu Engers-Kunostein (Landkapitel Cunostein-Engers), das dem Archidiakonat Dietkirchen (Lahn) unterstand, welches wiederum dem Unterstift Koblenz zuzurechnen war. Und das Unterstift Koblenz mit dem Oberstift Trier bildete einst die mittelalterliche Diözese (Erzbistum) Trier. Vermutlich gab es um diese Zeit bereits eine Kirche oder Kapelle in Neustadt, die gegebenenfalls aus Holz bestanden haben dürfte!

„Um 1300 zählte das Dekanat Engers mit Neustadt zusammen 24 Pfarreien. Um 1400 gab es bereits 30 Kirchen. Im Jahr 1570 ist Engers mit 29 Pfarreien aufgeführt.“

Dabei wurden alle „Filialen“ (Kapellen) der Pfarrei St. Margaretha (Margarita) in Neustadt, wozu die halbe Hun- oder Honschaft von Lorscheid bzw. der II. Teil = Vettelschoß, die spätere Gemeinde Vettelschoß bis zur Abpfarrung am 01.08.1925 (verfügt seitens Trier am 30.06.1925, sollte aber erst an Allerheiligen von den Kanzeln sowohl in Neustadt als auch in Vettelschoß publikt gemacht werden) zählte, erwähnt. – „Willscheid (St.-Bernhardus-Kapelle), Vettelschoß (St.-Michaels-Kapelle) und Ebscheid (höchstwahrscheinlich Etscheid), die St.-Antonius-von-Padua-Kapelle.“

Zwischen 1215 und 1218 wurde Gräfin Mechthild von Landsberg mit dem Grafen Heinrich III. von Sayn verheiratet. Sie war die einzige Tochter des Grafen Dietrich von Sommerschenburg und Groitzsch (Pfalzgraf von Sachsen, † 13.06.1207) aus einer Nebenlinie der Wettiner – der sich nach Übernahme der rheinischen Güter den Namen „Landsberg“ zulegte – und der Jutta, Landgräfin von Thüringen († vor oder 1216), die im einst mächtigen und einflussreichen Zisterzienserkloster in Heisterbach zu Grabe getragen wurde.

Die Ehe zwischen Mechthild und Heinrich kam aus politischen Gründen und nach Einschaltung von Papst Innozenz III. zustande, um Streitigkeiten zwischen Graf Dietrich von Landsberg und den Grafen Heinrich II. und Eberhard II. von Sayn beizulegen. Auch waren sich beide Häuser seinerzeit wegen der Königsfrage nicht „grün“.

Graf Heinrich III. von Sayn und Gräfin Mechthild von Sayn verstarben kinderlos – ein Desaster in der mittelalterlichen Adelswelt! Die kurz nach Heinrichs Tode geborene Tochter war eine Totgeburt oder ist bald verstorben. Sie ist auch in der 1247/1248 entstandenen Grabfigur aus Eichenholz des Grafen Heinrich III. von Sayn erkennbar.

Der Graf galt eigentlich als eine scharf umstrittene Persönlichkeit, die der Ketzerei, der Raubsucht und Rachsucht angeklagt und sich kurz vor seinem Tode durch Schenkungen und geistliche Stiftungen zu „reinigen“ suchte. Das Leben der Gräfin Mechthild von Sayn war dagegen schon immer von großer Frömmigkeit geprägt.

Als sein größter Widersacher und Ankläger als Ketzer galt Konrad von Marburg (* um 1180/1190), seit 1227 Inquisitor der „teutschen Lande“. Konrad von Marburg war Beichtvater und Ratgeber des Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen. Noch bevor Ludwig im Juni 1227 zum 5. Kreuzzug aufbrach und am 11.09.1227 auf dem Weg nach Palästina verstarb, fungierte Konrad von Marburg von 1226 an als strenger und einflussreicher „Seelenführer“ und „Defensor“ (Verteidiger) sowie Vormund seiner Gemahlin, der Landgräfin Elisabeth von Thüringen (der späteren hl. Elisabeth, † 1231).

Schließlich wurde Konrad von Marburg bei dem heutigen Weiler „Hof Capelle“ südlich von Marburg, etwa 2 km nordöstlich von Beltershausen im „Ebsdorfer Grund“, am 30.07.1233 erschlagen. Sechs Berittene hatten ihm und seinen zwei „mönchischen“ Vertrauten aufgelauert. Vermutlich waren es Gefolgsleute des Grafen Heinrich III. von Sayn. Unter ihnen sollen sich als Hauptbeteiligte die Mitglieder der mittelhessischen Ritterfamilie „von Dernbach“ befunden haben.

 

Abb. 06

 

Nach Verträgen von 1250/1262/1275 ließ die inzwischen verwitwete Gräfin auf „Rentenbasis“ nach ihrem Tode „ihre von der Kölner Kirche zu Lehen getragenen Burgen (Altenwied, Windeck, Rennenberg und Neuerburg sowie ihre Dörfer Rosbach/Sieg, Linz, Leubsdorf, Neustadt, Asbach, Windhagen, Gielsdorf, Sechtem, Wald- und Niederbreitbach) mit allem Zubehör zur Erlangung der ewigen Gnade“ in den Besitz der Kölner Kirche (Erzstift bzw. Erzbistum und ab 1356 auch Kurfürstentum in Köln) eingehen, wobei alles 553 Jahre bis zur Säkularisation (1803) mit der steten Wiederkehr von Not und Elend, Lasten und Pflichten sowie Sorgen zu deren Herrschaftsbereich (Kurköln) zugeordnet blieb.

Unser kurkölnisches Amt Altenwied war durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25.02.1803 wiedisch geworden, ging aber bereits 1806 im Zuge der Gründung des Rheinbundes im Rahmen der Mediatisierung an das Napoleon ergebene Nassau über. Mit dem in die Akte des Wiener Kongresses aufgenommenen Vertrages vom 31.05.1815 hatte das Herzogtum Nassau im Rahmen

 

Abb. 07

 

eines komplizierten, territorialen „Tauschgeschäftes“ neben anderen vormaligen kölnischen, trierischen und saynischen Ämtern auch das Amt Altenwied an Preußen abgetreten.

Diese Gebiete wurden mit dem Regierungsbezirk Koblenz der 1816 gebildeten Provinz „Großherzogtum Niederrhein“ vereinigt, die die Regierungsbezirke Koblenz, Trier und Aachen umfasste.

Bis 1865 gehörte die Gemeinde Vettelschoß als „halbe Honschaft“ zur „Honschaft Lorscheid“, die uns bereits seit 1321 überliefert ist. Dem Vernehmen nach war Vettelschoß aber immer eigenständig.

Nach den Amtsblättern des ehemaligen Amtes Altenwied bzw. der „Königlichen Regierung/Königlich-Preußischen-Regierung“ zu Coblenz (Koblenz) von 1816 bis 1872 hatte die Bürgermeisterei Neustadt („Fürstlich Wiedisches Bürgermeister-Amt“) folgende Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen:

1829 = 2.322 Einwohner. 2.316 waren katholisch, 3 evangelisch, 4 Mennoniten. 1835 =   2.494 Einwohner, 2.487 katholisch, 3 evangelisch, 4 Juden (vermutlich wurde die Spalte verwechselt; gemeint waren wohl 4 Mennoniten). 1838 = 2.558 Einwohner, 2.543 katholisch, 11 evangelisch, 4 Mennoniten. 1865 = 3.854 Einwohner, 3.830 katholisch, 24 evangelisch. 1868 = 3.674 Einwohner, 3.654 katholisch, 20 evangelisch (insgesamt 689 Haushaltungen).

 

Abb. 08

 

„Die Endung -schoß leitet sich ab von ‚abschüssig‘, bezeichnet also eine Hanglage.“ Dagegen kommt das Wort „Vettel“ von „Viertel“. – „Ein Viertel (Land), das im Hang (-schoß) gelegen ist.“ Der Name „Vettelschoß“ (Hangweiler) ist aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Benennung einer früheren Feldflur (Parzelle/Flurbezeichnung) hervorgegangen. Eine Besiedelung unseres Gefildes dürfte frühestens nach der zweiten mittelalterlichen Rodungs- und Besiedlungsphase (1185/1200) oder Christianisierung erfolgt sein.

Nach unbedeutenden Köhlereien gab es um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Vettelschoß ein kleines „Pottasche-Werk“ mit vielleicht einer Hand voll an Beschäftigten, die man „Pottaschsiedler“ oder „Aschenbrenner“ nannte.

Nur die Erzählung über einen „Pottasch-Fabrikanten“ und dem „Räuber aus „Viertelschoß“ bzw. „Der Räuber Fetzer in Vettelschoß“ aus „Sagen des Westerwaldes“ („Actenmäßige Geschichte aus dem Jahr 1804“) lässt an jene Zeit erinnern:

„Mit dem alten Hannes, dem Anton Heinze, dem Serves Joseph und dem Meyer Gas verübte Fetzer einen Diebstahl zu Viertelschoß im Amte Asbach bey einem Pottasch-Fabrikanten. Der hauptsächlichste Theil der Beute bestand in vielem kleinem Gelde, das in einem Reisesacke lag, und gerade den Tag vorher ausbezahlt (beschafft) worden war. Der Anbringer des Raubes, der alte Hannes, hatte dieses zu erkundschaften gewußt.“

Um 1680 lebte im „Wald von Vettelschoß der Kohlenbrenner namens Johannes“, der sich vor/um 1650 den Namen „Johannes Vettelschoß“ zugelegt haben dürfte.

 

Ohne den „Wöls- oder Willscheiderberg“ gäbe es

kein Vettelschoß im heutigen Sinne

 

Nach der Volkszählung am 01.12.1910 hatte die kleine landwirtschaftlich strukturierte und unbedeutende Gemeinde Vettelschoß 883 Einwohner einschließlich der 15 Bewohner von Kretzhaus (Stadt Linz) und der 7 Mitbürger am „Willscheiderberg“ (es war die Familie des 1947 verstorbenen Bruchmeisters und späteren Betriebsleiters Wilhelm Münch) sowie den 28 Fremdarbeitern in der so genannten „Menage“ (die frühere Unterkunft für ausländische Arbeitnehmer) des Steinbruchbetriebes am „Wöls- oder Willscheiderberg“ (der Volksmund sprach vereinfacht nur vom „Birch“ in „Vellschoss“) in Vettelschoß.

Bereits am 26.07.1898 waren die ersten Gastarbeiter (32 italienische Staatsangehörige) am „Wölsberg“ – mit dem späteren Betriebsnamen „Willscheiderberg“ – eingetroffen, wofür die Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG) kurz vorher die geräumige „Menage“ hatte bauen lassen.

Während des Ersten Weltkrieges bzw. schon seit Anfang August 1915 arbeiteten 25 französische Kriegsgefangene am „Birch“, die man am 01.05.1917 durch 30 belgische Zivilisten ersetzte. Sie „verdienten dort pro Tag und Mann 5 Mark, mussten aber für Kost 2,50 M. zahlen“. Auch sie hatten ihre Unterkunft und logierten in der ausladenden „Menage“. Das nähere Umfeld um die „Menage“ wird noch immer von den Einheimischen als der „Fransuseplatz“ bzw. „Franzosenplatz“ bezeichnet.

Die „Menage“ war ein massiver schwarz-weißer Fachwerkbau, der mit einem großen Ofen und zuletzt von Johann Prangenberg – den man im Volksmund in Vettelschoß wegen seiner außergewöhnlichen Körpergröße „der lange Jöhm“ nannte – beheizt wurde.

 

Abb. 09

 

Als die namhaftesten Laufburschen zur Zeit des „Hochbetriebs“ am „Wöls- oder Willscheiderberg“ fungierten Heinrich Hesseler („Kauer Heinche“) aus der Kau und Heinrich Schneider („Schniedisch Heinche“) aus Rotterheide. Ihre wesentlichen Aufgaben bestanden darin, die „Henkelmänner“ mit den Mittagessen für die gesamte Arbeiterschaft zu erwärmen und den Nachschub an „flüssigem Brot“ (Bier) und „Schabau“ bzw. den „Seelenwärmer“ (Schnaps) sicherzustellen. Der legendäre „Kauer Heinche“ war vorher als Kalfakter am „Hüvvel“ („Geißen- und Türkenhügel“) und für alles zuständig, aber für nichts verantwortlich.

Im Jahr 1938 musste die „Menage“ – die schon einige Zeit leer stand und für die auch in absehbarer Zukunft keine Verwendung zu finden war – dem neuen und feierlich eingeweihten „Betriebsleitergebäude“ am „Wöls- oder Willscheiderberg“ mit Büro, Aufenthalts-, Wasch- und Duschraum sowie Magazin, Küche und Heizungskeller weichen. Dieses Objekt, das aus Anlass des 50jährigen Bestehens der BAG erbaut wurde, trug ursprünglich über dem Eingang die Beschriftung „1888 – 1938“, wurde nach 1974/1975 (nachdem die Basaltindustrie für die Gemeinde Vettelschoß zur Geschichte geworden war) umgebaut und ist das gegenwärtige Gemeindehaus „Willscheider Berg“ in Vettelschoß.

Die Gründung der BAG erfolgte nämlich am 02.06.1888 unter Führung des Kölner Steinbruchbesitzers Wilhelm Zervas. Nach dem Beschluss der Generalversammlung vom 25.03.1891 verlegte man den Gesellschaftssitz von Köln nach Linz mit einer Zweigniederlassung in Rotterdam. Acht der Gründungsmitglieder waren Holländer. Im Jahr 1899 ging die Firma Zervas in der BAG in Linz auf. Die offizielle Pachtung des „Wöls- oder Willscheiderberges“ durch die BAG geschah jedoch erst am 16.03.1893.

Wahrscheinlich 1865 – wie am Hummelsberg nahe Hargarten – haben die Gebrüder Jan Goedkoop (Kaufmann und Reeder) und Wouter Goedkoop (Kaufmann und Steinbruchbesitzer) aus Amsterdam unter Beteiligung der Firma Dominikus Zervas & Söhne aus Brohl bzw. Köln am „Wölsberger Kegel“ („Wölsberg“ = Wühlberg) mit dem systematischen und manuellen Abbau des im fast gesteinslosen Holland so dringend benötigten Säulenbasalts – die „Blauw- oder Hoeksteen“ (Blau- oder Ecksteine) – als Wasserbausteine den Anfang gemacht.

 

Abb. 10

 

Das wohl erste feste Bauwerk am „Wöls- oder Willscheiderberg“ aus der Jahrhundertwende befand sich einst links vom so genannten und 1938 errichteten „Betriebsleitergebäude“. Es bestand aus karminroten und angeblich handgefertigten Klinkern mit dem ersten Lokomotivschuppen (indem zuletzt eine starke und die grüne einzige Diesellok bis nach dem Zweiten Weltkrieg untergebracht war), einer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung für den Bruchmeister mit Familie, einer „Marketenderei“ für die Arbeiter sowie aus dem ersten „Betriebsleiterbüro“ von sehr geringer Größe. Die heimelige einfache Wohnung war bis in die 1960er/1970er Jahre bewohnt.

Am 01.10.1928 gab es am „Birch“ ein Arbeiterheer von über 100 Personen. Es waren die Steinbrecher, Steinarbeiter, Steinbrucharbeiter, Steinklopfer, Steinkipper, Stein- oder Schotterschläger, Bremser, Lokomotivführer, Heizer, Maschinisten, Schmierer, Meister, verschiedene vorbildliche Handwerker, Laufburschen und „Henkelmanngucker“. Man nannte nämlich die Tee-, Kaffeekocher und Henkelmannwärmer auch spöttisch unsere „Betriebskellner“.

Um wie viel ärmer wären Vettelschoß und der Westerwald geblieben, hätte es das „schwarz-blau-graue Gold“ (Basalt) nicht gegeben?

 

Amtsbürgermeister Hugo Heffels

 

Das Protokoll über die Gemeinderatssitzung vom 12.11.1910 in Anwesenheit und unter Vorsitz des Amtsbürgermeisters Hugo Heffels aus Neustadt besagt: „Es wird einstimmig beschlossen, die Basaltbrüche ‚Geisen- und Türkenhügel‘ den Gebrüdern Uhrmacher zu Oberkassel nach Maßgabe ihres Angebotes zu verpachten. Nachgebote von anderen Unternehmungslustigen nehmen wir nicht an. Der Vorsitzende wird ermächtigt, den bezüglichen Vertrag auf Grund der vorliegenden Bedingungen abzuschließen.“

 

Abb. 11

 

Aber nun begann das Gezeter mit der Bürgermeisterei in Neustadt und vor allem mit deren Amtsbürgermeister Hugo Heffels. Was der „Korinthenkacker“, wie man ihn im einheimischen Jargon scheltete, damit eigentlich vier Jahre lang bezwecken wollte, nahm er schließlich mit ins Grab!

 

Abb. 12

 

Die Vettelschosser Gemeindeväter, denen der Trouble mit Neustadt und vor allem die hanebüchenen Ausreden von Hugo Heffels schon lange zuwider waren, beschwerten sich über die Hinhaltetaktik des Amtsbürgermeisters wegen der Verpachtung der Steinbrüche am „Hüvvel“ sowohl beim Landrat in Neuwied, dem Regierungspräsidenten in Koblenz und dem zuständigen Minister der Rheinprovinz – ebenfalls in Koblenz. Zwei Gemeinderatsmitglieder aus Vettelschoß trugen die Beschwerden dem Regierungsrat Renner in Koblenz persönlich vor. Doch von den Oberbehörden wurde als Erstes die formelle Abfassung der vorausgegangenen Gemeinderatsbeschlüsse kritisch beäugt und schließlich bemängelt.

Zuletzt blieb dem Gemeinderat von Vettelschoß nichts anderes übrig, als sich ab dem 09.08.1913 anwaltschaftlich durch Rechtsanwalt Dr. Hillebrand in Neuwied vertreten zu lassen. Und Amtsbürgermeister Hugo Heffels hatte in der Gemeinde Vettelschoß „keine Lobby mehr“!

Doch die Steinbrüche am „Hüvvel“ – der „Geißen- und Türkenhügel“ – konnten schlussendlich erst nach einem nahezu vier Jahre andauernden Hickhack mit dem Amtsbürgermeister Hugo Heffels am 19.09.1914 an die Oberkasseler Firma der Gebrüder Uhrmacher bzw. (ab Herbst 1921 = Christian Uhrmacher & Söhne) verpachtet werden. Ursprünglich wollte die Firma in Vettelschoß auch noch eine Zementfabrik errichten. Doch daraus wurde nichts!

 

Abb. 13

 

1935 waren der „Geißenhügel“ und der „Türkenhügel“ um 1939/1940 ausgebeutet. Am „Hüvvel“ arbeiteten anfangs 70 Arbeiter und zum 01.10.1928 standen dort noch 50 Personen im Brotberuf.

Inzwischen wurde der „Geißenhügel“ zugeschüttet (auf dem Gelände wird heute Tennis gespielt) und der „Türkenhügel“ gilt schon seit Jahrzehnten in den Sommermonaten als ein sehr beliebtes Strandbad für Jung und Alt mit Gästen aus nah und fern. Das größte Relikt aus den Anfängen der Industrialisierung in Vettelschoß, der 100 m tiefe Gumpen des ehemaligen Säulenbasalt-Steinbruchs am „Wöls- oder Willscheiderberg“, behält sich die Gemeinde Vettelschoß als Wasserreservoir vor.

 

„basanites“ = „basaltes“

 

Das von den Ägyptern in Äthiopien entdeckte dunkle, überaus harte Gestein – der „Probierstein“ = „basanites“, wohl von einem ägyptischen Wort abgeleitet, mit dem ein sehr hartes (von „Eisen-Härte“) zur Gold-Prüfung verwendetes Schiefer-Gestein gemeint war – nannte Gaius Plinius Secundus Maior (kurz: Plinius der Ältere, lateinisch: Plinius maior) – [* etwa 23 n.Chr. in Novum Comum (Como), † 25.08.79 n.Chr. in Stabiae] – „basanites“.

Er war ein römischer Gelehrter. Bekannt wurde er vor allem durch sein naturwissenschaftliches Werk „Naturalis Historia“ (Naturgeschichte). Außerdem schrieb Plinius der Ältere mehrere Geschichtswerke, stand in enger Beziehung und war ein Freund und Ratgeber der römischen Kaiser Vespasian (69 – 79 n.Chr.) und dessen Sohn Titus (79 – 81).

Von Plinius sind uns folgende eindrucksvolle Zitate überliefert: „Jede Zeit ist umso kürzer, je glücklicher man ist.“ – „Der Ruhm muss uns folgen, nicht wir dürfen ihn suchen. Wenn er zufällig nicht folgt, so ist die Handlung, weil sie nicht berühmt geworden, darum nicht weniger schön.“ – „Was für ein Ende soll die Ausbeutung der Erde in all den künftigen Jahrhunderten noch finden? Bis wohin soll unsere Habgier noch vordringen?“

Der Römer Plinius stammte aus einer vermögenden Ritterfamilie. Er kam in jungen Jahren nach Rom, wo er mit Publius Pomponius Secundus, einem Tragödiendichter und Feldherr, Umgang hatte.

Plinius blieb unverheiratet und kinderlos. Nach dem Tode seiner Schwester adoptierte er seinen Neffen, der seinen Namen annahm und uns als „Plinius der Jüngere“ bekannt ist.

Als Offizier und Schriftsteller hatte Plinius der Ältere große Teile des Römerreiches kennen gelernt und Gallien, Germanien, Spanien und Afrika bereist. Um das Ereignis des Ausbruches des Vesuvs am 24.08.79 n.Chr. besser studieren zu können, aber auch, um den Opfern der Katastrophe zu helfen, wagte sich Plinius als damaliger Präfekt der römischen Flotte in Misenum (Miseno) in den Golf von Neapel, wo er schließlich Opfer seines Wissensdranges wurde.

Er starb am Morgen des 25.08.79 an „Herzschlag infolge Herz-Verkalkung“ – wie sein Neffe in einem Brief an Tacitus Publius Cornelius (einem bedeutenden römischen Historiker und Senator) mitteilte.

Der Begriff „basaltes“ kommt in der gesamten Plinius-Überlieferung nur an einer einzigen Stelle vor. Sie lautet in „Naturalis historia“ und übersetzt: „Eben dieses Ägypten fand in Äthiopien (einen Stein), den man „basaltes“ nennt, von des Eisens Farbe und Härte, woraufhin man ihm auch den Namen gegeben hat.“

Es bleibt weiter offen, welchen Stein seinerzeit Plinius der Ältere meinte. Sehr unwahrscheinlich ist, dass er den europäischen „Basalt“ schon gekannt haben dürfte.

Die Basalt-Genese blieb unter den Wissenschaftlern bis 1790/1794 umstritten, bis durch Experimente ab 1798 die Deutung der Säulenform des Basalts als bloßer Abkühlungs- und Schrumpfungsprozess bei der Erstarrung des Lava-Schmelzflusses bestätigt werden konnte.

Das Pseudowort („Geist-Wort“) „basaltes“ ist schlicht eine Verschreibung in dem Hyparchetypos der jüngeren Plinius-Handschriften, deren Entstehen aus einer verlesenen Minuskel (Kleinbuchstabe) leicht plausibel gemacht werden kann; denn „basāiten“ > „basalten“.

Dieses Wort „basalten“ hatte es nie gegeben, bevor dieser Begriff von Georgius Agricola für ein Gestein verwendet wurde, dessen Farbe und Härte mit einem bei  Plinius dem Älteren genannten Probierstein = „basanites“ aus Ägypten übereinstimmte.

Fatal daran war, dass zum einen für die Säulenform, die zu einem der Merkmale des „Basalts“ von Georgius Agricola wurde, im Plinius-Text dafür überhaupt kein Anhalt besteht und dass zum anderen das durch eine Korruptel (von alten Texten und Handschriften verdorbenen Textstelle) entstandene Pseudowort vorgaukelte, dass an dieser Stelle eine sonst in antiken Texten nicht erwähnte, besondere Gesteinsart gemeint sei.

Georgius Agricola meinte zu „Basalt“ (Säulen): „Manche sind eckig. Sie bilden sich mit fünf Ecken, wie sie der Basalt im Meißner Land besitzt. Doch der wechselt in der Zahl der Ecken, mindestens hat er vier, höchstens sieben.“ – „Die Härte ist so groß, daß ihn Schmiede als Amboß verwenden.“

„Die zehn Bücher über die Natur der Mineralien (1546) ‚De natura fossilium‘ von Georgius Agricola stellt das erste wirkliche ‚Handbuch der Mineralogie‘ oder vielmehr der ‚Mineralienkunde‘ überhaupt dar, welches das bis dahin über viele Einzelschriften zerstreute, vorwiegend aus der Antike stammende Wissen erstmals zusammenfasste und auch erstmals eine systematische Kennzeichenlehre zur Identifizierung der mineralia (und Erze) anwendete.“

Georg Pawer (Bauer), der ab 1518 nach Humanisten-Brauch seinen Namen zu Georgius Agricola lateinisierte, wurde am 24.03.1494 als ältester (oder zweitältester) Sohn von sieben Kindern des Tuchmacher-Meisters Gregor Pawer in Glauchau geboren. Er starb nach einem bewegten Leben (Schulleiter, Schulmeister, Mediziner, Autor, Stadtarzt, Bürgermeister, Schulinspektor, Truppenberater) am 21.11.1555 in Chemnitz.

 

 

 

 

„Basalt“

 

Basalt ist das vulkanische Naturgestein mit der größten Verbreitung. Es gilt als das eigentliche „Urgestein“ der Erde. Aber Basalt gibt es auch auf allen terrestrischen Planeten (Merkur, Venus, Mars) und dem Mond. Viele Meteoriten besitzen die gleiche chemische Zusammensetzung wie Basalt.

Der Basalt wurde ursprünglich aus dem Erdmantel heraus vulkanisch an die Erdoberfläche befördert. Sein dichtes Gefüge und die hohe Robustheit machen das magmatische Ergussgestein zu einem der zähsten und wetterbeständigsten Natursteine überhaupt.

Das Basalt-Magma hatte im Miozän (Jung-Tertiär), die in den Zeiten der Gebirgs- (Alpen, Pyrenäen) und Grabenbildungen (Rheintalgraben) entstandenen Risse und Klüfte in den überlagernden Gesteinsschichten genutzt, um bis nahe an die damalige Erdoberflähe aufzu­steigen. Dabei hatte das Magma nur selten die an der Erdoberfläche lagernden tertiären Sande durchstoßen und ist oft in den wasserreichen Tertiärsedimenten steckengeblieben. Die Basaltsäulen sonderten sich senkrecht zu den Kontaktflächen (Basalt/Tertiärsand) ab. Auf der obersten Sohle des Steinbruchs sind nahezu horizontale Kontaktflächen (Basalt/Tertiärsand) aufgeschossen. Die Basaltsäulen sind typischerweise vier-, fünf- oder sechseckig.

Der „Basaltstreit“ im späten 18. Jahrhundert war eine Auseinandersetzung um Weltanschauungen, Weltbilder und Welterklärungsmodelle. Johann Wolfgang Goethe (er wurde 1782 geadelt) thematisierte den Streit in verschiedenen Werken und lobte in einem 1827 an die Adresse der Vereinigten Staaten gerichtetes Widmungsgedicht die Unbefangenheit der Kulturlosigkeit.

 

„Den Vereinigten Staaten

 

Amerika, du hast es besser

Als unser Kontinent, das alte,

Hast keine verfallenen Schlösser

Und keine Basalte.

 

Dich stört nicht im Innern,

Zu lebendiger Zeit,

Unnützes Erinnern

Und vergeblicher Streit.

 

Benutzt die Gegenwart mit Glück!

Und wenn nun eure Kinder dichten

Bewahre sie ein gut Geschick

Vor Ritter-, Räuber- und Gespenstergeschichten.“

 

Quarzite

 

Quarzite sind fein- bis mittelkörnige metamorphe Gesteine, die mit Quarzitgehalten ab 98 Prozent definiert sind. Sie zeichnen sich durch relativ große Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen aus.

Die Bezeichnung Quarzit wird in vielen Fällen nicht ganz zutreffend auf Sandsteine angewendet, deren Körner nach der Zementation durch Kieselsäure (Verkieselung) ähnlich hart sind wie echter Quarzit.

Quarzit entsteht durch Metamorphose (Umgestaltung, Verwandlung) meistens aus Sandstein, aber auch Kieselschiefer, Radiolarite oder Hornstein sind als Ausgangsgestein möglich. Durch eine Kombination von Druck, Temperatur und mechanische Belastung werden die einzelnen Quarzkörner deformiert.

Quarzit ist weltweit verbreitet. Man findet ihn auch gelegentlich als eiszeitliches Geschiebe in Norddeutschland. Sie stammen aus Schweden und Norwegen. Viele der gemeinhin als Quarzit bezeichneten Gesteine sind keine echten Quarzite, sondern durch Kieselsäure verfestigte Sandsteine. In Deutschland gibt es solche „Quarzite“ oder „Felsquarzite“ unter anderem in den Rheinischen Schiefergebirgen zu beiden Seiten des Mittelrheintales im Taunus und Hunsrück. Weitere Quarzit-Vorkommen befinden sich in der Eifel und im Westerwald.

Auf Grund seiner Härte war Quarzit schon in der Steinzeit ein recht brauchbarer Ersatz für Feuerstein. Viele Werkzeugfunde aus dieser Zeit bestehen aus Quarzit, sowohl aus echtem Quarzit als auch aus hartem, quarzreichem und verkieseltem Sandstein.

Quarzit ist heute ein Rohstoff für die Industrie. Für die normale Glasherstellung werden keine Quarzite, sondern Granitgrus benötigt. Es sind massige und relativ grobkristalline magmatische Tiefengesteine (Plutonite), die reich an Quarz und Feldspaten sind, aber auch dunkle Minerale, z.B. Glimmer, enthalten.

Fein gemahlen wird Quarzit für die Herstellung optischer Spezialgläser verwendet oder als Füllstoff bei der Herstellung von feuerfestem Material. Besondere Bedeutung besitzt Quarzit heute im Baubereich, wo er zu den edelsten Natursteinen zählt. Mit Wahrscheinlichkeit waren die einst im Gemeindegebiet von Vettelschoß geförderten „Quarzite“ ebenfalls nur in Jahrmillionen durch Kieselsäure verfestigte Sandsteine.

Im Nachhinein lässt es sich „sehr vereinfacht“ sagen, die Ressourcen (Basalt und Quarzit) sind von der Gemeinde Vettelschoß schon zu Anfang der Industrialisierung und quasi in einem Jahrhundert „für 'n Appel und 'n Ei“ schlicht verschleudert bzw. verhökert worden!

 

Die Gemeinde Vettelschoß vor 100 Jahren

 

Schon am 21.06.1911 hatte der Gemeinderat von Vettelschoß den künftigen Zugang zum Bahnhof in Vettelschoß und am 18.09.1911 auch von Kalenborn auf der Tagesordnung. Das Thema wurde jedoch vorerst vertagt. – Doch in der gleichen Gemeinderatssitzung baten die Gemeindeväter „die Königliche Regierung, vorläufig von der Einrichtung einer II. Lehrerstelle absehen zu wollen. Die von dem Lehrer und nach den bestehenden Vorschriften pflichtmäßig zu unterrichtenden Schulkinderzahl wird z.Zt. nur um etwa 10 – 12 Kinder überschritten. Diese äußerst geringe Zahl dürfte es vorläufig nicht notwendig erscheinen lassen, eine II. Stelle einzurichten. Die damit für die Gemeinde verbundenen Mehraufwendungen belaufen sich auf jährlich ca. 700 M. gleich einer Mehrbelastung von 23%“.

Jedoch schon am 11.11.1911 beschloss der Gemeinderat von Vettelschoß unter Anwesenheit von Amtsbürgermeister Hugo Heffels: „Wir sind mit der Einrichtung einer II. Lehrerstelle in Vettelschoß zum 1. April 1912 einverstanden, wenn zu den Kosten dieser Stelle ein widerruflicher Jahreszuschuss von fünfhundert Mark staatlicherseits gewährt wird. Sodann knüpfen wir hieran die fernere Bedingung, daß die Schaffung eines zweiten Schulsaales erst dann uns auferlegt wird, wenn der jetzt vorhandene Saal für die zu unterrichtenden Kinderzahl nicht mehr ausreicht. Der vorhandene Saal ist räumlich für ca. 90 Kinder eingerichtet.“

Am 31.01.1912 beschäftigten sich die Gemeindeväter von Vettelschoß erneut mit den „Eisenbahnanschlusswegen“ in Vettelschoß und Kalenborn sowie mit der Instandsetzung des Verbindungsweges Notscheid – Kretzhaus, wofür „die Gemeinde in nächster Zeit ca. 5500 – 6000 M. zu verausgaben“ hatte. (Dieser Weg war durch den Bahnstreckenbau der Reichsbahn unpassierbar geworden.) Zur „Vornahme von Schürfungen für die Wasserleitung Kalenborn“ wurden 200 M. bewilligt. (Die Gemeinde sperrte sich 30 Jahre lang gegen eine öffentliche vom Kreis geplante zentrale Wasserversorgung.)

Der letzte „Königliche“ Landrat in Neuwied (Dr. Kurt von Elbe) versetzte zum 01.04.1912 den Schulamts-Kandidaten Hubert Gilles aus Münstermaifeld (Kreis Mayen) als den zweiten Lehrer an die einklassige Volksschule nach Vettelschoß, um den seit 01.05.1881 dort tätigen Lehrer Johann Jacob Gärtner zu entlasten. Die Einführung erfolgte noch am gleichen Tag, und zwar durch den Ortsschulinspektor Heinrich Roessel, der von 1899 – 1926 als Pfarrer in St. Katharinen wirkte.

Und am 27.04.1912 ging es im Gemeinderat von Vettelschoß um die „Wegeherstellung“ Notscheid – Kretzhaus und ein dafür erforderliches Darlehen sowie um den Verkauf von „Baugrund“. Das Wesentliche in der Sitzung vom 12.06.1912 war wiederum die Verpachtung von Quarzitgruben im Gemeindegebiet von Vettelschoß.

Am 12.06.1912 beschloss der Gemeinderat, dass Rechtsanwalt Dr. Hottenvett aus Bonn bevollmächtigt werden sollte, die Rechte der Gemeinde Vettelschoß in Sachen „Hüvvel“ wahrzunehmen. In der nächsten Gemeinderatssitzung vom 02.08.1912 ging es wieder um „Quarzitfirmen“. Aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung „um“ den 20.08.1912 war zu schließen, dass die Gemeinde vorbehaltlich der Zustimmung der Forstwirtschaftsbehörde einem Interessenten aus Siegburg eine Straße von einem Kilometer „Im schmalen Wellem (Wilhelm)“ in Kalenborn zum Quarzitabbau verpachten wollte. Einen weiteren bzw. zusätzlichen Weg zum Bahnhof Kalenborn lehnten die Gemeindeväter ab, weil der jetzige Zulieferweg für die Einwohner aus Rederscheid nur einen kurzen Umweg bedeutete.

Seit dem 01. Oktober 1912 dampften und fauchten auf der „Westerwaldstrecke“ anfangs die Zahnraddampf-Lokomotiven mit ihren dunkelgrünen Personenwagen und den speziellen rötlichen und kippbaren Waggons für das Basaltgestein von Linz durch das Kasbachtal und das Vettelschosser Gemeindegebiet sowie durch das Elsafftal und an der Wied entlang bis Neustadt und dann weiter bis Flammersfeld bzw. Altenkirchen. – Viel wichtiger aber war der Transport der Basaltsteine in entgegengesetzter Richtung und an den Rhein.

Abb. 15

 

Den reiselustigen Bürgerinnen und Bürgern aus der Gemeinde Vettelschoß standen aufgrund der florierenden Basaltindustrie (insbesondere von der „Kalenborner Höhe“ und vom „Wöls- oder Willscheiderberg“ in Vettelschoß) die Bahnhöfe in Kalenborn und Vettelschoß zur Verfügung, um nunmehr bequem an den Rhein zu gelangen und um vor allem wie gewohnt ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Brot, Butter, Eier, Fleisch, Käse, Mehl, Schmalz, Wurst – auch als die „Bauern-Devisen“ bezeichnet) in Linz auf dem „Buttermarkt“ feilzubieten. Die „Westerwaldstrecke“ war ein „Segen“ für die gesamte anliegende Bevölkerung!

Vor Eröffnung der Bahn- und Gebirgsstrecke oblag es von jeher den Ehefrauen oder erwachsenen Töchtern der Kleinbauern, einmal wöchentlich ihre bäuerlichen Produkte in Körben oder in der seinerzeit gängigen „Küz“ (die dem heutigen länglichen Touren- oder Kletterrucksack ähnelt) auf dem Buckel bei jedem Wetter und zu möglichst jeder Jahreszeit über Stock und Stein und auf dem steilen wie rutschigen Pfad am Bergfried der alten Burgruine der Rennenberger sowie am 1846 erbauten Schloss Rennenberg vorbei nach Linz zu bugsieren.

 

Abb. 16

 

Der Verkaufserlös diente in der Regel zum Einkauf von Bekleidungsstücken für die Familie, aber auch zum Erwerb von Handwerkszeug und Gebrauchsgegenständen, die im Haushalt, Hof, Stall, Wald oder für die Wiesen- und Feldarbeit gebraucht wurden. Die bei diesen Touren und später mit dem Zug bzw. dem landläufig genannten und beliebten „Waldi-Express“ gemachten Erlebnisse waren noch lange Tagesgespräch in den sonst abgeschiedenen und einförmigen Dörfern und Weilern im vorderen Westerwald.

Am 29.10.1912 beschloss der Gemeinderat von Vettelschoß, dem „Vikar Peter Isermann für die entstandenen Kosten anlässlich der Bahneröffnung einen Zuschuss in Höhe von 20 M. zu zahlen“. (Von der Gemeinde erhielt der Geistliche zu seinem Gehalt einen jährlichen Zuschuss von 1.500 Mark.) Weiter heißt es in diesem Protokoll: „Vorläufig soll an den Bahnhofszuführungen Vettelschoß und Kalenborn je eine Mastenlaterne aufgestellt bzw. beschafft werden. Die Bedienung soll, falls die Eisenbahn-Verwaltung einverstanden ist, einem Stationsarbeiter übertragen werden. Hierfür bewilligen wir eine Entschädigung von 10 Pfg. pro Beleuchtungsabend.“ – „Wir bewilligen zu den Einquartierungsgeldern aus Gemeindemitteln einen Zuschuß von 50 Pfennigen für Offiziere, Mannschaften u. Unteroffizieren bei voller Verpflegung.“ – Der Erste Weltkrieg lässt bereits grüßen!

Im Jahr 1913 bestand der sechsköpfige Gemeinderat von Vettelschoß aus den Mitgliedern Heinrich Buchholz, Vettelschoß; Josef Buchholz (den man auch „Wönisch-Jupp“ nannte und von Beruf ein gekonnter Stellmacher oder Wagenbauer, aber auch Krämer war, der etwa Ende der 1930er/Anfang der 1940er Jahre in Vettelschoß den ersten Taxibetrieb mit vermutlich einem Opel P4 oder einem BMW „Dixi“ 3/15 DA2 unterhielt), Vettelschoß; Hermann Krautscheid, Kalenborn; Heinrich Kurtenbach V. (5.), Vettelschoß; Josef Schmitz (vom legendären „Schmitzhoff“ in Vettelschoß). Als der damalige Gemeindevorsteher (Bürgermeister) amtierte Johann Hüngsberg aus Vettelschoß.

Die Bevölkerung hielt sich für echte „Wäller“ und der 1913 von dem Heimatdichter Adolf Weiß (1860 – 1938) aus Mademühlen im Lahn-Dillkreis in Hessen verfasste „Westerwaldgruß“ war damals auch in Vettelschoß in aller Munde.

 

„Hui Wäller?“ – „Allemol!“

so tönet der Ruf,

den in meiner Sehnsucht nach Wein ich schuf.

 

Das „Hui“, das hat mich der

Sturmwind gelehrt,

wenn wild über unsere Heide er fährt.

 

Und „Wäller“ wir ja „allemol“ sind,

wir trotzen dem Regen, dem Schnee

und dem Wind!“

 

 

 

 

Der Lehrer Johann Jacob Gärtner

 

In der Schulchronik von Vettelschoß nach der „Revision“ am 22.08.1881 steht zu lesen: „Die Schule ist eine einklassige und zählt 100 Kinder, welche in der Halbtagsschule unterrichtet wurden. Sie stammen aus 5 Ortschaften (1852 waren es 8 mit Vettelschoß, Willscheid, Oberwillscheid, Kalenborn, Seiferhof, Kau, Ober- und Mittelelsaff; später kam noch Kretzhaus und der „Willscheiderberg“ hinzu und die Kinder von Mittelelsaff und ein Teil von Oberelsaff gingen in die 1869 erbaute und bis 1912 einklassige Schule in Unterelsaff zur Schule), von denen ein Theil ½ Stunde vom Schulorte entfernt ist. Der Schulbesuch ist ziemlich regelmäßig. Die vorhandenen Lehrmittel befinden sich großenteils in mangelhaftem Zustande, die notwendigen Lernmittel, als Lese- und Rechenbücher, fehlten, auch fehlten eine Anzahl von Kindern.“ ... „Der bauliche Zustand sowohl des Schullokals als der Lehrerwohnung ist sehr mangelhaft.“

Schon im „Protokoll“ vom 25.07.1881 heißt es: „Der Lehrer (Johann Jacob Gärtner) ist fleißig, aber nur mäßig begabt.“ – Johann Jacob Gärtner war Mitbegründer und Leiter sowie bis 1922 Dirigent des wohl am 10.05.1885 ins Leben gerufenen Kirchenchores „Cäcilia“ in Vettelschoß. Schon am 04.04.1883 hatte man den Autodidakten zum Organisten für die „uralte“ St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß bestellt.

Im Herbst („Zum Beginn des Wintersemesters“) des Jahres 1912 wurde von der Königlichen Regierung in Koblenz der Vikar Peter Isermann als Ortsschulinspektor für die Volksschule in Vettelschoß und für die am 03.11.1904 eingeweihte Volksschule in Kalenborn, die ursprünglich in Willscheid gebaut werden sollte, ernannt.

Die Schule in Vettelschoß bezeichnete man bereits 1906 mit 81 Schulkindern als „überfüllt“. Das Schulhaus bestand aus der „zwei Stockwerken umfassenden Dienstwohnung und dem senkrecht dazu angebauten Schulsaal“ oder Schullokal.

 

Abb. 17

 

Am 04.09.1903 vermerkte man in der Schulchronik von Vettelschoß: „Das Schulhaus, an welchem schon vielfache bauliche Veränderungen getroffen sind, läßt viel zu wünschen übrig. Die Feuchtigkeit erklärt sich wohl aus der mangelhaften Ableitung des Regenwassers. Aus Platzmangel konnten die Kinder aus der Unterstufe nicht in die Oberstufe versetzt werden.“

 

Abb. 18

 

Ursprünglich waren Schulsaal und die Wohnung von Lehrer Johann Jacob Gärtner einfache Fachwerkbauten und mit Stroh gedeckt.

1852 bestand das Schulhaus in Vettelschoß aus einem bloßen Schulsaal mit einem „Vorzimmer“, das vermutlich vorher als erstes „Schulzimmer“ gedient hatte.

Im Sommer 1882 entstand am Schulsaal ein Neubau. Die Fenster an der Ostseite wurden zugemauert und die nach Süden und Westen vergrößert. Die Objekte erhielten einheitliche Leyen- oder Schieferdächer. Ein weiterer Umbau an der Schule erfolgte in den Sommermonaten 1892. Die Ostmauer, in der keine Fenster waren, wurde abgerissen und dafür sind 5 Fenster angebracht worden. An der Westseite verblieb ein Fenster. Den Eingang verlegte man an die Südseite.

Am 25.04.1898 begann man mit dem Abbruch der alten Lehrerwohnung. Der Neubau war am 15.12.1898 bezugsfertig. Da der Außenputz in den Sommermonaten des Jahres 1903 aufgetragen wurde, dürfte das vorherige Foto vorher bzw. spätestens im Frühjahr 1903 entstanden sein.

Dass es vor 1750 neben der Pfarrschule in Neustadt eine Schule in Vettelschoß gegeben haben soll, ist derzeit nicht nachvollziehbar. Vor/um 1793 hatte Vettelschoß eine so genannte Winterschule. Am 23.11.1796 trug man einen Magister aus Vettelschoß auf dem ersten und 1834 aufgelassenen Neustadter Friedhof (Hauptstraße 15) zu Grabe.

Offiziell gab es 1803 in Vettelschoß noch keine öffentliche Schule. Das Kirchspiel Neustadt verfügte nur über die Schule in Neustadt. Der nächste Schulort für die Kinder aus der Gemeinde Vettelschoß war Windhagen. Doch 1807 ist in Vettelschoß von dem Lehrer Michael Frings, der sich am 02.08.1808 einer Lehrerprüfung unterzog, die Rede. Auch 1817 hatte Vettelschoß noch keine Schule. Vermutlich fand der Schulunterricht in Privaträumen statt! Doch darüber lassen sich keine Aufzeichnungen finden.

Die Kinder der Gemeinde Vettelschoß, die aus 313 Seelen bestand, wollte der Neustadter Pfarrer Josef Hecker (1797 – 1825) im Jahre 1817 nach Notscheid in die ein Jahr später fertiggestellte Schule schicken.

 

 

Abb. 19

 

Der erste von der Königlichen Regierung in Koblenz am 25.07.1817 bestallte Vettelschosser Schullehrer hieß Anton Neifer. Er stammte aus Kalenborn, wohnte in Willscheid, und zwar in dem Objekt, das älteren Bürgerinnen und Bürgern noch nach dem Zweiten Weltkrieg als die „Gastwirtschaft von Anton Thomé“ in Erinnerung ist. Anton Neifer fungierte bereits seit 1816 als Lehrer in Vettelschoß.

„Zu der öffentlichen Prüfung am 27. und 28. Juni (1817) in Koblenz wurden 120 theils provisorisch bis jetzt angestellte katholische Schullehrer, theils SchulamtsKandidaten, theils Normalisten zugelassen, andere hingegen, deren frühere definitive Ernennung wahrscheinlich, aber nicht offiziell erwiesen werden konnte, in einer Unterredung überprüft. Von allen diesen sind definitiv bis jetzt bestätigt: ... (an 24. Stelle stand Anton Neifer aus Kalenborn bzw. Vettelschoß).“

Schon zu Beginn der 47jährigen Lehramtstätigkeit von Anton Neifer muss in Vettelschoß der erste und mit Stroh gedeckte Schulsaal sowie eine Lehrerwohnung entstanden sein, die jedoch verfiel, weil der Lehrer zeitlebens im eigenen Haus in Willscheid wohnen blieb.

Im ersten überlieferten Revisionsbericht über die Elementarschule in Vettelschoß vom 05.10.1852 – den Pfarrer Dr. Johann Sauerborn aus Neuwied (er gehörte der konservativen Richtung im Revolutionsjahr 1848/1849 an) verfasste – heißt es unter anderem: „Der Lehrer (Anton Neifer) ist brav, aber etwas eigenthümlich. Die Jugend in der Schule hat viel Muth. Die Schule genügt.“

„Am 27.01.1853 wurden die Inspektions-Bezirke der katholischen Schulen im Kreise Neuwied theilweise und zwar in der Art umgeändert, daß nunmehr der Pfarrer (Dr. Johann) Sauerborn zu Neuwied über die Schulen der Bürgermeistereien Neuwied, Heddesdorf, Leudesdorf (Leutesdorf) und Dierdorf, der Pfarrer (Jakob) Gomm zu Waldbreitbach über jene in den Bürgermeistereien Neuerburg, Neustadt und Asbach, und der Rektor Dr. (Georg) Marchand zu Linz über die Schulen der Bürgermeistereien Linz und Unkel die Aufsicht (Schulaufsicht) führen.“

Anton Neifer und Ägidius Kretz (Vater von Anton Kretz, dem Namengeber von Kretzhaus) wohnten vis-a-vis in Kalenborn (getrennt durch den Dorfweg bzw. die jetzige Kalenborner Straße) und waren unzertrennliche Spielkameraden und Freunde. Die Taufpatin von Ägidius Kretz war die Mutter von Anton Neifer. Und der Trauzeuge von Ägidius Kretz war sein Kumpel – nämlich Anton Neifer.

Die Revision am 29.11.1912 der Vettelschosser Schule in Anwesenheit von Vikar Peter Isermann als Ortsschulinspektor ergab: „2 Klassen, 2 Lehrer, 104 Schüler, 55 Knaben, 49 Mädchen, alle katholisch, 5 von auswärts, weiter Schulweg 1,5 km, Schulbesuch ist regelmäßig.“ – „Der erste Lehrer Gärtner, der schon 31 Jahre an der Schule tätig ist, macht noch immer auch in seinem Äußeren einen wenig günstigen Eindruck als Lehrer und Erzieher. Als ich (Kreisschulinspektor) um 8 Uhr den Schulsaal betrat, saßen die 3 Schüler aus der Kau darin bei 7º C, obgleich der Unterricht erst um 8 ½ Uhr begann. Gegen 8 ½ Uhr kam der Lehrer aus der Messe mit einer Anzahl Schüler. Vor der Messe hatte er selbst schon das Feuer angelegt. Die Erwärmung des Schulsaales war aber den ganzen Morgen völlig unzureichend. Da der Lehrer die Heizung selbst besorgt, muß natürlich möglichst gespart werden. – Vorschlag: Putzfrau.“ – „Auch die Sauberkeit des Schulsaales ließ zu wünschen übrig. Der Lehrer hatte trotz des Frostwetters schmutzige Stiefel an, die Hosen waren durchgestoßen, der Anzug fleckig und die Fingernägel schwarz. Später suchte der Lehrer alle diese Mängel damit zu entschuldigen, dass ihm seine Frau vor einigen Monaten gestorben sei. Sein Unterricht entsprach seiner äußeren Erscheinung. Eine Vorbereitung darauf kennt der Lehrer nicht, ihm fehlt auch alles wissenschaftliche Interesse.“

Der Besichtigung vom 27.03.1917 zufolge steht in der Vettelschosser Schulchronik zu lesen: „2 Klassen, 1 Schule/Saal, 98 Schüler, 52 Knaben, 46 Mädchen – Lehrer Gärtner verwaltet seit Kriegsbeginn, da der 2. Lehrer (Hubert Gilles) zum Heeresdienst eingezogen ist, beide Klassen. Längere Zeit hat er auch noch die Schule in Kalenborn mitverwaltet, da auch deren Lehrer (Nikolaus Schwall) im Felde steht. – Gesamteindruck der Schule: Wenig befriedigend. – Die Leistungen der Schüler waren selbst unter Berücksichtigung der ungünstigen Schulverhältnisse doch recht minderwertig, und die Schuld trifft den Lehrer, der allerdings schon 57 Jahre alt ist. Aber dessen Alter berechtigt ihn dennoch nicht, einen solchen Mangel an Energie zu zeigen, wie er es tut. Er läßt, wie der Ortsschulinspektor (Peter Isermann) sich ausdrückte ‚Gottes Wasser über Gottes Land laufen‘. Auch in seinem Äußeren ist er nachlässig; zum Unterricht erscheint er in Pantoffeln und ohne Krawatte. ... Für die Schule wäre es, auch nach Ansicht des Ortsschulinspektors, das Beste und für den Lehrer wahrscheinlich das Angenehmste, wenn er pensioniert würde. Er leidet seit langem an einem bösen Katarr und wartet wahrscheinlich nur das Ende des Krieges (Ersten Weltkrieges) ab, um sein Pensionierungsgesuch einzureichen.“ – Aber erst am 24.06.1924 bat Lehrer Johann Jacob Gärtner, der in der Gemeinde Vettelschoß hoch angesehen war und als eine „Legende“ galt, wegen Dienstunfähigkeit (01.08.1924) zum 01.10.1924 pensioniert zu werden.

Johann Jacob Gärtner wurde am 25.01.1860 in Neuendorf/Koblenz geboren und ist am 20.08.1932 in Vettelschoß verstorben. Seine Grabstätte befindet sich auf dem alten Friedhof in Vettelschoß, die von der Gemeinde in Ehren gehalten wird.

 

Pastor Peter Isermann

 

Die meist unbedarften und gottgefälligen Gemeindeväter – es waren kleine Bauersleute und Arbeiter in den lehmigen Quarzitgruben oder Schwerstarbeiter in den Basaltsteinbrüchen – hatten in ihrem Pastor Peter Isermann, der von 1909 bis 1925 als Seelsorger in Vettelschoß wirkte, einen genialen Berater für die Interessen und zum Wohle der Gemeinde Vettelschoß gefunden.

Dieser eloquente katholische Geistliche, der zunächst verschiedene Gebetsgemeinschaften und kirchliche Vereine in Vettelschoß gründete, initiierte bereits 1911 die Errichtung einer „Volksbibliothek“ in Vettelschoß. Sie nannte sich später „Borromäus-Bücherei“ und ist heute die allgemein beliebte „Katholische Öffentliche Bücherei St. Michael“ (KÖB) in Vettelschoß.

Mehr zur Orgel- und Kirchengeschichte in Vettelschoß mit den dort eigenständig tätig gewesenen Geistlichen lässt sich aus dem Aufsatz „Der Kirchenchor ‚St. Michael‘ in Vettelschoß fusionierte mit dem Kirchenchor ‚St. Katharina‘ in St. Katharinen“ im Internet unter http://mhhmohr.cadae.de oder vereinfacht unter „Artikel über Vettelschoß“ ersehen.

Die St.-Michaels-Kapelle, die auf der aus dem Jahre 1550 stammenden Dekanatskarte von Engers verzeichnet ist, wurde leider – nach schweren Beschädigungen durch den „Beschuss“ in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges – 1945/1946 abgerissen. Kein Baum, kein Strauch erinnert mehr an das alte und schon seit Urväterzeiten geschätzte Gotteshaus aus dem Spätmittelalter, der Renaissance oder der „Frühen Neuzeit“ in Vettelschoß. – Schade, schade! Wo sind die „Heimatgeschichtler“ oder „Heimatkundler“ der Gemeinde Vettelschoß?

Das wohl älteste und rarste Relikt oder Artefakt aus der St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß – der Altarstein, der das Sgraffito (Kratzmalerei) des hl. Michael getragen haben soll und das Dorfmuseum ungemein bereichern würde, lagerte Jahrzehnte auf dem sonst öden „Kapellenplatz“, wo er unbeachtet und vergessen an das einstige christliche Kleinod in Vettelschoß erinnerte – verfrachtete man später an den Willscheider Berg. Es gilt nunmehr als verschollen! Traurig, traurig – wenn das unsere Vorfahren wüssten!

Vor Abbruch der Kapelle hatte der Provinzialkonservator der Rheinprovinz in Bonn am 13.07.1945/19.10.1945 noch attestiert: „Eine Wiederherstellung ist noch möglich, wenn bald zugegriffen wird.“ – Womöglich ist die für unsere Vorfahren in allen Lebensbereichen von der Wiege bis zur Bahre bedeutungsvolle Gebets- und Andachtsstätte aus einer ehemaligen Pestkapelle hervorgegangen. Nach den letzten Straßenbaumaßnahmen 2002/2003 ist im prosperierenden Vettelschoß leider auch der Kapellenplatz „abhanden“ gekommen. Er ist zusammen mit der ehemaligen Kapelle für die betagtere Bürgerschaft in Vettelschoß nur noch ein Ort, der in der Erinnerung besteht.

Wiederum war es der Seelsorger Peter Isermann, der wohl mit dem Lehrer Johann Jacob Gärtner initiativ wurde und den Gläubigen seiner Vikarie die Anschaffung einer neuen Orgel für die am 27.06.1900 durch den Trierer Bischof Dr. theol. Michael Felix Korum (1881 – 1921) konsekrierte erste Kirche „Heiligen Familie“ (am 20.05.1947 zur Pfarrkirche erhoben, im Herbst 1974 abgerissen und durch die am 25.09.1977 benedizierte Pfarrkirche St. Michael ersetzt) als vordringlich einredete.

 

Die Verdienste des Pastors Isermann

 

Zurzeit von Peter Isermann hatte Vettelschoß einen zahlenmäßig starken „Jungmännerverein“ (Verband der katholischen Jugend- und Jungmänner-Vereine Deutschlands = KJMV), dessen Gründung mit Wahrscheinlichkeit auf diesen umsichtigen Priester zurückgeht, der vor allem der Jugend sehr nahe stand. Auch die DJK = Deutsche Jugendkraft in Vettelschoß nach 1920 wurde wahrscheinlich von Peter Isermann aus der Taufe gehoben. Ebenso soll der Seelsorger den „Sebastianus-Schützenverein“ in Vettelschoß ins Leben gerufen haben. Die Gründung des ersten Mandolinenclubs in Vettelschoß ist nach dem Hörensagen ebenfalls dem quirligen Pastor Isermann zu verdanken. Er war es, der seinen „Pfarrkindern“ – wie er die Kirchenbesucher von der Kanzel gerne ansprach – „Spitznamen“ verpasste, die noch heute gebräuchlich sind.

 

Abb. 20

 

Unter den Nationalsozialisten kam es bereits 1933 zur Auflösung der ersten Ortsvereine der DJK. Der Reichsführer der DJK, Adalbert Probst, wurde am 01.07.1934 von der Gestapo verhaftet und am 02.07.1934 erschossen. Parteipolitisch war der KJMV offiziell neutral. In der Praxis stand er der „Zentrumspartei“ nahe. Im Wahlkampf 1933 bezog der KJMV eindeutig Stellung gegen die NSDAP. Am 25.01.1938 lösten die Nazis den KJMV in Bayern und am 06.02.1939 im ganzen Deutschen Reich auf.

Das wohl größte kirchen- und kommunalpolitische Ereignis für Vettelschoß war die Abpfarrung oder Auspfarrung (Erhebung zur „Kapellengemeinde“ mit eigener Vermögensverwaltung) aus der Pfarrei bzw. dem Pfarrverband St. Margaretha (Margarita) in Neustadt, die Peter Isermann beantragt und in die Wege geleitet hatte. Dem waren lange und harte Auseinandersetzungen vor allem mit dem damaligen Pfarrer von Neustadt, Paul Josef Scholten (1911 – 1921, † 19.03.1936 mit 61 Jahren), vorausgegangen. Peter Isermann musste aber die amtliche Verkündigung (Verlesung) von der Kanzel an Allerheiligen (01.11.) 1925 über die Wirksamkeit ab 01.08.1925 seinem Nachfolger (Pfarrvikar Ferdinand Gerhardus, der von 1925 – 1930 in Vettelschoß wirkte) überlassen.

Als der Weggang von Vettelschoß für den Pfarrverwalter Peter Isermann – der sich vergeblich im Frühjahr 1921 noch um die Pfarrstelle in Neustadt bemüht hatte – schon feststand, setzte er sich am 25.02.1925 nochmals brieflich mit dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Koblenz in Verbindung, um eine baldige Unabhängigkeit der Vettelschosser Vikarie von der Pfarrei Neustadt zu erreichen.

Dem Peter Isermann wurden gute politische Kontakte auf Landesebene und zur „Zentrumspartei“ = Partei des politischen Katholizismus nachgesagt, die er auch verschiedentlich für Vettelschoß „spielen“ ließ. – Die „Zentrumspartei“ hielt am 20.07.1924 im Saale des „Gasthofs Hecken“ – die spätere pfundige Gastwirtschaft „Zum Backmann‘s-Jupp“ – in Vettelschoß (Michaelstraße 7) ihren Kreisparteitag ab.

Als Hauptredner kam der Reichspostminister und Minister für die „Besetzten Gebiete“, Dr. Anton B. Höfle, aus Berlin angereist. Es war ein großer Tag für das prächtig geschmückte Vettelschoß, an dem Pastor Peter Isermann als Ortsvorsitzender der „Zentrumspartei“ von Vettelschoß ganz wesentlichen Anteil hatte. Der Bürgerschaft dieser ausschließlich landwirtschaftlich mit kleinen Familienbetrieben strukturierten und unerheblichen Gemeinde (wo jeder jeden kannte) blieb dieses Ereignis noch lange in Erinnerung.

 

Abb. 21

 

Peter Isermann stammte aus Andernach. Er tat viel für Vettelschoß, hatte aber auch keine Skrupel, sich neben seinem priesterlichen Gehalt noch aus der „klammen“ Vettelschosser Gemeindekasse antragsgemäß „bezu­schussen“ zu lassen. – Von dem geltungsbegierigen Neustadt (die „halbe“ Hun- oder Honschaft bzw. Ge­meinde Vettelschoß gehörte seit Menschengedenken zur Pfarrei Neustatt bzw. Neustadt) ließ er sich nicht die „Butter vom Brot“ nehmen. – Wissenswert ist nach wie vor, seit wann und aus welchem Anlass die alte Dorfschaft „Neustatt“ (die neue Stätte) sich „Neustadt“ nennt!

 

Abb. 22

 

Zwietracht mit den Offiziellen in Neustadt

 

Die seinerzeit als gewichtig befundenen Probleme des Gemeinderates von Vettelschoß vor exakt hundert Jahren (1913) waren der Wegebau zu den Bahnhöfen in Kalenborn und Vettelschoß sowie die Verpachtung der Steinbrüche „Geißen- und Türkenhügel“ in Vettelschoß.

Außerdem ging es immer wieder um die Verpachtung von Quarzitgruben, die verschiedene Interessenten ausbeuten wollten, und um die Vergabe von Bauplätzen. Die expandierende Gemeinde Vettelschoß sperrte sich anhaltend gegen einen Anschluss an das Kreisgruppenwasserwerk „Linzerhöhe“ und versuchte, die Wasserversorgung im Gemeindegebiet jahrelang (vergeblich) in eigener Regie zu lösen.

Die Gemeinde Vettelschoß hatte 1913 um die 700 Einwohner. Es besuchten 101 Kinder die Volksschule in Vettelschoß und 70 Kinder die in Kalenborn. – Am 04.01.1913 beschloss der Gemeinderat von Vettelschoß:

1. „Die Gemeinde hat gegen die zinsbare Anlegung des 6.000 M. übersteigenden Erlöses aus Pacht und Holzeinschlag die an Rode zur Quarzitausbeute verpachteten Fläche nichts einzuwenden. Vorerwähnter Betrag ist zur Deckung außergewöhnlicher Bedürfnisse infolge Neuanlage von Bahnhofszuführungen und Wiederherstellung der durch den Bahnbau zerstörten Wegestrecke Notscheid – Kretzhaus dringend erforderlich.

Wir sind nicht bereit, daß an Klöckner verpachtete, z.Zt. brach liegende Quarzitgelände, bei Kretzhaus dem (?) zuzuschlagen. Für die brachliegende Flur zahlt Klöckner jährlich vertraglich 42 M. neben der Jahresgage von 2.300 M. für die Ausbeute. Die Firma Klöckner hat vertraglich das Verfügungsrecht über die Fläche bis 1917 und ist erst dann zur Einebnung verpflichtet. Alsdann sollen die Liegenschaften wiederum wie früher zu Wiesen angelegt und verpachtet werden.“

(Das an der Quarzit-Ausbeutung in Vettelschoß – „oft aus 8 bis 12 m im tiefen Lehm steckenden Steinblöcke“ – interessierte Unternehmen „Klöckner“ war nach den Angaben des Pfarrvikars bzw. Pfarrvertreters/Pfarrverwalters Johann Peter Klöckner, den das Bischöfliche Generalvikariat in Trier am 17.05.1896 zum Bau der ersten Kirche mit Pfarrhaus nach Vettelschoß entsandte, „eine von meinem Bruder vertretene Firma“.)

In der Tat verpflichtete sich der Pfarrvikar Johann Peter Klöckner am 20.10.1904 in Vettelschoß „an den Kapellenfonds Vettelschoß die jährliche Summe von 300 M. für einen zu bildenden Pfarrfonds zu zahlen. Die Verpflichtung beginnt von dem Tage an, an welchem der projektierte Pachtvertrag zwischen der Gemeinde Vettelschoß und der Westerwälder Quarzit- und Ton-Industrie betr. einer Zahlung einer jährlichen Maximalpachtsumme von M. 2.300 zum Abschluß gelangt und damit so viele Jahre als die Pachtzeit bemessen wird. Vettelschoß, 20. Oktober 1904 gez. J.P. Klöckner, Vettelschoß. – Für obige Summe leistet die Westerwälder Quarzit- und Ton-Industrie G.m.b.H. Solidarbürgschaft. Vettelschoß, 20. Oktober 1904 – Westerwälder Quarzit- u. Tonindustrie Gesellschaft m. beschr. Haftung gez. P. Klöckner, Ing.“ – „Laut Angabe des Bürgermeisteramtes Neustadt (Wied) wurde der obengenannte Vertrag am 27. März 1905 abgeschlossen und ist anfangs 1915 gekündigt worden. Er hat also 10 Jahre gedauert.“

2. „Wir sind bereit, dem Anton Neifer zu Calenborn gegenüber dem Bahnhofe Calenborn einen Bauplatz von 50 Ruthen (Rute = altes Längenmaß = Preußische Rute = 3,77 m) pro Ruthe zu 50 M. unter Einhaltung der Vorschriften der Rhein. Landprov. zu überlassen. ...“

3. „Wir sind mit den z. Zt. oberhalb Vettelschoß in Ausführung begriffenen Wasserschürfungen nicht einverstanden. In der jetzigen Jahreszeit erfordern die Arbeiten äußerst hohe Kosten, da dieselben in Sumpf und Schlamm ausgeführt werden müssen und infolgedessen unmöglich voran gehen können. Gegen die Ausführung im Sommerhalbjahr haben wir nichts einzuwenden. Wir sind aber soweit wir die Verhältnisse kennen der festen Überzeugung, daß die Quellen in trockener Jahreszeit vollständig versiegen. Gleichzeitig bitten wir in Erwägung ziehen zu wollen, ob es sich nicht empfiehlt, einen Laufbrunnen im Dorfe einzurichten und dazu die alte Wasserleitung zu benutzen bzw. dieselbe ordnungsmäßig herstellen zu lassen.“

Diese Wasser- oder Rohrleitung hatten unsere Alteltern oder Altgroßeltern (der 4. oder sogar der 5. Vorfahren­Generation) vor 1870/1880 angelegt. Sie führte unter der heutigen Michaelstraße in Vettelschoß von etwa Haus-Nr. 47 bis oberhalb und gegenüber des Kapellenplatzes, wo sich die „Ziep“ (Zisterne, eine Wasserzapfstelle, ein Laufbrunnen) befand. Das köstliche Nass für Vieh und Haushalt musste meist von den Frauen und Mädchen in Eimern am Joch nach Hause getragen werden. Diese zentrale Stelle im Dorf bot von früh bis spät immer wieder Gelegenheit zu Klatsch und Tratsch. An diesem Platz der Wasserzapfstelle in Vettelschoß soll sich in früherer Zeit eine Quelle befunden haben, die für die seinerzeitigen Dorfbewohner ausreichend Wasser spendete. Sie ist aber schon mit der Bebauung der „Hüvvelzeck“ allmählich versiegt und nach Beginn der Arbeiten in den Steinbrüchen am „Geißen- und Türkenhügel“ gänzlich ausgetrocknet.

Erst am 09.01.1924 beschloss der Gemeinderat, sich am Wasserkraftwerk „Wied“ zu beteiligen. Vom 01.05.1928 an hieß es für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Vettelschoß „Wassermarsch“; denn sie waren endlich an das Kreisgruppenwasserwerk „Linzerhöhe“ angeschlossen.

„Der Haushaltsplan für 1913 wurde am 29.01.1913 in Einnahmen und Ausgaben gleichmäßig auf 14.600 Mark festgesetzt. An Gemeindeumlagen sollen 200 % von allen Steuern erhoben werden.“

Es waren damals wirkliche Peanuts gegenüber dem heutigen Etat der 3.453 Bürgerinnen und Bürger (Stand: 07.01.2013) zählenden Gemeinde Vettelschoß, auch wenn die Kommune momentan tief in den Miesen steckt. Dazu passt dennoch die saloppe Redewendung für die Zeit vorher:

 

„Mit vollen Hosen lässt (ließ) es sich gut stinken!“

 

Am 14.02.2013 wurde vom Gemeinderat in Vettelschoß für das Haushaltsjahr 2013 der Ergebnishaushalt mit 11.497.859 Euro und der Finanzhaushalt mit 11.301.362 Euro verabschiedet.

Ein Vergleich mit den seinerzeitigen Verhältnissen und den derzeitigen ist eigentlich nicht möglich; denn damals gab es im Gemeindegebiet von Vettelschoß mit den bescheidenen „Ackerern“ (Kleinbauern) und fleißigen Arbeitern eine äußerst dürftige, im Grunde eigentlich keine Infrastruktur.

Das Gemeinderatsprotokoll vom 04.03.1913 besagt: „Wir sind vorläufig nicht entschlossen einen IIten (2.) Schulsaal in Vettelschoß einzurichten. An die Zustimmung zur Einrichtung der II. Lehrerstelle haben wir s.Zt. (11.11.1911) ausdrücklich die Bedingung geknüpft, daß uns die Erstellung des II. Saales erst dann auferlegt werde, wenn der jetzige Schulsaal zur Aufnahme der zu unterrichtenden Kinder nicht mehr hinreiche. Dieses ist heute und z. Zt. nicht der Fall; der Saal bietet ausreichend Raum für die Kinder. Das Schulhaus selbst trägt unseren örtlichen Verhältnissen vollkommen Rechnung und haben wir keine Ursache auf Änderung hinzuwirken. Zudem haben wir hierzu auch keine flüssigen Geldmittel.“

Nach dem Gemeinderatsbeschluss vom 16.03.1913 fassten die Gemeindeväter aufgrund der Zwischenbescheide des „Herrn Landrats“ und des „Herrn Regierungspräsidenten“ vom 22.01.1913 einen eindeutigen Beschluss, die Steinbrüche am „Hüvvel“ an die Gebrüder Uhrmacher in Oberkassel zu verpachten. In derselben Sitzung beantragten sie eine „Gemeinderatssatzung“ – vermutlich meinte man eine „Gemeindesatzung“!

Der offenbar erste tödliche Unfall auf der neuen „Westerwaldstrecke Linz – Flammersfeld/Altenkirchen“ ereignete sich an Karfreitag, 21.03.1913, zwischen Vettelschoß und Notscheid, als ein Wagenwärter unter eine Lokomotive geraten war. – Ein weiterer schwerer Unfall passierte am 28.11.1913 an der Verladerampe der BAG in Kalenborn. Der „beinahe“ 20 Jahre alte Bremser Anton Kretz aus Vettelschoß war zwischen zwei entgleiste Wagen („Hunnen“) geraten. Er erlag seinen schweren Verletzungen noch am Abend in einem Bonner Krankenhaus.

Die wesentlichen Beschlüsse der Gemeinderatssitzung vom 22.04.1913 waren: 50 Mark bekam die Freiwillige Feuerwehr, die Lustbarkeitssteuer für den Kriegerverein anlässlich des Stiftungsfestes wurde erlassen, der Kriegerverein und die Feuerwehr sollen dauernd von der Lustbarkeitssteuer für die Stiftungsfeste und der Kaisergeburtstage befreit bleiben, für die Ziegenbockhaltung gewährt die Gemeinde einen Zuschuss von 50 Mark, die rückständigen Steuern zweier Familien wurden niedergeschlagen, Einebnung einer ausgebeuteten Quarzitgrube, „die Gemeinde ist bereit, die Kosten des Weges Kretzhaus – Notscheid in der Länge gemessen die alleinige Unterhaltung zu übernehmen. Sie beansprucht die Hälfte der Strecke ab Kretzhaus. Der Bürgermeister (Heffels) und Gemeindevorsteher werden ermächtigt, die vertrag­liche Regelung vorzunehmen. Die Anlage der Bahnhofszuführung und die Wiederherstellung der infolge des Bahnbaues zerstörten Wegestrecke Notscheid – Kretzhaus hat der Gemeinde einen Kostenaufwand von rund 7.200 M. verursacht. Die Deckung sollte aus dem Erlöse der laut Vertrag vom 2./17. October 1912 zur Ausbeute verpachteten Quarzitfläche, wofür die Gemeinde 7.200 M. Pacht erhalten hat, erfolgen. Bisher sind hiervon durch die Königliche Regierung 6.000 M. zur Verwendung freigegeben. Wir bitten um Freigabe eines weiteren Betrages von 1.200 M., weil andere Mittel zu diesen außerordentlichen Ausgaben nicht zur Verfügung stehen.“

Dem Gemeinderatsprotokoll vom 03.08.1913 ist folgendes zu entnehmen: „Die Gemeinde Vettelschoß beabsichtigt, den Bau eines Zufuhrweges von der Provinzialstraße Kretzhaus – Rottbitze zum Bahnhof Calenborn in den Jahren 1913/1914 zum Selbstkostenpreise von 4.500 M. Hierzu wird eine Beihilfe aus Provinzial-Fonds B ein Betrag von 1.500 M. erbeten. Die Gegenleistung von 3.000 M. soll anteilmäßig von der Gemeinde Vettelschoß, Ägidienberg, Rederscheid, Erpel und Kreis Neuwied aufgebracht werden. – In den Schulvorstand der Gemeinde Vettelschoß werden wiedergewählt die Herren Hrch. (Heinrich) Kurtenbach V., Vettelschoß; Hrch. Buchholz, Vettelschoß; Anton Weißenfels, Calenborn; Hrch. Stockhausen II., Willscheid. – Die Gemeinde Vettelschoß ist bereit, dem Kreise Neuwied bzw. der Eisenbahn-Gesellschaft Becker & Cie zu gestatten, Masten u. Gestänge zur Versorgung der Gemeinde mit elektr. Energie an die Gemeindewege auf die Dauer von 20 Jahren unentgeltlich aufzustellen. Der Bürgermeister (Heffels) und Gemeindevorsteher werden ermächtigt, den Vertrag abzuschließen. – Zur Vornahme einer Schülerwanderung seitens der Schulen der Gemeinde Vettelschoß (Kalenborn und Vettelschoß) nach Coblenz bewilligen wir einen Zuschuß von 25 M. für jede Schule. Die Deckung der Kosten soll aus den verfügbaren Schuldbeständen erfolgen. – Der Gemeinderat von Vettelschoß beschließt unter den in dem beifolgenden Schriftstück niedergelegten Gründen, welches der Gemeinderat unterzeichnet und hiermit zu den Akten übergibt, gemäß der gleichzeitig hier beigefügten Bedingungen und den darin aufgeführten Sätzen, der Firma Gebrüder Uhrmacher zu Oberkassel den Türkischen und Geißenhügel unter Aufhebung aller diese Verzögerung betreffenden bisherigen Beschlüsse aus freiem Grund und ohne öffentliche Ausschreibung zu verpachten. – Die Mindestpachtsumme beträgt nach den Bedingungen für das I. Pachtjahr 500 M., für das 2te Pachtjahr 1.500 M. und von dem 3ten Jahre an jährlich 3.000 Mark. Insgesamt müssen jährlich für die 30 Pachtjahre mindestens 90.000 Mark an Pacht aufgebracht werden. Der Bürgermeister (Heffels nahm an der Sitzung teil und unterzeichnete mit das Protokoll) behält sich zu diesem Beschlusse weitere Stellungnahmen vor.“

 

Hierzu lässt sich nur sagen:

„Wissen macht bescheiden; Halbwissen arrogant. – Oder: „Arroganz ist das Selbstbewußtsein des Minderwertigkeitskomplexes.“

(Jean Rostand)

Den Gemeindevätern von Vettelschoß blieb Amtsbürgermeister Hugo Heffels allerdings noch zwei Jahrzehnte erhalten. Er hatte sein Amt offiziell von 1909 bis 1934 in Neustadt inne. Die Nationalsozialisten versetzten ihn nach Zeltingen an die Mosel. Nach 1945 spielte er altersbedingt keine Rolle mehr.

Die Frage einiger Interessenten der Heimatgeschichte von Vettelschoß, warum immer von „Gemeindevätern“ die Rede ist, lässt sich leicht beantworten: Es war zu dieser Zeit verpönt, dass Frauen sich öffentlich um die Belange der Gemeinde kümmerten; sie waren in der Gemeindevertretung von Vettelschoß einfach nicht präsent.

Auch wenn der Gemeinderat mit der Bürgerschaft seinerzeit bereits euphorisch und enthusiastisch wegen der Gemeindefinanzen in die Zukunft schauten und Pläne zur „Elektrifizierung“ des Gemeindegebietes geschmiedet und auch schon konkrete Vorbereitungen getroffen wurden, dauerte es fast noch ein Jahrzehnt bis zur tatsächlichen Verwirklichung.

Erst nach Verkauf des Geländes in Kalenborn zur Errichtung des Schmelzbasaltwerkes aufgrund der Gemeinderatsbeschlüsse vom 29.09.1921 und 16.02.1922 zum Gesamtpreis von 675.000 Mark konnte und ließ die Gemeinde Vettelschoß alle Haushaltungen an das Stromnetz der Kraftversorgung in Neuwied anschließen. Am 02.10.1923 (Kirmes-Samstag) hatten alle Bürgerinnen und Bürger im Gemeindegebiet elektrisches Licht.

 

Abb. 23

 

Im Gemeinderatsbeschluss vom 27.08.1913 heißt es: „Der Gemeinderat von Vettelschoß sieht sich veranlaßt gegen die Beanstandung des Herrn Bürgermeisters von Neustadt (Heffels) bezüglich des Gemeinderatsbeschlußes vom 9. August in Sachen Verpachtung des Geißen- und Türkischen Hügels an die Gebr. Uhrmacher zu Oberkassel zu protestieren, da die Annahme des Herrn Bürgermeisters hierdurch das Gemeindewohl der Gemeinde Vettelschoß nicht gewahrt, nicht zutrifft, indem das grade Gegenteil der Fall ist.“ („Gründe“, siehe Abb. 24)

 

Ein „Dauerbrenner“ Die Zugänge zu den Bahnhöfen in Kalenborn und Vettelschoß

 

Eines der Hauptanliegen der Gemeinde Vettelschoß war immer wieder der Straßen- und Wegebau. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 07.09.1913 besagt: „In Abänderung unseres Beschlusses vom 9. Aug. 13 betr. Antrag auf Beihülfe zur Prov. (inzial) Landstr. B für den Wegebau von der Prov. Straße Kretzhaus – Rottbitze zum Bahnhof Kalenborn, abstimmen wir: die Gemeinde verpflichtet sich, mit den zu unterstützenden Arbeiten nicht vor der Entscheidung des Prov. (inzial) Ausschusses über den Antrag zu bestimmen und sie in längstens 5 Jahren fertig zu stellen.“

Am 23.10.1913 wurde protokolliert:

„1./ Die Entschädigung für Handarbeitsunterricht wird vom 1. April 1914 ab von 60 auf 80 M. pro Jahr und Schule erhöht. 2./ Die Differenz an Steuern des Eisenbahngehilfen Forstreuter zwischen dem veranlagten und dem demselben entsprechend seinem Einkommen gesetzlich zustehenden Steuersatz wird niedergeschlagen. 3./ Zwecks Regelung des Wasserbeschlusses beim Vikariegebüsch soll der Straßendurchlaß und Einfallschacht vergrößert und dem Straßenreiniger aufgegeben werden, den Durchlaß rechtzeitig gehörig zu reinigen. 4./ Die Gemeinderechnung pro 1912 wird vorläufig festgesetzt in Einnahmen auf 23.292,78 M, in Ausgaben auf 24.364,20 M, Vorschuß 1.071,42 M.“

 

Abb. 24

 

Im Protokoll vom 27.11.1913 steht zu lesen: „1./ Die Gemeinde ist bereit, erneut in Quarzitverkaufsverhandlungen einzutreten. Der Vorsitzende (Heffels) wird ermächtigt bezüglich der Fläche rechts und links entlang dem Bahnhofe Calenborn Offerten einzufordern. 2./ Der Antrag der Firma Stöcker & Kunz (Köln-Mülheim) auf Verlängerung des Quarzitpachtungsvertrages wird abgelehnt. 3./ Dem Johann Knopp werden an Entschädigung für seine infolge Anlegung des Bahnhofszufuhrweges versetzten und später eingezäunten Obstbäume 9 M. angeboten. Die Gemeinde verpflichtet sich, dem Josef Neifer zu Dinkelbach gegenüber im Falle der Bebauung seines Grundstückes am Bahnhofe eine Zufahrt zu dem betr. Gründstücke auf Kosten der Gemeinde herstellen zu lassen. Dem Winand Jünger, Wilhelm Jünger in Notscheid und Josef Neifer zu Dinkelbach sollen für entnommene Grundstücke zur Bahnhofszuführung Vettelschoß dieselben Entschädigungen gezahlt werden, wie sie mit den übrigen Grundstücksbesitzern durch den Ortsvorsteher vereinbart worden sind, und zwar acht Mark pro Ruthe (Rute). Im Nichteinigungsfalle behalten wir uns weitere Beschlussfassungen vor. 4./ Auf Antrag wird die Entschädigung fürs Laternenanzünden am hies. Bahnhofe von 10 auf 15 Pfg. pro Beleuchtungsabend erhöht. 5./ Die benötigte Instandhaltung und Reinigung der sämtlichen Dorfbrunnen in den Orten der Gemeinde Vettelschoß wird von jetzt auf die Gemeinde im Sinne der Gemeindeordnung übernommen. 6./ Wir beschließen hinsichtlich der rückständigen Forderung an Winand Jünger eine Einigung dahingehend, daß dem Jünger für aufgegebenen Grund und Boden zum Bahnhofswege weitere 10 M. zukommen, so also 25 M. erhält und damit seine Ansprüche an die Gemeinde als erledigt betrachtet werden. 7./ Bevor wir einer Neuausschreibung in der Basaltverpachtungssache näher treten, wollen wir die Entscheidung des Kreisausschusses in Neuwied abwarten.“

Von nun an machte sich Amtsbürgermeister Hugo Heffels des Öfteren in Vettelschoß rar und ließ sich durch die Beigeordneten Strunk und Krautscheid vertreten oder schickte als Protokollführer seinen Amtssekretär Johann Müller.

Nach dem Gemeinderatsprotokoll vom 30.10.1914, das von Amtssekretär Johann Müller verfasst und niedergeschrieben wurde, betrug die vorläufige Gemeinderechnung für 1913 „in Einnahmen 17.611,40 M., in Ausgaben 17.621,45 M., Vorschuss 10,05 M.“

Dieser Johann Müller amtierte später als Amtsbürgermeister von Neustadt, und zwar vom 01.04.1956 bis 31.03.1966. Er stammte aus Neustadt und hatte sein „Handwerk“ von der Pike auf im bzw. auf dem „Amt“ (Bürgermeisterei oder Bürgermeisteramt) in Neustadt gelernt. Er war einer der qualifiziertesten Amtsbürgermeister von Neustadt. Sein Nachfolger als Amts- und der spätere Verbandsbürgermeister von Neustadt wurde Lorenz Klein, der sich am 28.11.1970 (nicht unproblematisch) zum Asbacher Verbandsbürgermeister wählen ließ.

Durch das 8. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz vom 28.07.1970, das am 07.11.1970 in Kraft trat, ist die Neustadter Verbandsgemeinde aufgelöst worden und die Gemeinden Vettelschoß und Lorscheid (St. Katharinen) schlug man der Verbandsgemeinde Linz zu.

 

Abb. 25

 

Der „Knies“ der Geistlichen

 

Die Pfarrvikarie Vettelschoß – ehemals eine Filiale der Pfarrei Neustadt – wurde 1896 mit der St.-Michaels-Kapelle ein selbständiger Seelsorgebezirk mit damals um die 800 Seelen. Trier hatte noch am 24.11.1894 die Errichtung einer Pfarrvikarie wegen des andauernden Priestermangels abgelehnt.

Doch diese Erhebung der „Filiale“ zur „Vikarie Vettelschoß“ ist vor allem dem einsichtigen Pfarrer Joh. Benedikt Kirsch (1893 – 1898) aus Neustadt zu verdanken. Die „Vorarbeit“ geht aus den nachfolgenden Protokollen und Dokumenten hervor. Zwar ein kleiner Schritt in die angestrebte Richtung!

Erster eigenständiger Pastor in Vettelschoß war der Pfarrvikar Johann Peter Klöckner (* 17.10.1869 in Gelsdorf, † 18.03.1939 in Oberfell/Mosel). Er kam unter großem Beifall und immensen Erwartungen am 17.05.1896 nach Vettelschoß und ging „nach getaner Arbeit“ und einem schweren Abschied von der Bürgerschaft am 10.04.1906 als Pfarrer nach Oberfell, wo er bis 01.07.1938 wirkte und in den Ruhestand trat.

Die Versetzung des Vikars als Pfarrer nach Oberfell dürfte seitens Trier eine Anerkennung für seine schwere „Aufbauzeit“ in Vettelschoß gewesen sein!

 

Abb. 26, 27, 28, 29, 30

 

Am 27.06.1900 wurde die erste Kirche („Heilige Familie) in Vettelschoß durch den Trierer Bischof Dr. theol. Michael Felix Korum (1881 – 1921) konsekriert. Sie war nunmehr eine Filialkirche der Pfarrei von Neustadt.

Und im gleichen Jahr konnte Johann Peter Klöckner als erster Geistlicher in das neue Pfarrhaus einziehen. Das Bischöfliche Generalvikariat in Trier bezeichnete Kirche und Pfarrhaus in Vettelschoß als „Prachtbauten“.

Sie bestanden aus dem heimischen Tuffstein, den Gemeindebürger für ein „Vergelts Gott“ im zwischen Notscheid und Kretzhaus gelegenen „Quirgelstein“ in mühsamer Handarbeit als Quader abbauten und die BAG kostenlos bis an den Wöls- oder Willscheiderberg transportierten.

 

Abb. 31

 

Schon am 09.12.1909 gab der Kirchenvorstand von Neustadt seine Zustimmung, die Pfarrvikarie Vettelschoß zur selbständigen „Kapellengemeinde“ mit eigener Vermögensverwaltung zu erheben. Am 14.02.1909 erklärten Pfarrer Thomas Kappes (1906 – 1911), der Küster Joseph Weißenfals und der Organist Nikolaus Marx, Lehrer in Neustadt, dass sie mit der Gründung der selbständigen Kapellengemeinde Vettelschoß einverstanden sind.

Noch am 23.09.1910 verfolgte Trier die Absicht, Vettelschoß, Willscheid, Willscheiderberg, Seiferhof, Oberwillscheid, Kalenborn, Kretzhaus, Kau, Rott, Rotterheide, Unterelsaff, Schule Unterelsaff, Mittelelsaff und Oberelsaff zu einer „Filialgemeinde“ (Kapellengemeinde) zusammenzuschließen, „ohne dass jedoch an den bestehenden vermögensrechtlichen Verhältnissen etwas geändert wird.“

Dafür war eine „Handzeichnung“ mit folgenden Angaben angefertigt worden: „Karte zur Kapellengemeinde Vettelschoß. Uebersichtskarte der Gemeinde Vettelschoß und eines Theiles der Gemeinde Elsaf-Thal. Ungefährer Maßstab 1: 10.000. Angefertigt durch gez. Borner – Revidiert durch gez. Stropfer – Coblenz, den 7. März 1905. – Der Katasterinspektor (gez. unleserliche Unterschrift).“ – Daraus lässt sich schließen, dass Trier sich schon sehr früh mit der möglichen Verselbständigung von Vettelschoß und der Loslösung von der Pfarrei Neustadt befasst hatte.

 

Abb. 32, 33, 34, 35

 

Doch schon am 28.04.1896 hatten die Einwohner von Rott, Rotterheide und Unterelsaff dem Landrat in Heddesdorf und dem Bischöflichen Generalvikariat in Trier mitgeteilt, dass sie – wie ihre Vorfahren – in Neustadt beerdigt werden möchten. Der Widerspruch von Rott und Rotterheide mit Unterelsff geht auf Landrat Friedrich Wilhelm Justus von Runkel (1877 – 1906) zurück, der den Leuten einredete, „sie könnten bei einer Gemeindesteuer von 200 % nicht noch hohe kirchliche Umlagen zum Bau der Kirche in Vettelschoß tragen“. Nach dem Bürgerentscheid in Rott am 17. bzw. 23.05.1912 (13 Familien stimmten für Neustadt und nur 8 für Vettelschoß) war das Thema für Trier zunächst passee.

 

 

Abb. 36

 

Der Küster und Organist Joseph Weißenfels aus Neustadt hatte am 10.04.1911 erklärt: „dass er mit der Erhebung der Filiale Vettelschoß zur selbständigen „Kapellengemeinde“ einverstanden ist und er eine Entschädigung nicht beansprucht.“ Die Gemeinde Vettelschoß zählte zu dieser Zeit 820 Einwohner und die Pfarrei Neustadt mit Vettelschoß 2.550 Seelen.

Trier teilte am 16.05.1911 der Königlichen Regierung – Abt. für Kirchen- und Schulwesen – in Koblenz mit, „dass aufgrund des Sitzungsprotokolls des Kirchenvorstandes von Neustadt vom 20.12.1910 wegen der Erhebung von Vettelschoß zur selbständigen Kapellengemeinde nur noch Bedenken hinsichtlich der finanziellen Regelung zwischen Neustadt und Vettelschoß bestehen.“

Doch von 1911 – 1921 gab es in Neustadt den streitbaren Pfarrer Paul Josef Scholten, der vehement gegen eine Verselbständigung von Vettelschoß und der Abpfarrung von Neustadt agierte und mit Trier und Vettelschoß bis zu seiner Versetzung heftige Auseinandersetzungen führte. Seine meist ellenlangen Briefe sind dennoch lesenswert.

 

Abb. 37

 

Am 19.02.1913 schrieb das Bischöfliche Generalvikariat in Trier dem Pfarrer Paul Josef Scholten in Neustadt folgendes: „Der Herr Regierungspräsident hat uns in der Angelegenheit betreffend Errichtung einer selbständigen Kapellengemeinde Vettelschoß die Beschlüsse des Kirchenvorstandes von Neustadt vom 21. Oktober und vom 4. Dezember v.J. mitgeteilt, wonach der Kirchenvorstand seine Zustimmung zur Errichtung der Kapellengemeinde ablehnt, bis die Schuldverhältnisse zwischen der Kirche und der Kapelle einerseits und Pfarrer Klöckner andererseits geregelt und gedeckt seien. Nach unserem Schreiben vom 27. August v.J. sind aber diese Schuldverhältnisse klar gestellt und es besteht zwischen Kirchenvorstand und Pfarrer Klöckner nur noch die Streitfrage, ob dieser seine unbestrittene Schuld an die Pfarrkirche von 2.400 M. mit seiner vom Kirchenvorstande anerkannten Forderung für Vorlagen an die Vicarie Vettelschoß nebst Zinsen in der Gesamthöhe von 7.700 M. abzüglich 3.600 M. für eine von ihm übernommene Bürgschaftsschuld, also im Restbetrage von 4.100 M. aufrechnen kann. Je nach der Entscheidung dieser Streitfrage hätte Pfarrer Klöckner entweder an die Pfarrkirche noch 2.400 M. zu zahlen und dagegen von der Vicarie Vettelschoß noch 4.100 M. zu fordern, oder er hätte an letztere nur noch eine Forderung von 1.700 M. und die Pfarrkirche hätte von der Vicarie Ersatz jener 2.400 M. zu verlangen. Unserer Ansicht nach, die wir in jenem Schreiben vom 27. August 1912 zum Ausdruck gebracht haben, würde die Streitfrage im Sinne der zweiten Alternative zu entscheiden sein, während der Kirchenvorstand nach seinem Beschlusse vom 12. September v.J. die Ansicht vertritt, dass die Pfarrkirche jene Aufrechnung nicht zu dulden brauche, vielmehr von Pfarrer Klöckner die Bezahlung der 2.400 M. verlangen könne. – Diese Meinungsverschiedenheit kann es nun aber nicht rechtfertigen, dass wegen ihr die Errichtung der Kapellengemeinde, die der hochwürdigste Herr Bischof (Dr. theol. Michael Felix Korum) für dringend geboten erachtet und deshalb möglichst bald herbeigeführt sehen möchte, noch weiter hinausgeschoben werde. Die Sache kann vielmehr in der Weise geregelt werden, dass in die Bedingungen für die Errichtung der Kapellengemeinde aufgenommen wird, dass diese letztere nicht nur zur völligen Entlastung der Pfarrkirche als Selbstschuldnerin die Verpflichtung übernimmt, an Pfarrer Klöckner den Restbetrag seines Guthabens aus Vorlage für Kirchen- und Pfarrhausbau im Betrage von 1.700 M. zu zahlen (dies ist schon in dem bisherigen Entwurf einer Errichtungsurkunde enthalten), sondern ausserdem an die Pfarrkirche jene 2.400 M. zu erstatten hat, die Pfarrer Klöckner der Pfarrkirche geschuldet und zur Aufrechnung mit seinem Guthaben an die Vicarie verwendet hat. – Nach Errichtung der Kapellengemeinde würden wir diese erforderlichenfalls veranlassen und genehmigen zur Bezahlung jener 1.700 M. an Pfarrer Klöckner und dieser 2.400 M. an die Pfarrkirche ein Darlehn aufzunehmen, so dass diese letztere durch die Aufnahme jener Bedingung in die Errichtungsurkunde vollkommen sicher gestellt wäre. – Wir ersuchen Sie daher, den Kirchenvorstand möglichst umgehend beschließen zu lassen, dass er unter dieser Bedingung in die Errichtung dieser Kapellengemeinde einwilligt, da es unter allen Umständen wünschenswert erscheint, dass die Errichtung der Kapellengemeinde, mit der (wenn auch gesetzlich nicht unbedingt erforderlichen) Zustimmung des Kirchenvorstandes erfolgt. – Zu der im Beschlusse vom 4. Dezember 1912 enthaltenen Angabe, dass die Forderung des Pfarrers Klöckner von 7.700 M. von Vettelschoß bestritten werde, bemerken wir, dass das offenbar unrichtig ist. Vettelschoß wird bis zur Errichtung einer selbständigen Kapellengemeinde durch den Kirchenvorstand von Neustadt vertreten und der Kirchenvorstand hat die Forderung in der angegebenen Höhe anerkannt. Damit ist jedes fernere Bestreiten der Forderung unmöglich gemacht, und es kann sich daher nur noch darum handeln, wie die beiderseitigen Forderungen verrechnet oder reguliert werden sollen.

 

Das Bischöfliche Generalvikariat

gez. Dr. Becker

(Der Generalvikar in Trier hieß zu dieser Zeit

Franz Tilmann)

 

Abb. 38, 39

 

Der „Regierungs-Präsident von Coblenz“ übermittelte am 02.05.1913 dem Bischöflichen Generalvikariat in Trier den „Antrag der Mitglieder der Pfarrei Neustadt vom 10.04. wegen Verbleib in der Pfarrei Neustadt.“

 

„Rotterheide, den 10. April 1913

 

Antrag der Bewohner des Dorfes Rotterheide und Unterelsaff.

 

Am 7. April 1913 wurde durch den Herrn Pfarrer Scholten in Neustadt und des Kirchenvorstands beschlossen, durch einen Kommissar die Grenze zu ziehen zu der Abtrennung der Ortschaften von Neustadt nach Vettelschoss. Wir bitten die Königliche Regierung dahin zu wirken, dass die genannten Ortschaften bei Neustadt verbleiben, da wir keinerseits Interesse finden und der Gemeinde schwere Unkosten zufallen werden durch Neuumlage eines Weges. Die Dorfbewohner Rott Rotterheide haben keinen Zuführweg als nur über St. Katharinen oder Wiedmühle, welche einen bedeutenden Umweg macht. So sind wir am schnellsten in Neustadt ehe wir in Vettelschoß sind. Nach den früheren Erklärungen der Königlichen Regierung und des Bischöflichen Generalvikariats war die Bestimmung für die Abtrennung der Ortschaften Ober- und Mittelelsaff welche auch zunächst zu Vettelschoss sind. Als Gemeindevorsteher wende ich mich mit der Bitte an die Königliche Regierung dahin wirken zu wollen, dass wir bei der Pfarrei Neustadt verbleiben und die enormen Kosten der Gemeinde erspart bleiben, indem die genannten Ortschaften nach Neustadt einen guten gebauten Weg haben. Vettelschoss ist eine Basaltstein-Industrie, wo viele Arbeiter sich niederlassen und stark genug wird für eine Pfarrei zu gründen. Wir bitten nochmals die Königliche Regierung bei den früheren Beschlüssen zu bestehen zu der Abtrennung der Ortschaften Rott, Rotterheide, Unterelsaff, welche nach Vettelschoss wollen auch am nächsten nach Vettelschoss haben.

In der Hoffnung unsere Bitte zu gewähren die unterzeichneten Bewohner der betreffenden Ortschaften der Gemeindevorsteher (von Elsaffthal) gez. Schütz Folgen 51 Unterschriften“

Mit dem Bau der heutigen Pfarrkirche St. Margaretha oder St. Margarita in Neustadt war im April 1869 begonnen worden. Wegen des „Kulturkampfes“ unterblieb die „feierliche Konsekrierung, sondern das Gotteshaus wurde zunächst nur eingesegnet (Juli 1873)“. – Der Bau des „Pastoratshauses“ in der „weyeraw“ erfolgte unter Pfarrer Johann Enzweiler (1889 – 1893) und war 1891 fertiggestellt. „Ringsumgeben von dem Fischweiher, der später zugeschüttet wurde, machte es durch seine Lage den Eindruck einer Wasserburg, zu der von der Seite des heutigen Vereinshauses ‚Koburg‘ her der Zugang nur über einer – nachts immer hochgezogenen Zugbrücke – möglich war.“ – Der seinerzeitige (1912) Kaplan in Neustadt, J. Ferres, schrieb seinem Freund, Subdiakon Johann („Joh“) Weilerbach, seinerzeit im Priester-Seminar in Trier: „Allerdings wünsche ich Dir eine bessere Stelle, wie ich sie gefunden. ... Aber es ist schön, wenn auch beschwerlich in Neustadt. Ist das kein herrlicher Landsitz, das Pfarrhaus?“ Kaplan J. Feres war unter Pfarrer Paul Josef Scholten in Neustadt tätig, und zwar vermutlich von 1911 – 1914. Er dürfte die Streitigkeiten der Geistlichen von Neustadt und Vettelschoß hautnah und in aller Schärfe miterlebt haben. Vielleicht will er in den Zeilen an „Joh“ Weilerbach diese Problematik seines Pfarrers in Neustadt andeuten???

Für das Generalvikariat in Trier scheint das Thema „Vettelschoß“ nunmehr für lange Zeit erledigt gewesen zu sein. – Denn erst am 20.04.1920 kam es in Vettelschoß zu einer Verhandlung zwischen Vikar Isermann und dem kirchlichen Rechnungsrevisor namens Ballof (aus Trier). In der Niederschrift heißt es: „Herr Pfarrvikar Isermann und der Gemeindevorstand von Vettelschoß als Vertreter der Zivilgemeinde erklären bezüglich der von dem Kath. Kirchenvorstande in Neustadt (Wied) gestellten Bedingungen an die Einwilligung zur Erhebung der Pfarrvikarie Vettelschoß zu einer Pfarrei sowie bezüglich der Zufriedenstellung des Herrn Pfarrers Klöckner in Oberfell wegen seiner Forderungen an die Vikarie folgendes: 1.) Vettelschoß ist bereit, sofort den von Herrn Pfarrer Klöckner an die Kirchenkasse in Neustadt (Wied) geschuldeten Betrag von 2.400 M. zu zahlen. Und zwar halten wir es für am zweckmäßigsten, wenn der für unsere abgelieferte Glocke (während des Ersten Weltkrieges) erzielte und in Kriegsanleihe angelegte Erlös von 1.500 M. – die Genehmigung der Bischöflichen Behörde vorausgesetzt – von der Pfarrkirche in Neustadt (Wied) als Teilzahlung übernommen wird; der Rest soll alsdann gleichzeitig in bar beglichen werden. Außerdem erklären wir, daß für die Schuld der Pfarrvikarie Vettelschoß an Herrn Pfarrer Klöckner in Oberfell der Kirchenvorstand in Neustadt (Wied) niemals verantwortlich gemacht werden soll. 2.) Was die Forderung des Herrn Pfarrers Klöckner anbelangt, so wollen wir des lieben Friedens willen und um die Verselbständigung von Vettelschoß nicht noch weiter aufzuhalten, die berechtigten Ansprüche desselben gern erfüllen. Herr Pfarrer Klöckner hat nach seiner Abrechnung Anspruch auf rund 5.200 M. erhoben und von diesem Betrage Zinsen vom 1. Januar 1900 ab in Höhe von 2.500 M. berechnet, sodaß sich eine Gesamtforderung auf 7.700 M. beläuft. Wir sind indessen der Ansicht, daß keine Schulden auf der Vikarie lasten. Von all diesen Tatsachen hat sich der unterzeichnete Revisor überzeugt. Der Erlös für die abgelieferte Glocke mit 1.500 M. wird von dem Kirchenvorstand in Neustadt (Wied) verwaltet. Orgelpfeifen brauchen nicht abgegeben zu werden. Wenn in den Nachweisen der Einnahmen und Ausgaben für 1915/6, 1916/7 u. 1917/8 gesagt ist, daß die Überschüsse zum Orgelfonds gelegt seien, so bedeutet dies, daß diese Gelder beim Bezahlen der neuen Orgel verwendet worden sind. Nach vollständiger Tilgung der Kosten für die Orgel besteht ein solcher Fonds nicht mehr.

 

v.g.u.

Isermann, Pfarrvikar

g.m.u.

Ballof, Kirchl. Rechnungsrevisor

 

Abb. 40

 

Die vorliegenden Abrechnungen für 1915/6, 1916/7, 1917/8, 1918/9 u. 1919/20 erhalten.

Eilenberg, den 22. April 1920

Der Kirchenrechner Weißenfels.“

 

„Verhandelt zu Oberfell, den 4. Mai 1920 – Herr Pfarrer Klöckner gibt zu den seitens des Herrn Pfarrvikars Isermann und des Gemeindevorstandes in Vettelschoß am 20. April 1920 aufgestellten Berechnung seiner aus dem Kirchen- u. Pfarrhausbau zu Vettelschoß herrührenden Ansprüche an die Pfarrvikarie daselbst folgende Erklärung ab. – Ich beanspruche die Zinsen von meiner Forderung im Betrage von 5.200 M. vom 1. Januar 1900 ab deshalb, weil der Vettelschoßer Gemeinde damals schon bekannt war, daß ich Vorlagen für sie gemacht hatte, und ganz besonders, weil ich mir das Geld zu diesen Vorlagen selbst geliehen und dafür auch Zinsen habe zahlen müssen. Hätte ich sofort bei meiner Versetzung Abrechnung legen können, dann hätte Vettelschoß doch auch sofort zahlen müssen und so den Zinsverlust selbst gehabt. Da dies aber nicht geschehen ist, so hat Vettelschoß tatsächlich eine Bereicherung um diese Zinsen erfahren. – Was mein Schenkungsversprechen betrifft, so habe ich zu bemerken, daß die Voraussetzungen bei diesem Versprechen nicht eingetroffen sind. Die Gemeinde Vettelschoß hatte der durch meinen Bruder vertretenen Firma einen Quarzitbruch vom 1. April 1905 ab auf 12 Jahre verpachtet. Die schwierigen Aufschlußarbeiten eines derartigen Betriebes, bei dem die Steinblöcke aus 8 – 12 m tiefem Lehm herausgearbeitet werden müssen, brachten es mit sich, daß die eigentliche Ertragsfähigkeit dieses Betriebes erst in den letzten Jahren eintreten konnte. Nun hat die Gemeinde Vettelschoß die drei Kriegsjahre 1915, 1916 u. 1917, in denen der Betrieb ruhen mußte und darum auch die Pacht ausblieb, zum Anlaß genommen, der betr. Firma den Vertrag zu kündigen und einer anderen Firma die Ausbeute zu übertragen. Infolgedessen waren die Ausgaben für die Aufschlußarbeiten wertlos und die betr. Firma war für mindestens 300.000 M. geschädigt worden. Ich fühle mich daher meinerseits nicht mehr gebunden, für den Eingang der versprochenen Summe zu bürgen, zumal ich erst im Januar 1920 noch eine Restschuld der Firma im Betrage von 4.905 M. an die Spar- u. Darlehnskasse in Vettelschoß auf Grund geleisteter Bürgschaft zahlen mußte. – Meine Ansprüche stellen sich daher jetzt wie folgt:

 

Für den Kirchen- u. Pfarrhausbau in

Vettelschoß habe ich eingenommen  M. 72.318,18

Und ausgegeben      M. 77.822,22

mithin betragen meine Vorlagen rd.  M.   5.200

Dazu Zinsen zu 5%

vom 1.1.1900 ab mtl.     M.   5.200

zus.         M. 10.400

Hiervon sind in Abzug zu bringen

  1. 1.)Die Schuld an Neustadt                                M.   2.400 

  2. 2.)Die Schuld an Frl. Kurtenbach                M.      700 

M.   3.100

bleibt meine Forderung     M.   7.300

 

Diese Forderung ermäßige ich auf 6.000 M. mit der Bestimmung, daß 1.800 M. zu meiner Verfügung auf der Spar- u. Darlehnskasse in Vettelschoß angelegt und die restierenden 4.200 M. dem Bischöflichen Stuhle zu Trier zu allgemeinen Diözesanzwecken zur Verfügung gestellt werden. – Meine vor kurzem gestellte Forderung auf Rückgabe der von mir in Vettelschoß zurückgelassenen Möbel beschränke ich auf die Auslieferung des Ausziehtisches und der 12 dazu gehörigen Nußbaumstühle. Alle übrigen Inventarstücke überlasse ich der Pfarrvikarie in Vettelschoß. – Sind diese Forderungen bis zum 1. Juli d.J. erfüllt, so habe ich keine Ansprüche mehr an die Pfarrvikarie Vettelschoß zu erheben.

 

g.g.u.

J.P. Klöckner, Pfar.

g.w.o.

Ballof, Rechnungsrevisor“

 

Mit Brief vom 03.08.1920 an das Bischöfliche Generalvikariat in Trier erneuerte und begründete Pfarrer Johann Peter Klöckner seinen „Einspruch gegen die Erhebung von Vettelschoß zur selbständigen Kapellengemeinde“. Er legte dem Brief eine Abschrift an den Vorstand der Vettelschosser Spar- und Darlehnkasse bei, die sein Guthaben wegen der ausstehenden Löhne an die Arbeiter der Firma seines Bruders nicht auszahlen wollten. Der Pfarrer argumentierte weiter mit den bekannten finanziellen Forderungen, wozu er Vettelschoß zur Begleichung bereits 1912 aufgefordert hatte.

Am 06.10.1920 folgte der Einspruch von Pfarrer Paul Josef Scholten aus Neustadt gegen die Erhebung von Vettelschoß zur selbständigen Kapellengemeinde, der die Abrechnung des Trierer Revisors Ballof nicht anerkennen wollte.

Generalvikar Franz Tilmann antwortete ihm am 09.10.1920: „Da Sie die durch unsere Revision festgestellte Abrechnung nicht anerkennen, erübrigen sich einstweilen weitere Schritte der Behörde in der Rechnungssache Vettelschoß. Am besten machen Sie den Versuch, mündlich mit dem Herrn Vikar (Isermann) zu verhandeln.“

 

Abb. 41, 42, 43, 44, 45, 46

 

Als Pfarrer Scholten von Neustadt versetzt war, glätteten sich die Wogen zwischen Neustadt und Trier bzw. Vettelschoß, aber es dauerte noch bis zum 01.08.1925, bis Vettelschoß von Trier zur eigenständigen „Kapellengermeinde“ erhoben wurde. Zunächst ging es wieder um das Prozedere!

 

Abb. 47

 

Am 30.09.1921 teilte Pfarrer Hugo Franz (Franz Benedikt) Mues, Pfarrer in Neustadt von 1921 – 1936, dem Bischöflichen General-Vicariat in Trier mit: „Der hiesige Kirchenvorstand hat in seiner Sitzung am 25. September 1921 folgenden Beschluss gefasst, der Kirchenvorstand beschließt den Antrag bei der Bischöflichen Behörde zu stellen, dass Vettelschoss eine selbständige Pfarrei wird.“

 

Abb. 48

 

Bereits am 15. November 1921 hatte Pfarrer Mues bescheinigt, „daß gegen die Erhebung der Vicarie Vettelschoß zur Pfarrei kein Einspruch erhoben worden ist. Der Anschlag an den Kirchentüren der Pfarrkirche von Neustadt und der Vicariekirche von Vettelschoß hat vom 30. Oktober – 10. November ausgehangen.“

 

Abb. 49, 50

 

Nach dem Hörensagen soll Vikar Peter Isermann, wenn er mit der Bahn zu privaten Besorgungen in Neustadt eintraf, „regelrecht“ observiert worden sein. Alle Beobachtungen wurden umgehend dem Pfarrer Paul Josef Scholten zugetragen.

Bereits am 01.12.1929 wandte sich der Kirchenvorstand von Vettelschoß und sein Vorsitzender, Pfarrvikar Ferdinand Gerhardus, brieflich an das Bischöfliche Generalvikariat in Trier mit der dringenden Bitte, „doch mit allem Nachdruck darauf hinzuwirken, dass endlich der lang ersehnte Wunsch der Pfarreieingesessenen in Erfüllung geht, dass aus der Pfarrvikarie die Pfarrei wird.“ – Der Brief wurde vom Seelsorger und allen Kirchenvorstandsmitgliedern unterzeichnet:

Der Vorsitzende:  Die Mitglieder:

Gerhardus,

Pfarrv.     Peter Ewenz

Eng. Reufels

Wilh. Saal

Joh. Kretz

Konrad Hesseler

Matth. Buchholz

Wilh. Knopp

 

Herrn Pfarrvikar Gerhardus, Hochw., Vettelschoß Z.Schr.v.1.12.29: „Art. 3 des Konkordats v. 14.6.1929 (1929 S. 116) sagt ausdrücklich: Die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Vereinbarung von Kirchengemeinden erfolgt nach Richtlinien, die mit den ... vereinbart werden. Diese Richtlinien ... auch nicht her, sodaß wir dem Gesuche v.1.12.29 zu unserem Bedauern nicht entsprechen können.

 

Tr. 4.12 gez. Unterschrift.“

 

Am 01.04.1931 war in der Rhein- und Wiedzeitung (RWZ) ein Artikel mit dem folgenden Wortlaut erschienen: „Vettelschoß, 1. April. Nachdem im vorigen Jahre der hiesige Gemeinderat in einer Sitzung, die unter dem Vorsitze des Bürgermeisters von Neustadt (Hugo Heffels) stattfand, den Zuschuß für die Vikarstelle um 500 M. gekürzt hat, sah sich die Bischöfl. Behörde genötigt, Vettelschoß als selbständige Seelsorgestelle aufzuheben. Wie wir von zuverlässiger Seite hören, ist man behördlicherseits mit St. Katharinen in Verhandlung getreten, damit von dort aus die Verwaltung von Vettelschoß besorgt wird, bis die Eingliederung als Filiale zur Pfarrei St. Katharinen vollzogen werden kann.“

Peter Dittscheid aus Kalenborn, Gemeindevorsteher von Vettelschoß, bat am 14.04.1931 das Bischöfliche Generalvikariat in Trier um Auskunft, „ob von Trier die Aufhebung der Pfarrvikarstelle in Vettelschoß und Vettelschoß unter die Verwaltung von St. Katharinen zu stellen, beabsichtigt sei.“ Anlass war der Zeitungsartikel vom 01.04.1931 in der RWZ (Rhein- und Wiedzeitung). Vettelschoß hatte in der Tat den Zuschuss an den Geistlichen 1930 wegen der großen Erwerbslosigkeit und eines Schulhausneubaues von 1.500 M. auf 1.000 M. herabgesetzt.

Auch Trier hielt den Artikel in der RWZ für einen Aprilscherz, den womöglich Neustadt lanciert hatte. Doch die Ente von damals wurde am 01.01.2008 insoweit zur Wirklichkeit, nachdem die Pfarrei St. Michael in Vettelschoß mit der Pfarrei St. Katharina in St. Katharinen fusionierte. Der entsprechende Versuch vor 175 Jahren (1833) war zu jener Zeit leider Gottes kläglich gescheitert.

Pfarrvikar Alois Löw (von 1930 – 1937 in Vettelschoß) stellte am 02.11.1936 fest: „Als Johann Peter Klöckner nach Vettelschoß kam, betrug die Zahl der Einwohner 850. 1936 waren es 1.000. Begreiflicherweise wurde damals schon die Erhebung zur Pfarrei angestrebt. Aber leider konnte viele Jahre hindurch eine Einigung mit der Muttergemeinde Neustadt nicht erzielt werden. Erst im Jahre 1925 erfolgte die Erhebung zur Kapellengemeinde, und da war die günstige Zeit, die Anerkennung als Pfarrei zu erlangen, vorüber, sodass Vettelschoß heute noch, nach mehr als 40 Jahren, Pfarrvikarie ist, und zwar die älteste der ganzen Diözese.“

Alois Löw meinte weiter: „Kirche und Pfarrhaus sind bleibende Denkmäler des Opfergeistes der Pfarrvikarie. Weder kirchlicherseits noch staatlicherseits waren ihre Kollekten bewilligt worden, sodass alle Gelder von den Pfarrkindern, die durchschnittlich recht arm waren, aufgebracht werden mussten.“

Die Kirche „Heilige Familie“ in Vettelschoß wurde im Herbst 1974 abgerissen und durch die am 25.09.1977 geweihte St.-Michaels-Kirche ersetzt. Das Pfarrhaus musste etwas später ebenfalls einem Neubau weichen, der am 06.01.2001 von Pfarrer Joachim Fey (1995 – 2008) „seiner Bestimmung übergeben wurde“.

 

Abb. 51

 

Der Aktenlage in Trier zufolge scheint der Studienrat Dr. Dr. Peter Eck, der am 04.06.1946 als Vikar aus Hermespand (Ortsteil der Gemeinde Weinsheim, Verbandsgemeinde Prüm, Landkreis Eifelkreis Bitburg-Prüm) nach Vettelschoß versetzt worden war, die verworrene „Kirchengeschichte von Vettelschoß“ letztendlich „entrümpelt“ zu haben. Vielleicht dachte er und Trier wie Kaiser Karl V. († 21.09.1558) am Grabe Luthers († 18.02.1546):

 

„Mit Toten führe ich keinen Krieg.“

 

Vettelschoß wurde am 20.05.1947 zur Pfarrei erhoben und Dr. Dr. Peter Eck zum ersten Pfarrer in Vettelschoß ernannt. Am 05.08.1949 bestellte man ihn zum Definitor des Dekanats Linz. Nach der Emeritierung am 01.05.1959 verzog Dr. Dr. Peter Eck als Ruhestandsgeistlicher nach Rheinbrohl, wo er am 07.09.1965 verstarb.

 

Bildtexte:

 

  1. 1.Zu Beginn des 17. Jahrhunderts bekam die baulich erweiterte Kirche „im Tal von Dattenberg“ mit der Einführung des hl. Antonius der Große („Wüstenvater“) als Patron der „Herrlichkeit Dattenberg“ bzw. der Dorfschaft ein zweites Patrozinium. Damit sollte vermutlich an die dortige frühere Einsiedlerklause erinnert werden! Sicherlich ist der hl. Antonius (* vielleicht um 251, † 356) – ein christlicher ägyptischer Mönch, Asket und Einsiedler, der „Vater der Mönche“ – in und um Dattenberg auch angefleht worden, um drohende Seuchen (Pest) und Viehkrankheiten abzuwenden. Aus der mittelalterlichen Kapelle mit der Einsiedelei in Dattenberg wurde in Jahrhunderten die Pfarrkirche, der übriggebliebene Chor letztlich eine Friedhofskapelle, aus der entstand eine Marienkapelle bzw. die gegenwärtige Kriegergedenkstätte. 

  2. 2.Aus einer Klausnerei, die auf dem „Stromberg“ (Petersberg) zwischen 1131 bis 1137 entstanden war, hatte sich ein Augustinerkonvent gebildet, das nach knapp 50 Jahren die Behausungen verließ. Danach zogen am 22.03.1189 die ersten Zisterzienser aus Himmerod auf den Petersberg. 1192 siedelten sie sich jedoch im „St. Peterstal“ (Heisterbach) an, rodeten und bauten eine hölzerne Notkirche. 1202 wurde der Grundstein für die obige großartige Abteikirche des Zisterzienserklosters Heisterbach gelegt. Die ganze Anlage wurde bis auf das Presbyterium nach der Säkularisation durch kurfürstliches „Immediat-Reskript“ (Weisung) vom 12.09.1803 abgerissen. 

  3. 3.Am 09.06.1802 erließ die französische Regierung das Säkularisationsgesetz für die 4 rheinischen Departements. Das Zisterzienserkloster Himmerod von 1138 wurde aufgehoben und der Abt und die Mönche mussten am 26.07.1802 die Klosteranlage verlassen. Der Abbruch mit der herrlichen Barockkirche nahm seinen Lauf und nur Ruinen klagten an. 1919 begann die Wiederbesiedlung. Die offizielle Wiedereröffnung des Klosters erfolgte am 15.10.1922. Seit 10.08.1925/16.08.1925 ist Himmerod wieder Zisterzienserabtei und der Wiederaufbau des Klosters wurde intensiviert. Mit dem Wiederaufbau der Abteikirche begann man 1952. Die Kirchweihe konnte am 15.10.1960 gefeiert werden. 

  4. 4.Die Pfarrkirche „St. Katharina“ der Gemeinden St. Katharinen und Vettelschoß. 

  5. 5.Die erste überlieferte Steinkirche (Pfarrkirche) in „Nuenstat“ („Newstatt“) bzw. Neustadt von 1229/1230 soll wie diese romanische Kirche in Almersbach (Landkreis Altenkirchen) ausgesehen haben. Sie ist heute ein evangelisches Gotteshaus und dürfte um 1199 erbaut worden sein. 

  6. 6.Diese Standbilder – Vollholzbildwerke aus einem Laubbaum, wahrscheinlich Eiche – im Kreuzgang der Zisterzienserabtei Marienstatt stellen die Stifter des Klosters, Gräfin Mechthild von Sayn und Graf Heinrich III. von Sayn, dar. Schon aus der Kleidung, den so genannten Sternenmänteln aus blau schillernder Seide, die Macht und Ansehen verliehen und nur von Herrscherpersönlichkeiten getragen wurden, ist zu schließen, dass es sich um hochstehende Autoritäten handelte. Nach einem fotografischen Bildnis des Klosters standen diese Skulpturen eines unbekannten Künstlers bereits um 1890 im Kreuzgang von Marienstatt. Die Schnitzereien haben womöglich einst den alten barocken Hochaltar der 1718 von Abt Benedikt Bach (1688 – 1720) barockisierten Abteikirche von Marienstatt begrenzt. 

  7. 7.Die außergewöhnliche und „jugendliche“ Grabfigur des Grafen Heinrich III von Sayn aus Eichenholz mit Resten originaler Farbfassung dürfte 1247/1248 entstanden sein. Das Grabmal befand sich im Mittelschiff der Kirche des ehemaligen Prämonstratenserklosters am Fuße der Sayner Burg. Ursprünglich lag die monumentale, von einem Baldachin überhöhte Figur auf einer Tumba. Das Grab wurde später in die Nikolaus-Kapelle der Abtei-Kirche verlegt und gelangte von dort in das Treppenhaus des Sayner Schlosses. Im 18. Jh. sind die Gebeine schließlich vor dem Hauptaltar der früheren Klosterkirche beigesetzt worden. Diese einzigartige rheinische Holzplastik gelangte in der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg für 20.000 ‚Papiermark’ an einen Antiquitätenhändler, der dieses wertvolle Bildwerk für 200.000 Mark im Jahre 1920 dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg verkaufte, wo es zu dessen wertvollsten Schätzen und der deutschen Geschichte zählt. 

  8. 8.„Handriß der Flur Nº. VII genannt Vettelschoss – Regierungs = Bezirk Coblenz – Landräthlicher Kreis Neuwied – Bürgermeisterei Altenwied – Gemeinde Lohrscheid (Lorscheid) mit den Flurnamen – Angefangen, den 3ten Juli 1829 und beendigt, den 30ten Juli 1829 durch den Kataster = Eleven Joh. Schmidt.“ – Die Feld- und Gewannflur „Farmesheck“ wurde inzwischen von der Gemeinde Vettelschoß zum Gewerbe- und Technologiepark für Hightech-Industrie-Ansiedlungen erschlossen. Als Deutung für „Farmesheck“ (nicht „Farmersheck“; denn das gibt keinen Sinn) wird als ein früherer eingefriedigter Landwirtschaftsbetrieb mit Weideplatz oder Acker angenommen. – „Historische Katasterkarten © Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz 22.07.2009; Az.: 26722 – 1.401.“ (http://www.lvermgeo.rlp.de) 

  9. 9.Der Basalt-Säulen-Abbau im Steinbruch des „Wöls- oder Willscheiderberges“ in Vettelschoß zwischen 1900 und 1912/1913. – Den angefallenen „Abfall“ oder „Schutt“ kippte man in die „Halde“. Beim Bau der Reichsautobahn Köln – Frankfurt (BAB 3 = A 3), die mit der „ersten“ Wiedtalbrücke am 01.09.1939 für den Verkehr freigegeben wurde, verlegte die Kölner Firma Pollack (die sich immer noch mit Seilbahnen und Skiliften befasst) zwei Seilbahnen von der „Halde“ quer über die Feldflur „Ob oder Op de Pläz“ in Vettelschoß. Die eine führte bis zur Autobahnbaustelle in Vierwinden/Hohn (Windhagen) und die andere bis Birken (Ammerich/Fernthal). Der „Basaltschutt“ wurde nicht nur dort dringend benötigt, um die frisch ausgehobenen Autobahntrassen zu befestigen. 

  10. 10.Das 1938 erbaute „Betriebsleitergebäude“ am „Wöls- oder Willscheiderberg um 1960/1961. Der sich anschließende Lokomotivschuppen hatte Platz für die von der BAG angeschafften vier Werkloks der Herstellerfirmen Kraus und Jung (50 PS, 75 PS, 100 PS, 125 PS). Die sich rechts anschließenden Werkstätten enthielten eine Schlosserei, Sägerei/Stellmacherei und zwei Schmieden. Im Hintergrund ist der Wasserbehälter zum Wasserfassen für die Lokomotiven zu sehen. 

  11. 11.Das Bürgermeisteramt (Amt, Amtsverwaltung, Verbandsgemeindeverwaltung) in Neustadt um 1929. Nach Auflösung der Verbandsgemeindeverwaltung Neustadt (1970) wurde das historische Objekt an Privat verkauft. 

  12. 12.Der Gemeinderatsbeschluss des Gemeinderates von Vettelschoß vom 04.11.1912. – Die Mitglieder des Gemeinderates von Vettelschoß hatten die Faxen dicke! 

  13. 13.Bruchmeister Wilhelm Weißenfels aus Hohn mit seiner Mannschaft und dem „Kauer Heinche“ an der Seilbahn-Station der Firma Christian Uhrmacher & Söhne aus Oberkassel am „Hüvvel“ in Vettelschoß. Von dort wurde das in den Steinbrüchen des „Geißen- und Türkenhügels“ geförderte Basaltgestein in Loren mit einer Drahtseilbahn entlang der Flur „Auf der Plätz“ oder „Auf den Plätzen“ zum „Brecher“ (Backen-Brecher-Anlage) nahe des ehemaligen Vettelschosser Bahnhofes transportiert, zu Splitt, Sand (Kleinschlag) verarbeitet (zerquetscht) oder direkt in die Eisenbahnwaggons gekippt. Den „Brecherstaub“ verkaufte die Firma zur Verfestigung des Aushubs für die Reichsautobahn in der Nähe von Fernthal. Die Fotografie ist etwa um die Mitte der 1920er Jahre entstanden. 

  14. 14.Vettelschoß nach 1912/1913. Es hatte noch das schlichte Bild eines bescheidenen Dorf-Idylls. 

  15. 15.Der Bergfried der betagten Burgruine Rennenberg – an der vorbei ursprünglich die Westerwaldbahnstrecke von Linz nach Flammersfeld bzw. Altenkirchen gebaut werden sollte – bevor durch den „Verein Burg Rennenberg e.V. von 1979 bis 2005/2007 entsprechende Sanierungsmaßnahmen zum Erhalt des Rudiments durchgeführt worden waren. – Die Burg Rennenberg könnte mit oder sogar vor der von Altenwied – die bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts bestand – erbaut worden sein. Um die Mitte des 13. Jh. gehörte die Burg der Gräfin Mechthild von Sayn († 1285), die Rennenberg 1250 dem Kölner Erzstift vermachte. Die Edelherren von Rennenberg – sie waren Ministeriale des Regenten Graf Heinrich III. von Sayn († 1247) und seiner Gemahlin Mechthild von Sayn – besaßen sie also in der Folge als Lehen des Erzstiftes Köln. – Im Jahr 1585 bzw. 1530 wurde die Burg Rennenberg schon als „ein alt verfallen Mauerwerk uf einem Berg“ bezeichnet. Sie war es wahrscheinlich schon 1507/1520 und längst nicht mehr bewohnt. 1532 kam die Ganerbenburg Rennenberg durch Erbfolge an die gräfliche Familie von Lalaing und Grafen von Hoogstraten. Der Name „Rennenberg“ ist zum Teil von den Familienmitgliedern beibehalten worden. So gilt der Katholik Graf Georg von Lalaing (Graf Georg von Rennenberg) im „Achtzigjährigen Freiheits- oder Unabhängigkeitskrieg“ gegen die Spanier seit dem Verrat am 03.03.1580 an der „Groninger Breede Merckt“ im Bewusstsein der Niederländer als „der große Verräter“. Graf Georg von Lalaing bzw. von Rennenberg ist am 23.07.1581 in Groningen an Tuberkulose – selbst von den protestantischen Gegnern mehr beklagt als verwünscht – elend gestorben. – Durch Eheschließung stieß die Linie von Lalaing 1657 zu der Sippe zu Salm-Neufville (Wild- und Rheingraf), die Nachkommen waren die Fürsten zu Salm-Salm (Herzöge von Hoogstraten) und von Dhaun-Neufville bzw. Dhaun-Leuze und Kyrburg. Das Haus Salm-Kyrburg-Leuze wurde 1743 gefürstet. – Seit 2005 befindet sich die uralte Burgruine Rennenberg mit dem umliegenden Wald (Gehölz) im Besitz von Stefan Wirtgen in Windhagen. 

  16. 16.Das ehemalige Schloss Rennenberg. Fürst Friedrich IV. zu Salm-Kyrburg (gehörte 1806 zu den Gründern des Rheinbundes, einem Militär- und Staatenbund unter dem Protektorat von Kaiser Napoléon I. Bonaparte) gilt als der Erbauer (1846) des unterhalb von Burg Rennenberg gelegenen Schlosses Rennenberg (1992 an Privat verkauft), das ihm und seiner Familie lange Jahre als Sommersitz diente. Mit seinem Enkel, Fürst Friedrich VI. Ernst-Ludwig Karl Valentin Maria zu Salm-Kyrburg (* 03.08.1845 in Brüssel), der am 02.01.1905 auf Schloss Rennenberg (Oberlöh 16 in Linz) verstarb, ist die frankophile Fürstenlinie zu Salm-Kyrburg erloschen. Seine Ehefrau (Louise Marie Mathilde Marguerita Cornelia Irmin geborene Le Grand oder Le Grande, * 06.12.1864 in Gent, † 22.021949 auf Schloss Rennenberg) wurde während des Ersten Weltkrieges zum 01.03.1917 nach kaiserlichem Edikt (Kaiser Wilhelm II.) wegen ihrer vorgeblichen morganatischen Abstammung mit den Kindern aus dem Fürsten- in den Freiherrenstand (von Rennenberg) versetzt. 

  17. 17.Der Lehrer Johann Jacob Gärtner mit seiner Schulklasse am 03.11.1905. 

  18. 18.Johann Jacob Gärtner mit Ehefrau (Anna Maria geb. Stümper aus Notscheid), 3 Buben und 1 Mädchen vor dem Schulsaal und der Lehrerwohnung sowie der am 29.08.1886 installierten und im Frühjahr 1905 erneuerten Wasserpumpe. Diese verkaufte die Gemeinde am 16.11.1929 für 10 Mark dem „Sieferhalfe“ (Mathias Reufels, Seiferhof), weil die alte und gute Schulpumpe nach dem Anschluss der Gemeinde Vettelschoß an das Kreisgruppenwasserwerk „Linzerhöhe“ (mit feierlicher Eröffnung der Pumpstation in Kodden sowie des Notscheider Wasserturmes am 09.06.1928 mit einer Festivität am Willscheiderberg bzw. im Saale/Wirtshaus „Zum Backmann’s-Jupp“) überflüssig geworden war und nunmehr das köstliche Nass aus der Wied seit dem 01.05.1928 dem Wasserhahn entnommen werden konnte, wogegen sich Vettelschoß 30 Jahre lang gewehrt hatte. Bei dem größeren der Jungs auf dem Bild dürfte es sich um Peter Gärtner handeln, der mit Egidius Schneider (Dr. Schneider-Straße in Vettelschoß) auf das Gymnasium nach Linz wechselte. 

  19. 19.Die Schülerzahlen der einzelnen Ortschaften der Gemeinde Vettelschoß im Jahr 1817. („Noscheid“ war die frühere Ortschaft neustadterseits, die zum Kirchspiel und Amt Neustadt gehörte.) 

  20. 20.Pastor Peter Isermann mit dem „Jungmänner-Verein Vettelschoß“ bzw. dem offiziellen „Katholischen Jung-Männer-Verband“ in Vettelschoß (KJMV) und dessen Jugend- oder Sportgruppe sowie dem Tambourcorps im Jahr 1924 vor der Sakristei und Kirche „Heilige Familie“ in Vettelschoß. In der Tür zur Sakristei gibt sich der langjährige Küster, Mathias Ewenz, Vettelschoß, zu erkennen. 

  21. 21.Diese aussagekräftige Zeichnung dürfte Ende 1910/Anfang 1920 entstanden sein. In den Jahren 1882, 1892 und 1898 wurde der „Saal Hecken“ als Schulsaal genutzt, weil am Schulhaus in Vettelschoß verschiedene Baumaßnahmen durchzuführen waren. 

  22. 22.Pfarrer Peter Isermann. – Nach der Zeit in Vettelschoß wirkte Peter Isermann von 1925 als Pfarrer in Zerf (St. Laurentius), Dekanat Hermeskeil (Keil am See). Am 27.10.1928 wurde er zum Definitor im damaligen Dekanat Ruwer und am 04.11.1933 (29.11.1933) zum Pfarrer in Oberbreisig (St. Viktor) ernannt, wo er am 01.06.1952 in den Ruhestand trat. Peter Isermann ist am 04.12.1952 im „Marienhaus“ bzw. im heutigen Seniorenzentrum St. Josef („Klösterchen“) in Niederbreisig verstorben. 

  23. 23.Das Schmelzbasaltwerk in Kalenborn – die heutige Kalenborn Kalprotect GmbH & Co. KG in Kalenborn, Asbacher Straße 50. 

  24. 24.Gründe. 

  25. 25.Der Gemeinderatsbeschluss des Gemeinderates von Vettelschoß vom 04.07.1914. – Verhandelt: Vettelschoß, den 4ten Juli 1914. Anwesend: Sämtliche Mitglieder, ferner als Vertreter des Herrn Landrats (Dr. Kurt von Elbe), Herr (?), von Bar, Herr Hattingen, Mitglied des Kreisausschusses sowie Rechtsanwalt Herr Dr. Hillebrand. – In heutiger Sitzung, zu welcher die Mitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung rechtzeitig durch Einladung vom 02.07.14 mit verkürzter Frist eingeladen worden sind, wird folgendes verhandelt und beschlossen: „Die Gemeinde-Vertretung nimmt Kenntnis von den Verpachtungsbedingungen betr. Geisen- und Türkenhügel. Die Gemeindevertretung ist z.Zt. damit einverstanden, daß die Bedingungen in der abgeänderten Form der öffentlichen Ausschreibung zu Grunde gelegt werden. Sie werden den Reflektanten (Interessenten), die bereits die Bedingungen eingefordert haben, per Einschreibbrief mitgeteilt.“ – v.g.u. (vorgelesen, genehmigt und unterschrieben) – Heffels, von Bar, Hattingen, Hüngsberg, J. Buchholz, Schmitz, Buchholz Hch.,Kurtenbach V.(5.), Krautscheid, Dr. Hillebrand. 

  26. 26.Protokoll des Kirchenvorstandes von Neustadt vom 02.09.1894. 

  27. 27.Zusammenstellung der Ortschaften, welche zu der selbständigen Filialgemeinde Vettelschoß gehören sollten. 

  28. 28.Erklärung vom 12.09.1894. 

  29. 29.Widersprüche gegen die Angliederung an Vettelschoß (Dinkelbach, 12.08.1894). 

  30. 30.Widersprüche gegen die Angliederung an Vettelschoß (Rott, 13.08.1894). 

  31. 31.Die erste Kirche und das Pfarrhaus in Vettelschoß. 

  32. 32.Die Handzeichnung vom 07.03.1905. 

  33. 33.Die St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß. Sie war bereits auf der aus dem Jahr 1550 stammenden Dekanatskarte von Engers verzeichnet. Nach den schweren Beschädigungen durch den „Beschuss“ im Zweiten Weltkrieg wurde sie 1945/1946 abgerissen. Auf dem unteren Bild ist rechts das Objekt von Josef Buchholz („Wönisch-Jupp“) in Vettelschoß (Hauptstraße 23) zu sehen, in dem der erste eigenständige Pastor von Vettelschoß, Pfarrvikar Johann Peter Klöckner, so lange wohnte, bis er in das neue Pfarrhaus ziehen konnte. Auf dem Bild markierte der Seelsorger seine vorläufige Bleibe am Haus vom „Wönisch-Jupp“ in Vettelschoß. 

  34. 34.Pfarrer Johann Peter Klöckner in Oberfell. 

  35. 35.Der Pfarrer Johann Peter Klöckner ist in Oberfell nicht vergessen. 

  36. 36.Mit dem Bau der heutigen Pfarrkirche St. Margaretha oder St. Margarita in Neustadt war im April 1869 begonnen worden. Wegen des „Kulturkampfes“ unterblieb die „feierliche Konsekrierung, sondern das Gotteshaus wurde zunächst nur eingesegnet (Juli 1873)“. – Der Bau des „Pastoratshauses“ in der „weyeraw“ erfolgte unter Pfarrer Johann Enzweiler (1889 – 1893) und war 1891 fertiggestellt. „Ringsumgeben von dem Fischweiher, der später zugeschüttet wurde, machte es durch seine Lage den Eindruck einer Wasserburg, zu der von der Seite des heutigen Vereinshauses ‚Koburg‘ her der Zugang nur über einer – nachts immer hochgezogenen Zugbrücke – möglich war.“ – Der seinerzeitige (1912) Kaplan in Neustadt, J. Ferres, schrieb seinem Freund, Subdiakon Johann („Joh“) Weilerbach, seinerzeit im Priester-Seminar in Trier: „Allerdings wünsche ich Dir eine bessere Stelle, wie ich sie gefunden. ... Aber es ist schön, wenn auch beschwerlich in Neustadt. Ist das kein herrlicher Landsitz, das Pfarrhaus?“ 

  37. 37.Der Brief des Bischöflichen Generalvikariats in Trier vom 19.02.1913 an Pfarrer Paul Josef Scholten in Neustadt. 

  38. 38.Der Brief des „Der Regierungs = Präsident Coblenz vom 2. Mai 1913“ an das Bischöfliche Generalvikariat in Trier mit der Abschrift des Antrags der Bewohner des Dorfes Rotterheide und Unterelsaff vom 10. April 1913. 

  39. 39.Abschrift des Antrags der Bewohner des Dorfes Rotterheide und Unterelsaff vom 10. April 1913. 

  40. 40.Die Verhandlungsniederschrift vom 20. April 1920, die von Pfarrvikar Isermann und dem Rechnungsrevisor Ballof unterzeichnet wurde. 

  41. 41.Das Schreiben von Pfarrer Scholten an Trier vom 18.12.1920. 

  42. 42.Die Antwort des Generalvikariats an Scholten vom 23.12.1920. 

  43. 43.Brief von Pfarrer Scholten an Trier. Antwort auf das Schreiben des Generalvikariats vom 23.12.1920. 

  44. 44.Das Schreiben von Pfarrer Scholten an Trier vom 27.12.1920. 

  45. 45.Trier forderte am 02.01.1921 Pfarrvikar Isermann auf, sich zu den Vorwürfen von Pfarrer Scholten zu äußern. Die Antwort von Isermann vom 13.01.1921 ist beigefügt. 

  46. 46.Das Schreiben von Pfarrer Scholten an Trier vom 29.01.1921. 

  47. 47.Auszug über die Sitzung des Kirchen-Vorstandes der katholischen Pfarrei Neustadt vom 09.11.1921. 

  48. 48.Auszug aus dem Protokoll der „Sitzung der Gemeinde-Vertretung der katholischen Pfarrei Neustadt vom 13.11.1921“. 

  49. 49.Urkunde vom 30.06.1925 des Bischofs Franz Rudolf Bornewasser von Trier (1922 – 1951), dass Vettelschoß ab 1. August 1925 zur „Kapellengemeinde mit eigener Vermögensverwaltung“ erhoben wurde. Bischof Franz Rudolf Bornewasser (* 12.03.1866 in Radevormwald, † 20.12.1951 in Trier) verlieh Papst Pius XII. (1939 – 1958) am 04.01.1944 den persönlichen Titel eines Erzbischofs. 

  50. 50.Der Brief des Kirchenvorstands Vettelschoß vom 01.12.1929 an das Bischöfliche Generalvikariat in Trier. 

  51. 51.Das war die erste Kirche bzw. Pfarrkirche in Vettelschoß. 

 

 

Bildnachweis:

 

  1. 1.Dieter Runkel, Dattenberg. 

  2. 2.Schwester Hildegardis, Nonnenwerth. 

  3. 3.Abtei Himmerod. 

  4. 4.H.H. Mohr, Bad Tölz. 

  5. 5.Ansichtskarte, ungelaufen (1924). 

  6. 6.Zisterzienserabtei (Bibliothek) Marienstatt. 

  7. 7.Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg. 

  8. 8.Vermessungs- und Katasteramt Neuwied. 

  9. 9.H.H. Mohr, Bad Tölz. 

  10. 10.H.H. Mohr, Bad Tölz. 

  11. 11.Aus „1229 – 1929 700 Jahre Neustadt-Wied ein Fest- u. Heimatbuch“. 

  12. 12.Stadtarchiv in Linz. 

  13. 13.Matthias Ewenz, Linz. 

  14. 14.Gertaliese Albers geb. Manns, Vettelschoß. 

  15. 15.Elmar Freiherr von Geyr, Niederkassel. 

  16. 16.Tohma (Internet). 

  17. 17.Elisabeth Kretz geb. Steffen, Vettelschoß. 

  18. 18.Matthias Ewenz, Linz. 

  19. 19.Anton Lahr, Gerhardshahn. 

  20. 20.Matthias Ewenz, Linz. 

  21. 21.Helga Nelles geb. Hecken, Vettelschoß. 

  22. 22.Bistumsarchiv in Trier. 

  23. 23.Marga Kretz geb. Esch, Bonn. 

  24. 24.Stadtarchiv in Linz. 

  25. 25.Stadtarchiv in Linz. 

  26. 26.Bistumsarchiv in Trier. 

  27. 27.Bistumsarchiv in Trier. 

  28. 28.Bistumsarchiv in Trier. 

  29. 29.Bistumsarchiv in Trier. 

  30. 30.Bistumsarchiv in Trier. 

  31. 31.Margret Herschbach geborene Langenbahn, Heimbach-Weis. 

  32. 32.Bistumsarchiv in Trier. 

  33. 33.Matthias Ewenz, Linz. 

  34. 34.Gemeinde Oberfell. 

  35. 35.Gemeinde Oberfell. 

  36. 36.Ansichtskarte, gelaufen, abgestempelt am 31.12.1912 in Neustadt (Wied). 

  37. 37.Bistumsarchiv in Trier. 

  38. 38.Bistumsarchiv in Trier. 

  39. 39.Bistumsarchiv in Trier. 

  40. 40.Bistumsarchiv in Trier. 

  41. 41.Bistumsarchiv in Trier. 

  42. 42.Bistumsarchiv in Trier. 

  43. 43.Bistumsarchiv in Trier. 

  44. 44.Bistumsarchiv in Trier. 

  45. 45.Bistumsarchiv in Trier. 

  46. 46.Bistumsarchiv in Trier. 

  47. 47.Bistumsarchiv in Trier. 

  48. 48.Bistumsarchiv in Trier. 

  49. 49.Bistumsarchiv in Trier. 

  50. 50.Bistumsarchiv in Trier. 

  51. 51.Franz-Heinrich Schäfer, Oberelsaff. 

 

 


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