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Vor 65 Jahren – Der Krieg war aus

 

Das Gemeindegebiet von Vettelschoß glich einem Trümmerfeld.

Der „Beschuss“ hatte 70 – 72 % der Wohn- und Wirtschaftsgebäude zerstört.

 

Von H. H. Mohr

 

Nahe Oberwillscheid – Erster Flugzeugabsturz

in der Bürgermeisterei Neustadt

 

In der klaren, lauen und jungen Johannisnacht (vom 24. auf den 25. Juni) des Jahres 1943 bekam die Bürgerschaft der Gemeinde Vettelschoß erstmals den Zweiten Weltkrieg aus nächster Nähe zu sehen und zu spüren, der von da an auch die abgelegenen Weiler mit Tod und Schrecken nicht mehr verschonte und unaufhaltsam in sein apokalyptisches Ende schlitterte. Zum Anfachen eines Johannisfeuers zur Bekämpfung oder Abwehr der unerbetenen Geister war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät.

Das vermeintliche und ungewöhnliche „Donnergrollen“ in einer für kurze Zeit taghell erleuchteten Nacht riss viele Einwohner aus dem ersten Schlaf, als kurz danach „Am/Im Strang“ (= schmaler Streifen eines früheren Ackerbeetes – 1829 nannte man diese Flur „im Perskürfig“ = Pferde-Käfig ? Pferdekoppel) – zwischen „Krüzbaach“ (Kreuzbach) und „Hof-Feld“ („Hoffeld“ = hochgelegenes bzw. einst zum „Kanoniehof“ in „Wyllenscheidt“ bzw. zum „Willscheider Hof“ in Willscheid gehörendes Feld) – nahe Oberwillscheid ein britischer Bomber brennend abstürzte und nach einem dumpfen Knall nach dem Aufprall im angrenzenden Buchenwald explosionsartig in Flammen aufging.

Nach einem erbitterten Luftkampf war die feindliche Maschine „Stirling“ am 25.06.1943 um 01.50 Uhr von dem deutschen Piloten und Unteroffizier Hubatsch (5. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 5 = 5. NJG 5) abgeschossen („2 km E. = East bzw. ostwärts Kalenborn, 4,800 m, 01.50 Uhr“) worden. Uffz. Hubatsch soll vom Fliegerhorst Erfurt-Bindersheim aus gestartet und auch dort stationiert gewesen sein.

Eine Bestückung dieses deutschen Flugzeuges (D 217 N oder Ju 88 C) mit der Waffentechnik „Schräge Musik“ oder „Schräge Nachtmusik“ – die Maschinengewehre oder Maschinenkanonen waren schräg nach vorn oben gerichtet und in Nachtjäger eingebaut – dürfte um diese Zeit noch nicht der Fall gewesen sein, obwohl im Juni 1943 die Modifikation mit der neuen „Nachtjägerwaffe“ eigentlich beendet gewesen sein sollte. Es wurden vier bzw. zwei 20-mm-Kanonen des Typs MG 151/20 in schräger Anordnung im Rumpf hinter dem Cockpit eingebaut. Mit dieser Waffentechnik – sie blieb bis Ende 1943 von den Alliierten unbemerkt – sollten englische Nachtbomber, die keinen nach unten wirkenden Waffenstand aufwiesen, in Brand geschossen (abgeschossen) werden, ohne eine eigene Gefährdung eingehen zu müssen.

Die Crew des britischen viermotorigen Bombers vom Typ „Stirling“ (Ha-U ZM 263) von der 218. Schwadron bestand aus acht Soldaten. Fünf konnten nur noch tot geborgen werden. Die verstümmelten Leichen fanden zunächst auf dem heutigen (alten) Friedhof in Vettelschoß „ovve janz reechs“ (oben ganz rechts) in aller Stille eine vorübergehende Begräbnisstätte.

Schließlich wurden die sterblichen Überreste der Tommys am 07.06.1947 auf den britischen Soldatenfriedhof in Rheinberg überführt. Zwei der Soldaten konnten erst im Zuge der Umbettung eindeutig identifiziert werden.

Der Bomber war auf dem Rückflug nach Großbritannien. Er hatte Elberfeld bzw. Wuppertal bombardiert und seine todbringende und zerstörerische Fracht über den Hallen der Farbenfabrik Bayer AG. abgeladen. 1

Abgeflogen war die Maschine in der Stadt Downham Market (Norfolk) in England. Sie stand unter dem Kommando des 31jährigen Luftwaffenmajors und Geschwader- oder Staffelführers (Squadron-Leader) A. Beck.

Nach Auskunft der Commonwealth War Graves Commission, Maidenhead, fanden die Besatzungsmitglieder Beck, Pilot Johnson, Kopilot Barret, Navigator Flynn, Funker und Bombenschütze Hopkins den Tod. Und Air Historical Branch in London teilte mit, dass der MG-Schütze Quigley in Kretzhaus in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten sei. Der Flugingenieur Garbett und der zweite MG-Schütze Nuttal galten zunächst als vermisst.

Um einen dieser Soldaten muss es sich gehandelt haben, dessen fragmentarische Leiche später im Kornfeld auf dem „Hof-Feld“ („Hoffeld“) und im benachbarten Waldgebiet gefunden wurde. Erst Anfang der 1950er Jahre fanden Bürger, die nach Altmetall suchten, im weiteren Umkreis der Absturzstelle in Willscheid/Oberwillscheid nochmals Skelettteile und einen Schädel.

Einige Beobachter des nächtlichen Luftkampfes – deutsche Abwehrflugzeuge konnte man zu dieser Zeit allenfalls nur noch sporadisch feststellen – mit den vielfach überlegenen alliierten Verbänden sind nach wie vor der Ansicht, dass der Abschuss des englischen Flugzeugs durch den deutschen Nachtjäger zwischen dem Elsafftal und Vettelschoß geschah und die brennende Maschine schon über Vettelschoß abzustürzen drohte.

Zeitzeugen vom Seiferhof, aus Willscheid, Oberwillscheid und Kalenborn erklärten auf Befragen, den dumpfen Aufschlag und die blitzartige Explosion im Hang am Kreuzbach (auf Willscheider Seite, aber nahe Oberwillscheid) noch so gut in Erinnerung zu haben, als hätte sich das schreckliche Ereignis erst gestern zugetragen.

Die wenigen Betrachter dieses Flugzeugabsturzes im Jahre 1943, die noch am Leben sind, befassen sich nach wie vor mit der schwierigen Frage, konnten die Flugzeugführer den Absturz ihrer Maschine bis zuletzt beeinflussen und hatten sie vielleicht ihr Leben und das ihrer Kameraden aufs Spiel gesetzt, um eine Katastro­phe in Wohngebieten und unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden?

Andere vermuten, dass die Piloten verzweifelt nach einem geeigneten Platz für eine Notlandung gesucht und das „Hof-Feld“ angepeilt, sich aber wegen des davor liegenden Waldes verschätzt hatten. Es kann aber auch sein, dass durch den Abschuss die Hydraulik beschädigt wurde und versagte, die Flugzeug-Türen sich nicht mehr öffnen ließen und die gesamte Flugzeugbesatzung dadurch überhaupt keine Chance zum rechtzeitigen Absprung hatte.

Ehemalige Berufsschüler aus Vettelschoß, die seinerzeit zu Fuß oder mit den Fahrrädern auf dem Weg zur Kalenborner Schule (der „Landwirtschaftlichen Berufsschule“ für die Schulbezirke Kalenborn, Lorscheid, St. Katharinen und Vettelschoß) waren, berichteten, dass mindestens zwei Tage lang mehrere Särge (fünf oder sechs) am Straßenrand in Oberwillscheid standen und auf den Abtransport zum Friedhof nach Vettelschoß warteten, was ihnen unerklärlich vorkam. Aber vermutlich suchte man noch Tage nach weiteren Leichen!

Der damalige Berufsschullehrer in Kalenborn hieß Egidius Bieger. Er war gleichzeitig auch der Volksschullehrer in Kalenborn (01.12.1933 bis 01.11.1950) und zeitweise zusätzlich für die Volksschule in Hallerbach zuständig. 2

Den Brand- und Kerosingeruch vernahm man in Oberwillscheid/Kalenborn noch nach Monaten. Mehrere Jahre danach war die Absturzstelle in der Böschung durch den umgeschlagenen und verbrannten Baumbestand (Kahlschlag) von der Straße in Oberwillscheid aus immer noch erkennbar und alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Vettelschoß wussten, was sich dort am Johannistag des Jahres 1943 ereignet hatte.

Wer von den älteren Bürgerinnen und Bürgern diese Senke am Kreuzbach von oder nach Willscheid/Oberwillscheid passiert, wird unwillkürlich an diesen Flugzeugabsturz vor fast 67 Jahren mit den vielen Toten erinnert!

Insbesondere nach der Währungsreform (21.06.1948) wurde im rasch nachgewachsenen Gestrüpp bei Oberwillscheid – dort, wo der viermotorige „Stirling“-Bomber abgestürzt und ausgebrannt war – nach Kupfer- und Aluminiumteilen zum Verkauf für ein paar Groschen an Altwarenhändlern gesucht und das Gelände (einen guten Steinwurf vom Haus des Josef Homscheid entfernt – den der Volksmund „Büsjüppche“ nannte – und dem einstigen und langjährigen legendären Gemeindediener der Gemeinde Vettelschoß) regelrecht manuell mit leichten Gartengeräten „umgepflügt“. Es konnten neben den spärlichen Edelmetall-Trümmern auch noch Uniform- und Fallschirm-Reste, Knöpfe, Gummiteile und Schnallen zu Tage gefördert werden, die von den „Schatzsuchern“ wie Souvenirs behandelt wurden.

 

Absturz in Rott – Besatzung geriet in Gefangenschaft

 

Am 24.02.1944 um 14.10 Uhr stürzte ein viermotoriger amerikanischer Bomber vom Typ B 17 (Flying Fortress) der 445. Bomb Group – nach einem Luftkampf über dem Wied-Tal mit einem deutschen Jäger – in Rott in der Flur „Katzewasem“ ab. Die zehnköpfige Besatzung löste rechtzeitig die Fallschirme aus, landete in der oder um Anxbach und kam mit relativ leichten Verletzungen in deutsche Kriegsgefangenschaft.

Nach einer anderen Version handelte es sich bei dem Absturz „zwischen Rott und Strödt, 2 Meilen südöstlich von Vettelschoß an der Straße von Linz/Rhein nach Asbach“ um einen B 24-Bomber mit der Seriennummer 42-100334 von der 392. Bomb Group/577. Bomb Squadron. Die Mannschaft der Yankees bestand aus dem Piloten Lieutenant (= Lt.) Marvin Schlossberg, dem Co-Piloten Lt. Belden Blake, dem Navigator Lt. John Bender, dem Bombenschützen Lt. Eino Ranta, dem Ingenieur Sgt. (= Sergeant = Feldwebel) Albert Cooke, dem Funker Sgt. Robert Williams und den Schützen Sgt. Ralph Bailey, Sgt. David Overton, Sgt. James Allen sowie Sgt. Philipp Sexton.

Alle Besatzungsmitglieder kamen in deutsche Kriegsgefangenschaft. „Es weiß nur keiner wo? Selbst die Historiker der 392. Bomb Group können nicht weiterhelfen und erhoffen sich Aufklärung durch deutsche Hobbyforscher.“

Beim Luftangriff unter dem Einsatzbefehl „Big Week“ der 8. Air Force auf kriegswichtige Industrieanlagen in Gotha (B 24 Bomber) und Schweinfurt (B 17 Bomber) am 24.02.1944 wurden 33 amerikanische Bomber vom Typ B 24 (Liberator) von der ehemaligen deutschen Luftwaffe abgeschossen oder zum Absturz gebracht. Vermutlich spielte bei diesen Abschüssen schon der Einsatz der Waffentechnik „Schräge Musik“ eine Rolle!

Diese alliierten Bomberverbände hatten mehr oder weniger die gleichen An- und Abflugrouten. Als Ziele galten in Gotha vor allem die Waggonfabrik und die Maschinenbau-Fabrikationsstätten, die schweren Schaden nahmen. In Schweinfurt wurde die Eisen-, Stahl- und Maschinenindustrie zur Kugellager-Herstellung gezielt bombardiert. Die abgeschossenen „Ami-Bomber“ befanden sich an diesem Tage zwischen 14.00 und 15.00 Uhr auf dem Rückflug zu den Ausgangsflughäfen in Großbritannien.

 

Die Flucht aus dem Krankenhaus misslang

 

Bei dem Absturz des amerikanischen Begleitjägers P 51 (Mustang) von der 357ten Fighter Group am 24.02.1944 gegen 14.35 Uhr in der Gemarkung Steinshardt/Anxbachtal handelte es sich um die Maschine von 2nd Lieutenant Don Robert Rice, der mit einem Beinbruch ins Neuwieder Lazarett gebracht wurde und dort einen Fluchtversuch unternahm, der jedoch scheiterte.

 

Nach Maschinenschaden abgestürzt

 

Ein deutsches Flugzeug vom Typ Me 110 G-2 stürzte um die Mittagszeit am 19.04.1944 etwa südlich von Strauscheid ab. Die Absturzursache war ein Maschinenschaden an dem in Mainz-Finthen gestarteten Flugzeug der 9. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 5.

Der Pilot, Obergefreiter Robert Langenborn, saß tot und noch angeschnallt im Cockpit, während sein Begleiter, Klaus Riemenschnitter, mit seinem Fallschirm in zwei Tannen hängen geblieben war. Strauscheider Bürger befreiten ihn aus seiner misslichen und hilflosen Lage und sorgten für seine Einlieferung ins Neuwieder Krankenhaus.

Schon kurz nach den Kriegswirren 1945 fühlte sich Klaus Riemenschnitter zum katholischen Geistlichen berufen. Er studierte Theologie und wurde Seelsorger innerhalb des Bistums Trier. Den Strauscheidern stattete er nachher des öfteren Besuche ab. 1977 ist Klaus Riemenschnitter in Neunkirchen an der Saar verstorben.

 

Besatzung aus Flugzeugkanzel geschleudert

 

Wahrscheinlich am späten Abend des 25.08.1944 stürzte ein zweimotoriges amerikanisches Flugzeug westlich der Autobahn zwischen der Wied-Tal-Brücke und Ammerich ab. Die Maschine hatte es offensichtlich auf deutsche Militärfahrzeuge abgesehen, die die Autobahn Köln – Frankfurt passierten und im Tiefflug angegriffen. Dabei kam das Flugzeug schließlich mit den an der Autobahn stehenden Bäumen in Berührung und stürzte ab. Beide GIs waren aus der Flugzeugkanzel geschleudert worden und fanden den Tod.

Bei diesen amerikanischen Aktionen kam ein deutscher Hauptmann ums Leben, der wahrscheinlich im Rahmen der befohlenen so genannten „Offiziersaufklärung“ entlang der seinerzeitigen Reichsautobahn bis in Höhe des Brückenkopfes Remagen unterwegs war.

 

Schwerverletzt auf einem Hausdach gelandet

 

Noch kurz vor Kriegsende – der Zweite Weltkrieg endete in diesem Teil des Amtsbezirks von Neustadt erst am 25.03.1945 – ereignete sich der Absturz eines amerikanischen Jagdflugzeuges (vom Typ P 47 = Thunderbolt bzw. auch Warthog = Warzenschwein genannt) in Vogtslag. Es war von der in Niederetscheid stationierten deutschen leichten Flak abgeschossen worden. Der Amerikaner landete mit seinem Fallschirm schwerverletzt auf einem Hausdach.

1944/1945 waren in Dattenberg indische Staatsbürger interniert, die vorgeblich in englischen Uniformen den Absturz einer britischen Militärmaschine im Westerwald überlebt hatten. Die Inder wurden von den Deutschen bevorzugt behandelt und aus der Küche (Baracke gegenüber der früheren „Gastwirtschaft Kretzhaus“, Notscheider Straße 1) für Zwangsarbeiter und Internierte in Kalenborn/Kretzhaus befehlsgemäß vorrangig verpflegt.

 

 

 

„Diese Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert!“

 

Mit der „im Handstreich“ von den Amerikanern am späten Nachmittag „kurz vor 16.00 Uhr“ des 07.03.1945 eroberten, strategisch wichtigen und vielfach gesicherten Ludendorff-Brücke, die 1945 als die „Brücke von Remagen“ in die Geschichte einging, verlagerte sich das Frontgebiet auf die Linzer Höhe (Lorscheid, Notscheid, Kretzhaus, Kalenborn) und hinterließ unsägliches Leid mit verheerenden Zerstörungen bzw. unübersehbaren Trümmerhaufen.

Der amerikanische Soldat Alex Drabik unter dem Kommando von Karl H. Timmermann – Lieutenant (Leutnant) und Sohn einer deutschen Mutter – gilt als der erste Amerikaner, der nach einem mutigen Vorstoß die 325 m lange und 29,25 m hohe Brücke überquerte, um rechtsrheinischen Boden („De schäl Sick“) zu betreten.

Die einstige Ludendorff-Brücke – eine imposante Stahlkonstruktion mit zwei Eisenbahngleisen und beidseitigem Fußpfad, von 1916 bis 1918 nach den Plänen des Mannheimer Architekten Karl Wiener (* 12.05.1879 in Burtscheid/Aachen, † 1928 in Mannheim) erbaut, um schnell und verstärkt Mannschaft und Kriegsgerät während des Ersten Weltkrieges an die Westfront zu verlegen – ist schließlich am 17.03.1945 kurz nach 15.00 Uhr wegen Überlastung durch amerikanisches Militär zusammengebrochen und ließ 28 Pionier-Soldaten mit ihrem Pulk in den Rhein und in den Tod stürzen.

Aus amerikanischer Sicht soll die Einnahme der Remagener Brücke das Leben von 5.000 GIs gerettet, zur Gefangennahme von 300.000 deutschen Landsern geführt und den Zweiten Weltkrieg zwar nicht entschieden, aber wesentlich verkürzt haben.

„Diese Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert!“ soll General Dwight David Eisenhower (auch „Ike“ genannt), der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in West-Europa, ausgerufen haben. Er befehligte nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht (08.05.1945) die amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland und war von 1953 bis 1961 der 34. Präsident der USA.

Die Ludendorff-Brücke hatte den Zweiten Weltkrieg ohne Berücksichtigung der dort lebenden Bevölkerung nach Erpel und Remagen gebracht und nicht nur die feindlichen Flugzeuge förmlich angezogen, sondern auch das Umfeld zum Kriegsschauplatz werden lassen, sodass beide Städte schwer beschädigt wurden.

Tagsüber standen in den Eisenbahntunnels zwischen Neustadt und Altenkirchen schwer beladene Munitionszüge, die abends/nachts insbesondere den Kalenborner Bahnhof ansteuerten, aber vereinzelt auch aus taktischen Gründen den in Vettelschoß als Ziel hatten, um von Kriegsgefangenen und deutschen Soldaten mit Militärfahrzeugen entladen zu werden.

Die brisante Fracht wurde in der Regel in den für Unbefugte komplett gesperrten „Erpeler Bösch“ verfrachtet und dort auch deponiert. Vieles galt als Nachschub bzw. zur Aufrüstung der so genannten Vergeltungswaffen (V1 + V2) und zur Sicherung der „Remagener Brücke“ in Erpel/Remagen.

Im „Erpeler Bösch“ wurde noch immer en masse Kriegsgerät und Munition gelagert, als der Zweite Weltkrieg schon längst in sein apokalyptisches Ende gegangen war.

 

Lebendige Erinnerungen

 

Am „Gertrudentag“, Samstag, 17.03.1945, in den frühen Morgenstunden nahmen die Amerikaner als Besatzungsmacht das durch den „Beschuss“ zwischen 70 – 72 % an Wohn- und Wirtschaftsgebäuden zerstörte Vettelschoß ein. Der Militär-Tross hatte sich von Vierwinden über Hallerbach gewälzt und Willscheid überrannt. Das Gemeindegebiet von Vettelschoß glich einem unübersichtlichen Trümmerfeld. 3

Tags zuvor (Freitag, 16.03.1945) hatten die GIs das restliche Kalenborn eingenommen und der verängstigten Bürgerschaft auch dort eine baldige Befreiung aus ihren Verliesen (Kellern und Bunkern) in Aussicht gestellt. Damit gehörte für diesen Teil des vorderen Westerwaldes – nach schweren und verlustreichen Kampfhandlungen – der am 01.09.1939 um 04.45 Uhr mit dem Überfall auf Polen begonnene Zweite Weltkrieg bereits zur Geschichte.

Mit der überraschenden und fast kampflosen Eroberung der strategisch wichtigen, schwer gesicherten und umkämpften Ludendorff-Brücke (Erpel/Remagen) durch die 9. Panzerdivision der Amerikaner am 07.03.1945 hatte sich das Frontgebiet auf die „Linzerhöhe“ (Linzer Höhe) verlagert und hinterließ unsägliches Leid mit verheerenden Zerstörungen.

Von der deutschen Wehrmacht war in der Endphase des Zweiten Weltkrieges mit konzentrierten und verlustreichen Aktionen vergeblich versucht worden, die verminte „Erpeler“ oder „Remagener“ Brücke zum Einsturz zu bringen. Es kamen dabei Marineeinheiten mit speziellen Kampf-Geräten und Waffen (Kampfschwimmer, Treibminen), die Artillerie mit Sperrfeuer-Salven, Fallschirmjäger mit Minen und Handfeuerwaffen sowie Flugzeuge mit Bordwaffen und Bomben zum Einsatz.

Eine Beschießung der Ludendorff-Brücke mit den gefürchteten deutschen V1- und V2-Raketen galt lange als unbestätigt. – Nach einem Beitrag (RZ vom 23.03.2007) meinen Zeitzeugen, Heimatforscher und Historiker: „Unter Gruppe Nord waren die Einheiten in den Niederlanden zusammengefasst; diese richteten die Abschuss-Tische der (V2) Raketen – in der Wehrmacht auch A 4 oder Gerät genannt – am 17. März (1945) im holländischen Hellendoorn auch auf die Brücke von Remagen, die den Amerikanern zehn Tage zuvor in die Hände gefallen war. Zehn der elf abgefeuerten V2 erreichten Remagen und Umgebung, konnten die Brücke jedoch nicht zerstören. Denn die Genauigkeit der Rakete, die eine Gipfelhöhe von 80 Kilometern hatte, war mit einer Streuung von zehn Kilometern mehr als gering.“

Der Fußgänger-Steg neben den zwei Eisenbahngleisen der Ludendorff-Brücke wurde von den Bewohnern und Wallfahrern der rechten Rhein-Seite („De schäl Sick“) nicht selten als „Pilger-Pfad“ genutzt, um anlässlich der jährlichen Apollinariswallfahrt (23.07.) auf den Apollinarisberg und zur Apollinariskirche in Remagen zu gelangen. 4

 

Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter als „Ersatz-Arbeitskräfte“

und die ersten Gefallenen-Meldungen

 

Nach Kriegsbeginn und der Geschichte von Papa „Staat“ und Mama „Sorge“ intensivierten sich die Einberufungen der wehrdiensttauglichen Männer (Väter und Söhne), die dringend zum Fronteinsatz benötigt wurden.

Für das in der Basaltindustrie und in der Landwirtschaft fehlende Arbeitspotenzial trafen 1940/1941 die ersten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter (Franzosen, Polen, Russen, Ukrainer) als „Ersatz-Arbeitskräfte“ im Gemeindegebiet von Vettelschoß ein. Sie waren zentral in Kalenborn/Kretzhaus untergebracht und wurden täglich zu ihren zugeteilten Arbeitsplätzen gebracht.

Der allgemeine Lebensmitteleinkauf war schon um diese Zeit nur noch mit monatlich zugeteilten Lebensmittelmarken oder -karten möglich.

Im Herbst (September) 1939 hatte man in der Nähe der Verladerampe („Am Rampen“) der Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG) in Kalenborn eine Scheinwerfer-Abteilung postiert, die wieder abgezogen wurde, nachdem ein Werfer verbrannt und ausgefallen war.

Bereits Anfang Dezember 1939 quartierte sich in Kalenborn eine berittene deutsche Feldartillerie-Batterie ein. Fast jede Familie bekam 1 bis 2 Soldaten zugeteilt, die liebevolle Aufnahme fanden und gut beköstigt wurden. Überall sah man Soldaten und Pferde, die das Dorfbild bis Anfang Februar 1940 prägten.

Danach verlegte ein Infanterie-Regiment in Kompaniestärke nach Kalenborn. Auch die Infanteristen fühlten sich in den Familien gut aufgehoben und bestens versorgt, obwohl eine Feldküche bereitstand, die von den Einheimischen nur bestaunt wurde. Doch durch die um diese Jahreszeit allgemein üblichen Hausschlachtungen blieb die „Gulaschkanone“ meistens kalt. Nach einer Woche erfolgte die Abberufung an den Westwall und ein anderes Infanterie-Regiment kam zur „Erholung“ nach Kalenborn. Auch diese Soldaten blieben nur für eine kurze Zeit.

Anfang 1940 stationierte man auf dem Asberg eine kleine Luftwaffeneinheit mit dem Auftrag, durch „Laternen“ die Flugzeuge der Alliierten in die Irre zu führen und zum Bombenabwurf zu animieren, um die Städte vor einem Bombardement zu schonen und zu schützen. Nur einmal sollen Flieger auf diese List hereingefallen sein. Sieben Bomben verirrten sich im „Erpeler Bösch“ (Erpeler Kirchen-Wald). Nach wenigen Monaten zog man die Soldaten wieder ab und der „Scheinflughafen“ blieb verwaist.

Noch vor Beginn des „Frankreichfeldzuges“ (der deutsche Angriff auf die Militärflughäfen in Belgien, Frankreich und Holland am 10.05.1940) lagerte „In der Hähn“ – im Wald auf dem Weg zum „Wellschenderbirch“ (Willscheiderberg) – eine deutsche berittene Artillerieeinheit. Die Pferde waren in den Stallungen der Bauersleute in Vettelschoß untergestellt. Eine Feld-Schmiede befand sich in einem Schuppen auf dem Anwesen von Heinrich Prangenberg („Posshein“) in der Michaelstraße 21 in Vettelschoß.

Später wurde diese Einheit „In der Hähn“ oder „In den Hähnen“ bzw. „Auf dem Fuckenhohn“ in Vettelschoß von einer motorisierten Batterie abgelöst. 1944/1945 hatte man dort für kurze Zeit deutsche Geschütze und Militärfahrzeuge abgestellt, die mit Netzen und abgeschlagenem Buschwerk getarnt waren. 5

Schon im Sommer/Herbst 1941 trafen in Kalenborn und Willscheid die ersten Gefallenen-Meldungen von der Ostfront ein. Die ersten traurigen Nachrichten erreichten Mittel- und Oberelsaff im Juni/Juli 1941 und Kalenborn und Vettelschoß im August/September/Oktober 1941.

Doch schon am 08.06.1940 war Willi Rüddel (* 22.12.1914 in Vettelschoß) – kaum einen Monat nach dem Überfall auf Frankreich – in den Kämpfen um die Stadt Soissons gefallen. Er war der jüngste Bruder von Johann Rüddel, dem seinerzeitigen und den Nationalsozialisten genehmen Bürgermeister der Gemeinde Vettelschoß. 6

In den Sommermonaten des Jahres 1942 begannen die „Landverschickungen“ von Kindern, die wegen der Fliegerangriffe an Rhein und Ruhr gefährdet schienen oder bereits ausgebombt waren. Schulpflichtige Kinder aus Koblenz, Duisburg und Hamborn fanden freundliche Aufnahme in verschiedenen Familien im Gemeindegebiet und in den Schulen von Kalenborn und Vettelschoß.

Von den heimischen Schulkindern wurden im August 1942 die ersten von alliierten Flugzeugen abgeworfenen „Brandblättchen“ eingesammelt. Einige erntereife Getreidefelder der Kleinbauern in der Gemeinde Vettelschoß hatten zwar Feuer gefangen, doch nennenswerte Schäden waren dadurch nicht verursacht worden.

Das Schuldach in Kalenborn erhielt am 09.09.1942 eine Sirene. Der Bau von Luftschutzkellern und -bunkern wurde zum „Bürgerproblem“ erklärt und forciert. Die Fenster der Wohnungen mussten verdunkelt werden. Entsprechende Kontrollen in Kalenborn führte Lehrer Egidius Bieger als Leiter des Luftschutzbundes und seine älteren Schulkinder durch. In Vettelschoß war es Josef Menzenbach („Jöngche“/„Jüngche“) aus der Kau und einige Schulkinder aus der achten Volksschulklasse.

 

Luftschutzkeller und Bunker

 

Die meisten Bürgerinnen und Bürger zusammen mit den Evakuierten in der Gemeinde Vettelschoß erlebten das Kriegsende 1945 in Kellern, die nicht selten mit Eisenträgern oder Balken/Bohlen abgestützt und verstärkt sowie mit Sandsäcken gegen Splitter-Schutz versehen worden waren. Überall standen Eimer mit Wasser, um leichte Brände zu löschen. Auch hatte man Verbandszeug und Lebensmittelvorräte gelagert, die für 7 bis 10 Tage ausreichen sollten.

In Willscheid sicherte der alte Brunnen des Willscheider Hofes auf dem Weg nach Oberwillscheid/Kalenborn – der wahrscheinlich schon vor 1415 in Gebrauch war – das benötigte und lebenswichtige Nass. Die Wasserqualität aus der „Pötz/Pütz“ auf dem Seiferhof soll jedoch die aus Willscheid schon immer übertroffen haben.

Den Kauern standen zwei Brunnen zur Verfügung, als der Wasserhahn nicht einmal mehr tropfte. Der eine befand sich etwa 20 m links nach dem Kauer Kreuz auf dem Weg nach „Alt-Kau“ und der andere am Wohnhaus von Peter Prangenberg, der – wie sein Vater (Theis/Matthias Prangenberg) – „der Büttche" genannt wurde. Womöglich ist von ihm einmal das „Bottich-Macher-Handwerk“ (Böttcher, Büttner, Küfer oder Schäffler) ausgeübt worden.

Vettelschoß, Oberwillscheid, Kalenborn und Kretzhaus verfügten über mehrere Brunnen, die zum Teil inzwischen zugeschüttet wurden. Die Bauersleute aus Willscheid und Vettelschoß zogen es oftmals vor, das Wasser für das Vieh in Jauche-Fässern am „Türkenhügel“ („Blauen See“) zu fassen.

Neben den Kellern hatten einige Bürger in Vettelschoß die Bahnunterführung, die vom „Bungert“ auf die Wiesen der Flur „aufm Wust“ bzw. auf die „In der Farmesheck“ führte, zum Bunker ausgebaut und die Wände zusätzlich mit Sandsäcken als Splitter-Schutz verfüllt.

In diesem feuchten „Rundbau“ mit ungenügenden Sanitären- und Hygiene-Einrichtungen „kampierten“ mindestens eine Woche lang zwischen 50 bis 60 Personen (Alt und Jung mit Kind und Kegel und den Evakuierten). Einige sollen zuletzt dem Irrsinn nahe gewesen sein.

Unvergessen bleibt für die noch lebenden Zeitzeugen, dass in dieser schlimmen Zeit und während des „Beschusses“ der Pastor Friedrich (Fritz) Blanckart (er wirkte vom 29.10.1937 bis 12.04.1946 als Pfarrvikar in Vettelschoß und ist am 29.01.1986 in Niederbreisig verstorben) zumindest einmal im Bunker erschien und die hl. Kommunion austeilte.

Er war am alten Fachwerk-Bauern-Haus von Matthias Buchholz („Päntels Matthes“) „gestartet“ und hatte – im Laufschritt über den „Bungert“ und immer wieder Schutz/Deckung an und unter den Obstbäumen suchend – schließlich den Bunker (Bahnunterführung) erreicht. Seine Rückkehr ins Pfarrhaus soll unter ähnlich widrigen Umständen – aber ebenfalls unbeschadet – verlaufen sein.

Die in dem Bunker wie „Inhaftierte“ ausharrenden Bauersleute begaben sich morgens und abends – nicht selten unter Lebensgefahr – in ihre Stallungen, um das Vieh zu tränken, zu füttern und zu melken, das manchmal vor Durst und Schmerz, weil die Euter voller Milch waren, fürchterlich und erbärmlich gebrüllt haben soll.

 

Die Ursulinen in Vettelschoß

 

Pfarrvikar Friedrich (Fritz) Blanckart hatte in den Kriegswirren einige Schwestern aus dem zerbombten und vor allem „durch Brandbomben der Alliierten am 09.07.1943 zerstörten“ Ursulinenkloster in Köln nach einer Odyssee durch den Westerwald im Pfarrhaus und „Pfarrsälchen“ in Vettelschoß aufgenommen.

„Sie fanden liebevolle Aufnahme in Vettelschoß und waren von der Bürgerschaft sehr schnell integriert worden.“

In der Chronik des Ursulinenklosters Köln, Am Alten Ufer 57, steht: „... Brandbomben und Phosphorkanister hatten eine furchtbare Zerstörung verursacht. ... Nun hatten wir keine Bleibe mehr in unserem Haus. Die Schwestern, die als Küster tätig waren, blieben im Marienhospital, alle andern verließen Köln.“

„Würdige Mutter und eine Schwester fanden Aufnahme in Hersel, eine andere im Krankenhaus in Worringen. Tagsüber waren diese drei in der Domstraße. ... Die andern hatten 34 Stellen in Deutschland bei guten Schwestern, größtenteils in Ursulinenklöstern wieder ein Stücklein Heimat gefunden.“

„Zwei kleine eigene Kölner Konvente konnten sich bilden in Eschweiler, wo M. Präfektin Hildegard mit drei Schwestern ein Heim der Alexianerbrüder 7 für alte Männer übernahm, und Vettelschoß, wo uns der dortige Pfarrer Blanckart seinen Jugendsaal in eine kleine Küche, ein Wohnzimmer und einen Schlafraum umwandelte. Zunächst waren wir zu vieren dort im Westerwald.“

„Schon im Vorfrühling 1944 holten wir M. Katharina und M. Mechtildis herauf und nachdem der Feind den Westwall überschritten hatte, kam am 21.09.44 auch M. Präfektin mit ihren Schwestern und 4 alten Männern aus Eschweiler dorthin. Die Pflege der beiden kranken Schwestern übernahm M. Maria mit hingebender Liebe und Opferbereitschaft.“

„Wir waren nun ständig 11 Schwestern in Vettelschoß und hatten häufig die andern als Gäste bei uns, die sich in der Ruhe und Einsamkeit der Berge und den fliegerlosen Nächten erholen konnten.“

„Die Schwestern machten sich im Pfarrdorf als Küster und Pfarrhelferin nützlich, gaben hier und da in den umliegenden Dörfern Seelsorgestunden und übernahmen die ambulante Krankenpflege.“

Im 350-Jahrfeier-Buch der Ursulinen in Köln von 1989 ist lediglich zu lesen (Aus einem Gespräch zwischen Sr. Frohn – eine ehemalige Lehrerin – und Sr. Angelika): „In diesem Jahr lebte ich mit 3 Mitschwestern in Vettelschoß im Westerwald. Ein hilfsbereiter Pfarrer hatte uns ein paar Wohnräume in seinem Pfarrhaus überlassen. Ich war Katechetin für einige Schulklassen im Dorf und auch für Kinder in Köln, die nicht evakuiert bei ihren Eltern geblieben waren.“

1639 kamen die ersten Ursulinen nach Köln und gründeten dort das erste deutsche Ursulinenkloster.

In einer Charakteristik von Sr. Margareta (sie wurde in Vettelschoß der „U.v.D“ genannt, weil sie im Konvent das Sagen hatte) stand folgender Satz: „Juli 1943 ging Sr. Margareta nach Vettelschoß. Dort führte sie Mütterschulungen durch und hielt Seelsorgestunden für Kinder ab.“

„Nach den Zerstörungen in Köln wurden schnellstmöglich die noch brauchbaren Gegenstände („Kücheninventar, Teller, Tassen, Gläser, Bestecke, Medikamente – meist in Klinikpackungen, Schulgardinen, Reliquiare, einige Bände des Archivs und der Schulführung, Körbe mit Sachen und Büchern aus den Zellen der Würdigen Mutter = M. Feliciana Brüll und Mater Präfektin = M. Hildegard Bahl“) auf ein Auto geladen, nach Hohn verfrachtet und im Schuppen eines Bauernhauses abgestellt, das der Kölner Architekt Buslei gemietet hatte und in dem er mit seiner Familie wohnte. Zur Begleitung fuhren vier SA-Leute in gelben Uniformen und M. Angelika und Sr. Laurentia mit.“

„Von Herrn Buslei erfuhren die Schwestern, dass der Pfarrer des Nachbarortes (Vettelschoß) seinen Pfarrsaal zur Unterstellung von Möbeln zur Verfügung zu stellen bereit sei, noch lieber aber diesen Saal zur Aufnahme von sechs älteren Schwestern einrichten wolle.“ Die Kirchengemeinde Vettelschoß zählte zu der Zeit um die 1.100 Seelen einschließlich der Evakuierten.

Die weiteren nachfolgenden Erkenntnisse stammen (zusammengefasst) aus dem Jahrbuch 1990/1991 der Erzbischöflichen Ursulinenschule (Realschule für Mädchen) in Köln, Machabäerstraße 47 – 51, mit der Überschrift:

 

„Ein kleiner Ursulinenkonvent in Vettelschoß/Westerwald

 in den Kriegsjahren 1943 – 1946“

 

Den Text verfassten handschriftlich M. (Mater/Mutter) Margareta und M. Angelika. Er gehört mit zur Chronik der Ursulinenschule Köln und trägt den Untertitel ‚Zur Schulgeschichte’:

„Die ersten Schwestern trafen am 18.07.1943 in Vettelschoß ein. Der Pfarrsaal (12 m lang und 4,25 m breit) wurde in sechs kleine Schlafzellen aufgeteilt und war am 11.08.1943 bezugsfertig. (Der Schlafraum war 6,5 m lang, der Wohnraum 2,5 m und die Küche 3 m. Von der Küchenbreite wurden etwa 1,20 m abgetrennt, teils als Garderobe, teils als Vorratsraum.)“

Die anderen Räumlichkeiten stellte der Seelsorger in seinem Pfarrhaus zur Verfügung. Im Januar 1944 konnte ein Zusatzbau als Pfarrsaal bezogen werden.

„Am 24.08.1943 brachte M. Margareta von ihrer Kölner Fahrt Mater Bernarda mit, die unsere gute Hausmutter wurde. Sie übernahm jetzt die Küche und flickte mal zuerst die armen ausgebrannten Kölner ordentlich aus. Noch viele sind im Laufe der Jahre in Vettelschoß von ihr neu eingekleidet und ausstaffiert worden.“

„Mitte September war Sr. (Schwester) Mauritia noch zu unserm kleinen Konvent gekommen, und nun waren Wäsche und Garten in besten Händen. Sie kümmerte sich auch bald wie bisher um Wasserleitung, Licht, Öfen, Ofenrohre, Keller, Speicher, Schuppen, Badezimmer und Toiletten. Herr Pastor behauptete einmal, daß sie vom kleinsten Nagel im Haus Bescheid wisse und in ihrer Sorge um all diese Dinge für ein Haus unbezahlbar sei. Nebenbei lernte sie bei M. Bernarda „die feine Küche“ und konnte in der Adventszeit beim Backen von Hexenhäuschen eine Probe ihres Könnens ablegen.“

Die Schwestern betätigten sich in der Seelsorge, als Religions- und Aufbaulehrerinnen (sie unterrichteten zeitweise sechzig Privatschüler in kleineren und größeren Gruppen) sowie als Krankenpflegerinnen und unterhielten eine kleine Apotheke im Pfarrhaus in Vettelschoß.

„Im Laufe des Januar 1944 wurde der neue Pfarrsaal fertig, die Waschküche und ein Schuppen waren dazu umgebaut worden. So hatten wir wieder einen Raum für die Schulkinder und Jugendgruppen. Am 5. März 1944 wurde der Namenstag des Herrn Pastors nach alter Tradition großartig vor dem Pfarrhaus gefeiert mit Darbietungen des Kirchenchores, der Kinder und aller Standesvereine und anschließender Festandacht.“

„Mit Freiwerden des Eßzimmers bekamen wir noch einen Raum im Pfarrhaus, in dem während des Sommers manch lieber Gast aus der Kölner Gemeinde wohnte. Ganz besonders viel Freude brachte uns ein längerer Erholungsaufenthalt unserer lieben M. Präfektin. Manch schönen Sommerabend saßen „Pastors“ (zu den „Pastors“ gehörten seine kränkliche Schwester, seine Haushälterin (Cousine) und „Finchen“ sowie er selbst) und die Schwestern im Konventseckchen beisammen. Als M. Präfektin einmal bei einer solchen Gelegenheit ihre Sorge wegen der Kriegslage im Westen äußerte, da sagte Herr Pastor in seiner großzügigen, gütigen Art: „Wenn Sie einmal in Eschweiler räumen müssen, dann kommen Sie mit Ihren Schwestern und den alten Männern (die die Schwestern dort betreuten) zu uns.“ Wir alle ahnten an jenem friedlichen Augustabend 1944 nicht, wie bald Eschweiler von dieser Einladung Gebrauch machen mußte.“

„M. Angelika und M. Margareta mußten ihre Arbeit in Köln und Solingen aufgeben, weil die Städte wegen des zunehmenden Terrors sich entvölkerten und auch das Reisen infolge der Tieffliegerangriffe unmöglich wurde. So übernahm M. Angelika die Seelsorgstunden in Windhagen, einem eine Stunde entfernten Pfarrort in der Kölner Diözese.“

„Mitte September (1944) räumte Herr Pastor das größte Zimmer seines Hauses für eine ihm unbekannte Behindertenfamilie aus der Nähe von Bonn: die Mutter mit zwei erwachsenen Kindern, alle drei stark körperbehindert, eine Schwester der Mutter und eine Hausangestellte.“

„Am 22.11.1944 rief M. Präfektin morgens an, daß sie auf der Flucht seien und am Abend bei uns einträfen. Tatsächlich kam sie abends vollständig erschöpft bei uns an mit der Meldung, daß Sr. Laurentia und Sr. Imelda am nächsten Tag mit vier alten pflegebedürftigen Männern folgten. Schnell wurde der Pfarrsaal geräumt; der Herr Pastor unterrichtete am nächsten Morgen seine Gemeinde, und bald waren die nötigen Betten, Waschtischchen, Sessel usw. da. M. Präfektin bezog ein Mansardenzimmer im Pfarrhaus, Sr. Laurentia und Sr. Imelda fanden noch Platz auf unserem Schlafsaal. Sr. Laurentia übernahm die Sorge für die Alten.“

Da nun M. Präfektin wieder bei uns war, kamen oft Schwestern von Köln, Unkel, Düren und Hersel nach Vettelschoß herauf, um ihren Rat zu hören oder eine Entscheidung einzuholen. So geschah es, daß elf von uns am 12. November 1944 an M. Mechtildis' Sterbebett standen. M. Josefa und Sr. Armella waren an diesem Sonntag gerade bei uns. Herr Pastor hatte ihr schon einige Tage vorher die hl. Ölung gespendet. Voll Freude erwartete sie ihren Heimgang. Obwohl wir mit ihrem Tode rechneten, kam es doch unerwartet; sie hatte noch gerade vorher mit Sr. Armella geplaudert und ging ganz ruhig ohne Todeskampf von uns.“

„Die Leiche wurde im Pfarrsaal in einem schönen weißen Sarg aufgebahrt. Zum Begräbnis kamen noch M. Gereona und M. Theresita aus Unkel und M. Angela aus Köln. Vier Schwestern trugen den Sarg von der Straße bis zum Grab und ließen ihn auch selbst in dieses hinunter. Sechs Mädchen mit Kerzen schritten neben dem Sarg, eine ging vorauf mit der Brautkerze und eine folgte mit der Trauerkerze. Der erste Schnee war gefallen und darüber schickte die Sonne ihre vergoldenden Strahlen. Diese strahlend schöne Winterlandschaft erschien uns wie ein Abglanz jener Himmelsherrlichkeit, in der nun die liebe Tote weilte, wo sie den Lohn für ihr frommes und in den letzten Jahren auch schmerzensreiches Leben erhielt.“

„Als wir vom Begräbnis zurückkamen, war ein Onkel des Herrn Pastors aus Aachen mit seiner Frau und seiner erwachsenen Tochter und der letzten geretteten Habe angekommen. M. Präfektin zog zu M. Katharina, und so konnte auch dieser Familie noch ein Zimmer eingeräumt werden. Ein Pfarrkind aus Merzig wurde am nächsten Tag auch noch aufgenommen. Der Feind rückte weiter vor, das erfuhren wir sogar im sonst so friedlichen Dörfchen; denn täglich kamen Flüchtlinge, Unterkunft erbittend.“

„Sonntags erschien M. Josefa, zerlumpt und zerrissen, so wie sie aus dem Keller nach dem furchtbaren Angriff in Düren entkommen war. Der Schrecken hatte sie ganz verstört. Sie blieb bis Anfang Februar (1945) bei uns.“

„Im Dezember 1944 nahm Herr Pastor noch eine Bonner Familie auf, so waren wir dann dreiunddreißig Personen im Pfarrhaus. Im Schwesternhaushalt waren wir zu fünfzehn, hatten aber nur für acht Personen eingekellert, doch dank unserer guten Wohltäter im Dorfe überstanden wir den Winter und wurden täglich satt. Trotz der noch engeren Verhältnisse wurden in der Mädchengruppe viele Hexenhäuschen fabriziert und Bastelarbeiten angefertigt; trotz Flieger und Bomben kam auch in diesem Jahr „Hans Muff“ (der Nikolaus mit dem Knecht Ruprecht) aus Köln.“

„Am Ersten Weihnachtstag 1944 erreichte uns das Telegramm über M. Seraphins ernste Erkrankung. Auf M. Präfektins Anordnung reisten M. Margareta und M. Augustina noch am gleichen Abend ab und kamen nach sehr umständlicher und beschwerlicher Reise am zweiten Tag abends um 10 Uhr in Minden an. M. Seraphin war bereits am 24.12. verschieden.“

„Der Februar 1945 wurde nun auch für den Westerwald unruhiger. Schon seit Weihnachten (1944) hatten wir kein Wasser und kein Licht. Immer wieder versuchte der Feind, die Rheinbrücke bei Erpel und die Autobahnbrücke bei Neustadt zu bombardieren. Mitte Februar 1945 kam M. Augustina noch zu einem längeren Erholungsaufenthalt nach Vettelschoß. Es gelang ihr, Worringen noch ganz kurz vor dem Einrücken der Amerikaner wieder zu erreichen.“

„Während der letzten Februarwoche flüchtete unentwegt abgekämpftes deutsches Militär zurück, und unser kleiner Pfarrsaal wurde Durchgangsquartier. Trotz allem übten wir zu Herrn Pastors Namenstag. Fast wäre die Vorbereitung verhängnisvoll geworden, denn bei der Generalprobe am 2. März, bei der etwa zweihundert Kinder zusammen waren, erlebten wir den ersten Fliegerangriff in Vettelschoß. In der nächsten Nähe des Ortes fielen zwei Bomben, so daß im Dorf fast alle Fenster zersprangen. Der angerichtete Schaden war schnell wieder behoben. Die Namenstagsfeier selbst am Sonntag, Montag und Dienstag verlief recht froh und vergnügt ohne Störung.“

„Am Mittwoch, den 7. März 1945 hatten die Schwestern eine große Privatstundengruppe da, ca. fünfzehn Jungen der U II und U I aus der Umgegend. Beim Stundenwechsel um 4 Uhr kam Herr Pastor mit der Nachricht: die Amerikaner sind bei Erpel über den Rhein; um 5 Uhr hieß es: sie sind in Linz und um 6 Uhr: sie sind in Kasbach. Wir entließen schleunigst unsere Schüler, die Kleinbahn um ½ 7 fuhr nicht mehr, die Jungen mußten zu Fuß heim. Wir haben nie mehr erfahren, wie der Schüler aus Kasbach heimgekommen ist. Gegen ½ 8 rückte SS ein und sammelte das Militär, sie stellten sich zum Kampf.“

„Nun packten wir schnell das Nötigste und brachten vor allem M. Katharina in den Keller. Auch die Dorfbewohner rückten an, denn neben der Schule hatte das Pastorat als einziges Haus einen als Schutzraum brauchbaren Keller. Die Kirche mußte geräumt werden. Herr Pastor schaffte mit einigen starken Männern den feuerfesten Tabernakel, der bisher zum Aufbewahren der Kelche in der Sakristei gestanden hatte, in sein Wohnzimmer und barg dort das Allerheiligste.“

„Gegen 10 Uhr setzte mäßiges Feuer ein. Die Nacht jedoch blieb ziemlich ruhig, so daß wir am nächsten Morgen M. Katharina wieder nach oben schafften. Sie wohnte am Morgen der hl. Messe bei, die Herr Pastor im Wohnzimmer zelebrierte. Donnerstags wurde die dem Pfarrhaus benachbarte Schule Hauptverbandsplatz und damit waren wir vor den gefürchteten Jabos (Jagdbomber) gesichert. Allerdings wurde ein Teil der Schule Funkstation, zwei andere lagen im Umkreis von 300 m. Im Laufe des Tages bargen wir und auch viele Dorfbewohner noch Sachen im Keller; und als am Abend das Feuer verstärkt wurde, strömten die kinderreichen Familien dem Pfarrhauskeller zu, besonders die Frauen, deren Männer im Feld waren.“

„Alle wollten bei Herrn Pastor und den Schwestern sein. Auch M. Katharina wurde wieder nach unten gebracht. Am nächsten Morgen feierte Herr Pastor die hl. Messe im Keller, erteilte allen die Generalabsolution, und fast alle gingen zur hl. Kommunion. Dann wurden die Kellerräume für einen längeren Aufenthalt hergerichtet, die Männer verbarrikadierten die Fenster. Für verschiedene Gruppen wurde im Pfarrsaal und im Unterhaus Kochgelegenheiten geschaffen, die Wasserversorgung wurde geregelt und von der eine Stunde entfernten Mühle in Elsaff (Mühle mit Bäckerei und Kolonialwaren-Geschäft von Georg bzw. „Schorsch“ Leonhar in Unterelsaff) Brot geholt. Herr Pastor eilte durchs Dorf, um zu sehen, wie alle seine Pfarrkinder untergebracht waren, und er brachte ihnen die Generalabsolution und die hl. Kommunion.“

Direkt vor dem Eingang zum Pfarrhaus befand sich ein Brunnen, aus dem das Wasser mit einer Hand-Schwengel-Pumpe entnommen werden konnte. Der schwere Schwengel hatte die Form eines Notenschlüssels und war die Arbeit eines gekonnten Schmieds.

„Viele kamen auch noch im Lauf der ersten Tage zum Beichten und zum Empfang der hl. Kommunion ins Pfarrhaus. Die hl. Messe konnte nicht mehr gefeiert werden, oben war es zu gefährlich und unten war es zu eng und nicht mehr würdig.“

„Die Zahl der Kellerbewohner war mittlerweile auf 30 angewachsen. „Pastors“ und die Schwestern und zwei Familien aus dem Dorf – im ganzen zweiundzwanzig Personen – waren in einem etwa 20 qm großen Raum untergebracht.“ (Zuletzt lebten im Pfarrhaus-Keller in Vettelschoß auf engstem Raum um die 55 Personen.)

„Am 10. (März 1945) abends mußten noch ein paar Personen weichen, weil eine Wöchnerin in das für alle Fälle zurechtgestellte Bett gelegt werden mußte; gegen ½ 12 gebar sie bei schwerstem Kanonendonner ein gesundes Mädchen unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen, ohne Beistand eines Arztes oder einer Hebamme. Bald nach der Geburt spendete der Herr Pastor die feierliche Taufe der Kirche. Das Haus und der Garten bekamen während der Zeit mehrere Einschläge und alle bangten, ob wohl die Taufhandlung ungestört zu Ende geführt werden könne. Am nächsten Morgen durften die vier Geschwister und dann all die anderen Kinder das Kleine besuchen.“

Bei dem im Pfarrhaus-Keller geborenen Baby handelte es sich um Katharina Maria Elisabeth („Marliese“) Schommers. Die alte Waschküche des „Pastoren-Kellers“ hatte man auf die Schnelle zum „Kreißsaal“ hergerichtet. Die Geburt wurde erst nach den schlimmsten Kriegswirren von der Mutter (Katharina Schommers geb. Daleiden) am 18.04.1945 dem Standesamt  in Neustadt angezeigt. Nach dem Geburtseintrag gebar die Mutter das Mädchen am 12. März 1945 um 23.30 Uhr in ihrer Wohnung in Vettelschoß. Der Vater (Wilhelm Schommers) befand sich noch im Krieg. Im Taufbuch von Vettelschoß steht als Tag der Taufe der 13.03.1945 mit der Geburt am 12.03.1945 vermerkt.

In dieser schlimmen Zeit mag so manches verwechselt worden sein! Vielleicht war es auch Absicht, um einer unnötigen Fragerei mit evtl. Zeugen-Benennungen vorzubeugen.

Als Geburtshelfer im damaligen schummerigen Pfarrhaus-Keller fungierten die verwitwete Elisabeth Kretz geb. Weißenfels („Kretz Lisbeth“) und Maria Ewenz geb. Weißenfels (auch „Spaß Maria“ oder „Kalins Maria“ genannt) – Ehefrau des Johann Matthias Ewenz – beide aus Vettelschoß. Bei den Taufpaten handelte es sich um Anna Selbach und Katharina Schommers aus Vettelschoß. Bei den Geschwistern der kleinen Marliese, die alle leider bereits verstorben sind, handelte es sich um Henriette, Josef, Leni und Häns.

„Für die Kinder wurde der Aufenthalt in dem Dämmerlicht und der schlechten Luft besonders schwer. Still und unbeschäftigt mußten sie da sitzen – wahrhaft eine Qual! M. Margareta richtete darum in einem Kellerwinkel morgens eine Märchenstunde und nachmittags eine Gesangstunde mit Wunschkonzerten ein, die immer von allen besucht wurden. Sehr viel wurde auch gemeinsam gebetet. Die Brotrationen wurden immer knapper, und das Kochen außerhalb des Kellers war lebensgefährlich; mehrere Dorfbewohner kamen dabei ums Leben. Wenn M. Bernarda und Sr. Mauritia trotz ihrer schlechten „Untertanen“, mit denen sie sich nur langsam fortbewegen konnten, sich nicht immer wieder an den Küchenherd gewagt hätten, so hätten wir noch mehr Hunger gelitten.“

„Am 17. (März 1945) morgens rückten die Amerikaner gegen ½ 5 ein und besetzten als erstes das Pfarrhaus. In der Nacht vorher war der Beschuß unerträglich gewesen. In der Schule hatten sich unsere letzten Truppen verschanzt, sie wurde erst um 12 Uhr genommen und dann anschließend das übrige Dorf. (In aller Herrgottsfrühe wurden auch die Keller und Bunker der anderen Dorfbewohner von Vettelschoß durch die Amis erstürmt und die Bewohner meist radebrechend über ihre Situation informiert, aber gebeten, vorerst weiter in den Unterkünften zu verharren.) Die Kampfhandlungen setzten sich fort, so daß wir noch weitere acht Tage im Keller verbleiben mußten. Der Beobachtungsstand auf dem Pfarrhaus gefährdete uns besonders, ebenso die Geschütze, die hinter dem Haus aufgestellt waren.“

„Erst am 23. März 1945, am Schmerzensfreitag (Mariae sieben Schmerzen = Freitag vor Palmsonntag), konnte Herr Pastor wieder die hl. Messe feiern, und zwar im Flur des Pfarrhauses. In den Kampfpausen durften wir uns jetzt schon mal nach draußen wagen. Da sahen wir das schwer zerstörte Dorf. Kaum ein Haus war unbeschädigt. Manche Häuser lagen völlig zerstört am Boden. Viele Bauern hatten zehn bis zwölf Stück Großvieh verloren, fast ihren ganzen Bestand. Sonntags hielten die Amerikaner Gottesdienst in der teilweise zerstörten, noch mit Stroh bedeckten Kirche. Am Palmsonntag (25.03.1945) nahm Herr Pastor die Palmweihe vor und an der Brot- und Milchausteilungsstelle erhielten alle Dorfbewohner einen geweihten Gruß.“

„Das Pfarrhaus blieb für die Amerikaner gesperrt, sie hatten in den ersten Tagen wohl im kleinen Pfarrsaal gehaust. Wir mußten aber noch einige obdachlos gewordene Familien aufnehmen, so daß wir fünfundfünfzig Pfarrhauseinwohner waren. Dann richteten wir den Pfarrsaal als Notkapelle ein, sie erwies sich aber sofort als zu klein. So wurde dann mit Hilfe der Jugendlichen die Kirche gesäubert, der Altar unter die Orgelbühne in dem Eingang aufgebaut. Am hl. Ostertag 1945 (01.04.1945) feierten wir zum ersten Mal wieder das hl. Opfer an geweihter Stätte. Tiefer Dank gegen Gott, den mächtigen Erretter aus den vielfachen Todesgefahren in den letzten Wochen, beseelte alle. Die dunkle, sicher noch viel Schweres bringende Zukunft legten wir in Gottes gütige Vaterhand. Erst dann, wenn die furchtbaren Leiden und Opfer des Krieges es fertig gebracht hatten, die Menschen wieder zu Gott hinzuführen, würde Frieden sein.“

„Erst allmählich konnten die einzelnen obdachlosen Familien untergebracht werden, und erst in der zweiten Aprilhälfte 1945 konnte M. Katharina in ihr neu gemachtes Zimmer zurückziehen. Wie sehr waren wir auf Nachricht von unseren Mitschwestern gespannt! Als erste tauchte M. Josefa per Rad aus Waldbröl auf, dann eines Tages M. Gereona und M. Theresita aus Unkel und endlich überraschte uns am 17. Mai 1945 Würdige Mutter. Die große Sorge um die Ihren bewog sie, trotz ihres leidenden Zustandes die Reise in die Heimat zu riskieren. Eine Zugverbindung bestand noch nicht, also versuchte sie an den Autostraßen ihr Heil und – mit Erfolg. Heimkehrer, die für ihre Lage volles Verständnis hatten, nahmen sie im Auto mit bis Asbach, also bis ganz in die Nähe von Vettelschoß. Wie groß war unsere Freude, daß unsere gute Würdige Mutter nun wieder daheim bei uns war! Zunächst erholte sie sich einige Zeit von den Strapazen der Reise, sie feierte mit uns das Pfingstfest, St. Angela und Fronleichnam. Aber dann hielt es sie auch nicht mehr bei uns, der Aufbau in Köln mußte ins Werk gesetzt werden; der Schulunterricht würde eines Tages in der Stadt beginnen, und dann mußten wir auf dem Plan sein und ein Schulhaus für unsere Schülerinnen aufgebaut haben.“

„Der eben genannte Fronleichnamstag ist besonders erwähnenswert. So großartig aufgebaute und herrlich verzierte Altäre hatten wir bisher noch nicht gesehen, selbst in Köln nicht.“

„Am 26. Mai 1945 versuchten M. Präfektin und M. Angelika und die Behindertenfamilie mit einem Pferdefuhrwerk über Küdinghoven (bei Bonn) nach Eschweiler zu kommen, denn auch M. Präfektin brannte darauf, in Eschweiler nach dem Rechten zu sehen und zu erfahren, ob sie ihre Leute bald wieder heimführen könne. Das Pferd scheute aber schon hinter dem nächsten Dorf (Willscheid), ging durch, schleifte den nebenher gehenden Fuhrmann eine Zeitlang mit, bis dieser ganz zu Fall und mit einem Bein unter das Rad kam. Einige Augenblicke schien es eine Fahrt in den Tod zu werden, doch an der tiefsten Stelle (Oberwillscheid) der steil abwärts führenden Straße kam das Pferd zum Stillstand, und wir waren gerettet. Unser guter Fuhrmann (Matthias Manns bzw. „Muhisch-Manns“, Vettelschoß) lag mit gebrochenem Bein am Wagen; der Beinbruch heilte später tadellos aus – auch uns zum Troste.“

„M. Angelika fuhr nun mehrere Male mit dem Rad nach Siegburg, um von den Alexianerbrüdern, den Besitzern des Eschweiler Hauses, ein Lastauto für den Transport zu erbitten, diese sagten auch zu. M. Margareta holte mit dem Handwägelchen Sr. Hedwig in dem 17 km entfernten Waldbreitbach ab, weil sie mit nach Eschweiler sollte, um dort die Küche zu übernehmen. Sr. Carola aus Waldbröl sollte in Vettelschoß den Kindergarten leiten. Sie wollte mit dem Auto der Brüder heraufkommen. Da diese aber so lange auf die Fahrgenehmigung warten mußten, ging Sr. Carola auf eigene Faust los. Unter ihrer Leitung erfreute sich der Kindergarten bald großer Beliebtheit.“ (Wollte man zu dieser Zeit beispielsweise aus der französischen Besatzungszone [Vettelschoß] in die britische reisen oder Transporte durchführen, musste von der jeweiligen Besatzungsmacht eine Genehmigung eingeholt werden, und die konnte dauern.)

„Am 13. Juni 1945 erschien endlich das Siegburger Auto, und nun konnte die Reise mit allem Inventar, das Vettelschoß entbehren konnte, den alten Männern, den Schwestern und einigen Kaninchen losgehen. Diesmal verlief sie gut. Der Abschied war nicht leicht, hatten wir doch mit den Eschweilern so viele Monate die Bedrängnis des Krieges getragen – und wir wußten, daß sie in die größte Armut hineinkamen. Das Haus war vollständig ausgeräubert, es waren nicht die geringsten Lebensmittelvorräte da. – Oft dachten wir an sie zurück, wie es ihnen wohl gehen möchte.“

„Da auch das Pfarrhaus frei geworden war, verlegten die Schwestern ihre Küche und ihr Wohnzimmer ins Pfarrhaus. So konnte die eine Hälfte des Pfarrsaales wieder als Unterrichtsraum eingerichtet werden. Als dann Mitte Oktober die Schulen eröffnet und der Religions­unterricht in die Schulräume verlegt wurde, nahm M. Maria den Pfarrsaal für sich in Anspruch. Am 2. November begann sie einen zweimonatigen Nähkursus für die Mädchen des Dorfes, dem ein zweiter im Januar und Februar folgte. Beide Kurse schlossen mit schönen Ausstellungen.“

„Am 9. Dezember (1945) mußte M. Angelika zur Wiedereröffnung unserer Schule nach Köln zurück. In den Weihnachtsferien war sie aber wieder oben. Nach den Ferien fuhr auch M. Margareta mit zurück nach Köln; es wurden noch weitere Klassen aufgemacht, von denen sie eine übernehmen mußte. M. Maria übernahm den Handarbeitsunterricht in den Volksschulen Vettelschoß und Kalenborn. Die beiden aus Köln kamen jeden Monat einmal zum Wochenende. Bei ihrem Besuch am 9. März 1946 lag M. Katharina mit sehr, sehr großen Schmerzen, die sich auch trotz aller angewandten Mittel nicht besserten. Der herbeigerufene Arzt kam endlich Sonn­tagabend, stellte Darmverschluß fest und ordnete die sofortige Überführung ins Krankenhaus nach Linz an. ... Dann aber stellten sich Komplikationen ein, und sie hatte viele Schmerzen auszuhalten. ... Sie verstarb am 12. April 1946 im Krankenhaus in Linz. Die Leiche wurde in der Leichenhalle des Krankenhauses sehr schön aufgebahrt. Sonntags morgens holte M. Margareta den Sarg nach Vettelschoß, er wurde im Wohnzimmer des Herrn Pastors zwischen vielen weißen Narzissenblüten und Lärchen aufgestellt. Auch Altar und Tumba hatten wir für das Requiem am nächsten Morgen mit Lärchen und Narzissen geschmückt. Zum Begräbnis waren M. Präfektin, M. Xaveria und M. Huberta gekommen. Es war noch ein Grab neben M. Mechtildis frei, so daß nun beide nebeneinander auf dem stillen Dorffriedhof ruhen. Später wurden M. Mechtildis und M. Katharina von ihren Verwandten nach Melaten („Melatenfriedhof“ Köln) 8 überführt.“

 

Der Leib in Grabeshöhle – Ruht wohl an stillem Ort,

Die Melodie der Seele – Tönt ewig, ewig fort.

(Johann Philipp Fresenius, 1705 – 1761)

 

„Inzwischen hatte sich im Pfarrhaus zu Vettelschoß Wichtiges ereignet. Unser guter „Vater Abt“ hatte Mitte März 1946 seine Ernennung als Rektor von Waldbreitbach zum 1. Mai (1946) erhalten. Acht Tage nach dem Begräbnis (M. Katharina) sollte schon der Umzug sein. Nach reichlicher Überlegung mit M. Präfektin und M. Bernarda entschloß sich Würdige Mutter, die Schwestern aus Vettelschoß zurückzuziehen. Sie und wir alle hatten zwar schon einmal an eine kleine Gründung dort gedacht, weil aber im Augenblick kein Haus zu haben war und Material für Hausbauten in absehbarer Zeit nicht freigegeben wurde, war es wohl besser, das Pfarrhaus zu räumen. Den Kindergarten übernahmen zwei Mädchen aus dem Dorf (Gerti Neifer oder „Meilas Gerti, die spätere verheiratete Gerti Mies, Vettelschoß, und Anna Manns, die spätere verheiratete Anna Spitz, Vettelschoß), von denen eine bisher schon mit Sr. Carola zusammengearbeitet hatte; und für die Krankenpflege war schon Weihnachten eine in Kalenborn gebürtige weltliche Pflegerin von der Caritas (Anna Profitlich, Kalenborn) eingesetzt worden. So galt dann auch uns der Abschied des Dorfes von der Pfarrfamilie am zweiten Ostertag (22.04.1946).“

Die ersten Kindergärten – wohl mehr „Kinderverwahrstätten“ – in Kalenborn und Vettelschoß wurden im Sommer/Herbst 1938 durch die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) auf Initiativen der heimischen Ortsgruppenleiter der NSDAP ins Leben gerufen und eröffnet. Sie hatten eine überaus positive Akzeptanz und einen überwältigenden Zulauf.

Das Gemeindegebiet von Vettelschoß zählte erst um die 930 Einwohner. Über den politischen Hintergrund und die eigentliche Zielsetzung der NSV machte sich die Bevölkerung um diese Zeit noch keine Gedanken.

Wegen des nahenden Krieges bzw. „Beschusses“ mussten die Kindergärten in Kalenborn und Vettelschoß im Spätherbst 1944 schließen. Für die Eltern bestand allerdings weiterhin die Möglichkeit, ihre Kinder den beliebten Ursulinen-Schwestern im Pfarrhaus/Pfarrsaal in Vettelschoß anzuvertrauen; denn auch sie „hüteten“ bis zu ihrer Heimkehr ins Mutterhaus nach Köln eine überschaubare Kinderschar.

Schon im Frühjahr 1936 unter Pfarrvikar Alois Löw (1930 – 1937) wollte „ein 75jähriger, kinderloser Witwer sein Haus – ein altes Fachwerkhaus – für vier Stiftämter (1.200 RM) der Kirchengemeinde (Vettelschoß) als Geschenk unter der Bedingung anbieten, dass Ordensschwestern in das Haus kämen, die einen Kindergarten eröffneten und zur Krankenpflege bereit wären.“ Das Haus mit dem umliegenden Garten – so schätzte der Seelsorger – dürfte einen Wert von 3.500 Mark haben. Der Geistliche und auch Trier rieten von der „Geschenkannahme“ wegen der Wiederherstellung des Hauses und der Folgekosten ab.

„Wenn wir uns auch alle auf die Rückkehr in die klösterliche Geborgenheit freuten, die wir in diesen drei Jahren entbehrt hatten, so tat uns der Abschied doch sehr leid. In der religiösen Betreuung der Kinder, durch Krankenpflege, Kindergarten und Nähschule waren wir dem schlichten Landvolk so nahe gekommen. Wir hatten ein Aufgabengebiet gehabt, das uns in unserer klausurbedingten Abgeschlossenheit ganz fremd war, und doch hatte sich eine jede von uns gefreut, einmal diese Aufgaben erfüllen zu dürfen, die ja dem Aufgabenideal unserer hl. Mutter Angela 9 so nahe standen.“

„Und alle konnten wir wohl sagen, daß trotz mancher geistigen Entbehrung, die wir ertragen mußten, die selbstverständliche einfache Frömmigkeit der Landleute uns auch wieder in vielem bereichert hat. Das enge Zusammenleben mit dem Priester enthüllte uns die großen Opfer, die jedes Priesterleben wesensmäßig in sich schließt, und die Notwendigkeit unserer Gebetshilfe für ihr Leben und ihre Tätigkeit. Noch etwas Großes war uns in diesen Jahren, da wir in der Welt lebten, aufgegangen, wohl klarer als das in der klösterlichen Abgeschiedenheit möglich gewesen wäre. Es gab im Aufbau des Reiches Gottes in unserem Volke noch viele und schwere Arbeit zu tun, denn die Gottlosigkeit der Menschen hatte sich in erschreckender Weise breit gemacht und drohte, alle ins Verderben zu stürzen.“

„Da mußte die religiöse und charakterliche Erziehung der uns anvertrauten jungen Mädchen nun unsere ganze Sorge sein, damit dieses heranwachsende Geschlecht einmal christliche Familien aufbaue und so das ganze Volk in der Wurzel gesunde. Für alles innere Reicherwerden, für die Tätigkeit, die uns in Vettelschoß geschenkt wurde, und alles, was wir den Menschen dort sein durften und sie uns waren, sei auch über diesen ernsten Lebensabschnitt ein dankbares Deo Gratias (Gott sei Dank!) gesetzt.“

Einige der wirklich „Unbedarften“ im Vettelschosser Kirchenvorstand dachten zur Verabschiedung ihrer „Nonnen“ (Ursulinen) so ähnlich wie einst der hl. Franz von Assisi (1181/1182 – 1226), als es um die Frauen­klöster ging, die in keinem guten Ruf standen und angezweifelt wurde, ob alle, die ihr Kloster-Gelübde abgelegt hatten, so keusch lebten wie Rosen unter Dornen: „Gott hat uns die Frauen genommen, nun kommt der Satan und gibt uns Schwestern“ – obwohl das gottesfürchtige Vettelschoß bar auch jeder Vermutung war!

Der dem Pfarrvikar Friedrich Blanckart nachfolgende Pfarrverwalter Dr. Dr. Peter Eck (er wirkte vom 04.06.1946 bis 01.05.1959 bzw. ab 20.05.1947 als der erste Pfarrer in Vettelschoß und ist am 07.09.1965 in Rheinbrohl verstorben) verfügte über einige Frömmler als „Pastorenflüsterer“ im Gemeindegebiet von Vettelschoß, die die Flöhe husten hörten und den glaubensstarken „Gottesmann“ sowie seine „keusche Helena“ zu beeinflussen vermochten. Es waren meist einfältige Leute (Frauen und Männer), die kaum über ihren eigenen Tellerrand zu blicken in der Lage waren und hinter „Wenterkeschpel“ – Pfarrei Windhagen – schon das Weltende vermuteten.

Pfarrer Dr. Dr. Peter Eck und seine Haushälterin (Helene Reuschenbach aus Rheinbrohl) fanden sich später aus „reiner Nächstenliebe“ außerstande, im geräumigen Pfarrhaus mit Pfarrsaal wenige absolut leerstehende Zimmer zur Verfügung zu stellen, um auch nur vorübergehend „Flüchtlinge“ oder für kurze Zeit einen „Junglehrer“ aufzunehmen.

In dessen zur Reparatur anstehenden Lehrerwohnung tropfte es vom Dach auf seine Bettkante. Er war – nach Stärke des Regens und der Windrichtung – immer wieder damit beschäftigt, die so genannten „Ami-Dosen“ entsprechend zu platzieren und zu leeren, damit die darunter liegenden Klassenräume der Volksschule in Vettelschoß trocken blieben.

Am 07.06.1946 teilte Trier dem Studienrat Dr. Dr. Peter Eck folgendes mit: „Anliegend erhalten Sie Ihre Ernennung zum Pfarrvikar von Vettelschoß. Da die Pfarrvikarie schon längere Zeit unbesetzt ist, wollen Sie die Stelle baldmöglichst antreten. Einige Zimmer des Hauses (das Pfarrhaus in Vettelschoß hatte 12 Zimmer und einen Pfarrsaal) sind noch von Kölner Ursulinen bewohnt, die Pfarrvikar Blanckart dort aufgenommen hatte. Doch kann der Pfarrvikar in dem großen Hause neben den Schwestern gut wohnen und eigenen Haushalt führen. Wir möchten Sie bitten, die Ursulinen auch weiterhin im Hause wohnen zu lassen. Ihren Dienstantritt wollen Sie hierher melden.“

 

Die letzte Zeitzeugin

 

Josephine (Josefine) Menzenbach aus der Kau/Vettelschoß (die spätere Schwester M. Angelita Menzenbach, zuletzt Oberin des St. Martinus-Krankenhauses in Düsseldorf, lebt heute im Altersruhestand in Dernbach) war seinerzeit Praktikantin im Haushalt von Pastor Friedrich Blanckart im Pfarrhaus von Vettelschoß. Sie nahm 1950 den Schleier und trat in die Kongregation der „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ (ADJC) 10 ein.

Von Sr. M. Angelita Menzenbach – der letzten Zeitzeugin – wissen wir: „In Hohn hatte sich um die Zeit 1940 eine Familie niedergelassen. Ausgebombt in Köln hatten sie dort ein Haus bewohnen können. Herr Buslei – so der Name – war Architekt, arbeitete für die Ursulinenschule und seine Kinder gingen dort zur Schule.

Familie Buslei kam regelmäßig zum Gottesdienst nach Vettelschoß und es entstand eine echte Freundschaft mit der Gemeinde und mit Pastor Fritz Blanckart. 1939 – 1940, in diesen Jahren wurde die sehr große Schule von den Nazis geschlossen und wohl auch besetzt.

Herr Buslei war der Vermittler für die Ursulinen bei Pastor Blanckart. Es muß im Jahr 1941, vielleicht auch 1942 (1943) gewesen sein, als die zwei ersten Schwestern, Mater Angelika und Mater Margareta bei Pastor Blanckart vorsprachen, und bald darauf das so genannte Pfarrheim umfunktioniert wurde zu bescheidenen Wohnverhältnissen.

In Köln fielen die Bomben, große Schäden bis zur fast völligen Vernichtung der Schul- und Wohngebäude waren die Folge.

Es kam die dritte und vierte Schwester, und zuletzt fanden insgesamt 13 Schwestern Unterkunft im Pfarrheim. Die schwere Zeit wurde für Vettelschoß eine sehr fruchtbare Zeit.

Ich zähle jetzt gerne die einzelnen Namen und deren Einsatz für die Gemeinde und Menschen auf. Heute sagt man nicht mehr Mater (Mutter) sondern Schwester.

Schwester Angelika u. Schwester Margareta waren Studienrätinnen, unterrichteten in Englisch und Französisch u. Mathematik. Das konnte in Anspruch nehmen wer wollte und Freude hatte zu lernen.

Sr. Bernarde und Sr. Mauritia sorgten für den Haushalt der Schwestern. Sr. Maria gab Unterricht im Nähen, Handarbeit und Basteln. Sr. Carola baute einen Kindergarten auf.

Zwei ältere kranke Schwestern erhielten Wohnung im Pfarrhaus, wurden von ihren Mitschwestern gepflegt und starben auch dort. Sie fanden auf dem alten Friedhof ihre letzte Ruhestätte. Die Gräber gibt es nicht mehr.

Ziemlich am Schluß kam eine Schwester aus Eschweiler, die dort Unterkunft gefunden hatte in einem Altenheim. Sie brachte vier alte und pflegebedürftige Männer mit, und Pastor Blanckart richtete dafür das große Zimmer im Pfarrhaus ein.

Von den Schwestern wurde so vieles getan, was die Gemeinde nie zuvor erlebt hatte. Sie schmückten die Kirche, gaben Religionsunterricht, wenn nötig machten sie Küsterdienste, besuchten alte und kranke Menschen, waren bereit für Gespräche, sie waren einfach immer da, wenn Hilfe nötig wurde. Sr. Angelika übernahm auch zweimal in der Woche den Religionsunterricht in der Gemeinde Windhagen.

1945 war der Krieg aus. Die Schule in Köln war fast völlig zerstört. Sehr beschädigte Wohngebäude der Schwestern an der Machabäerstraße boten die erste Möglichkeit zum Wiederaufbau.

Sr. Angelika und Sr. Margareta, die beiden, die als erste nach Vettelschoß kamen, gingen bald nach Köln zurück, um schwierigste Wohnmöglichkeiten vorzubereiten. 1946 (Mitte/Ende) waren alle Schwestern wieder in Köln.

Eine fruchtbare schöne Zeit mit den Schwestern, trotz aller Einschränkungen, die der Krieg und entsetzliche Beschuß letztendlich gebracht hatten, ging zu Ende. Der Abschied der Schwestern und der Gemeinde war auf beiden Seiten schmerzlich. Die Menschen in Vettelschoß waren in großer Dankbarkeit, in einer so schweren Zeit Menschen – Schwestern in ihrer Mitte zu haben, die alles verloren hatten, und so vieles schenken konnten an geistigen Gütern, in der Vermittlung von Werten, die ein Leben prägen können. – Dies ist die Geschichte der „Ursulinen“ in Vettelschoß.“

 

Der Krieg bzw. der „Beschuss“ rückten immer näher

 

Ab Spätherbst 1942 nahmen die feindlichen Fliegerangriffe zu. Die Alliierten verfügten offenbar bereits um diese Zeit über die Luftüberlegenheit in unserer Gegend. Sie flogen zu Einsätzen auf west- und süddeutsche Städte über den Westerwald, die Ahr und Eifel, weil sie dabei kaum mehr auf deutsche Abwehraktionen stießen.

Es waren inzwischen weitere Vermissten- und Gefallenen-Meldungen im Gemeindegebiet von Vettelschoß eingetroffen. Die Angehörigen trauerten um ihre Söhne und Väter. Doch allmählich machte sich auch Skepsis gegenüber der Nazi-Regierung breit.

Von der anfänglichen Kriegseuphorie war kaum noch etwas zu spüren. Vielmehr formierte sich der latente Widerstand zunächst gegen die „Dorf-Nazis und Bonzen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei (NSDAP), der dann allgemein auf Berlin „überschwappte“.

Es soll hier nur an die Widerstandskämpfer und an das Bombenattentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler in seinem Hauptquartier in Rastenburg in Ostpreußen durch Claus Graf Schenk von Staufenberg erinnert werden.

Auch der aus Vettelschoß stammende Dr. Egidius Schneider zählte zumindest als Sympathisant des „Kreisauer Kreises“ zur Widerstandsbewegung im Deutschen Reich. Er wurde verhaftet, des Hochverrats angeklagt und tröstete Mithäftlinge in Plötzensee (Berlin), die vor der Hinrichtung standen. Zu seiner Verurteilung ist es gottlob wegen des nahenden Kriegsendes nicht mehr gekommen.

Immer wieder fragen unsere Nachkriegsgenerationen und die im Wohlstand aufgewachsenen Jugendlichen: „Wie konnte eine verkrachte Existenz wie Adolf Hitler zum Urheber eines Weltkrieges werden?“ – Er entzog sich der Verantwortung für den Ruin des Deutschen Reiches am 30.04.1945 durch Selbstmord.

Die Einquartierungen von Kriegsgeschädigten oder Ausgebombten in der Gemeinde Vettelschoß waren zur Selbstverständlichkeit geworden. 1944 sah man in den Dörfern mehr Fremde bzw. Evakuierte als Einheimische. Wegen des ständigen Fliegeralarms zogen es zahlreiche Familien vor, viele Nächte im Keller zu verbringen.

Und die Bahnhöfe von Kalenborn und Vettelschoß wurden wegen der Waffen- und Munitionstransporte zur Sicherung und Verteidigung der Ludendorff-Brücke in Erpel/Remagen vermehrt mit Bordwaffen aus amerikanischen und englischen Flugzeugen beschossen.

Wegen des dauernden Sirenengeheuls war schon ab 1943 ein ordentlicher Schulunterricht nicht mehr möglich und es gab die ersten Unterrichtsausfälle.

Eigentlich ab Oktober 1943 erdreisteten sich alliierte Fliegergeschwader – schon vermehrt und regelmäßig – bereist tagsüber den vorderen Westerwald in Richtung nach Süddeutschland zu überfliegen.

An einem schönen Herbsttag 1943 wurden der Verfasser des Aufsatzes und seine Großmutter (Maria Klein geb. Prangenberg, Vettelschoß) auf offenem Feld in der Gemarkung „Hof-Feld“ von überfliegenden Jagdflugzeugen mit Bordwaffen beschossen:

„Wir waren dabei, mit zwei „Fahrkühen“ ein Feld umzupflügen bzw. zu bestellen. Die Geschosse schlugen in unmittelbarer Nähe von uns ein und das Erdreich spritzte 1 bis 2 m hoch. Wir suchten schleunigst Deckung im nahen Gebüsch und Wald und holten schließlich auch unser Gespann vom Feld. Als die Flugzeuge nicht mehr zu hören waren, setzten wir die Feldbestellung für kurze Zeit fort. Vor Angst, dass die „Flieger“ wiederkommen könnten, begaben wir uns vorzeitig auf den Heimweg. Wir hetzten mit unseren Tieren förmlich über die „Plätz", weil uns das Erlebnis auf dem Feld doch schwer mitgenommen hatte und noch Tage beschäftigte.“

Vielleicht handelte es sich um eine provokante Zielübung der Alliierten, die damit die ungestörte Luftüberlegenheit schon am helllichten Tage unter Beweis stellen wollten!

Aber wer mochte sich um diese Zeit noch an den markigen Ausspruch von Reichsmarschall Hermann Göring erinnern, der lautstark verkündet hatte, „wenn ein einziges feindliches Flugzeug (ungestört) über das Ruhrgebiet fliege, wolle er nicht mehr Göring, sondern schlicht Meier heißen".

Hermann Göring wurde durch den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zum Tode durch den Strang verurteilt, dem er sich am 15.10.1946 (kurz vor der Hinrichtung) mit Hilfe einer Blausäure-Kapsel entziehen konnte.

Schon Anfang 1944 hätte eigentlich dem dümmsten Parteigenossen (PG) der NSDAP klar gewesen sein müssen, dass der immer noch im „Volksempfänger“ (Radio) propagierte „Endsieg“ längst ein Trugschluss war.

Am Morgen des 06.06.1944 war die Landung der Alliierten – der „Tommys“ und „Yankees“ (Engländer und Amerikaner) in der Normandie erfolgreich verlaufen und die Sowjets begannen am 09.06.1944 bzw. 22. und 23.06.1944 mit Großoffensiven gegen die deutschen Wehrmacht-Verbände in der Sowjetunion. Danach häuften sich die Gefallenen- und Vermissten-Meldungen nicht nur in der Gemeinde Vettelschoß.

Den Bürgern dienten nunmehr ihre Luftschutzkeller als tägliche Schlafstätten. Ab Spätherbst 1944 lässt sich der Schulbetrieb nicht mehr aufrechterhalten und bricht zusammen. Die katholischen Volksschulen von Kalenborn und Vettelschoß zogen es im Sicherheitsinteresse der Kinder vor, ihre Pforten zu schließen.

 

V1 und V2 – Die „Vergeltungswaffen“

 

Die „Irjänse“ oder „Irrgänse“ (wie die im Frühjahr aus dem Süden und im Herbst in den Süden hoch über uns ziehenden Kraniche auf Plattdeutsch genannt werden und nur scheinbar orientierungslos zu beobachten sind) sorgen alljährlich für anregenden Gesprächsstoff über die für die Bauern so wichtigen Wetterprognosen, wenn sie mit viel Geschrei und meist in Einser-Formation gesichtet werden.

Bei der Getreide- und späteren Kartoffelernte nach der St.-Michaels-Kirmes sowie auf der herbstlichen Viehweide im Jahre 1944 konnte man nicht nur die „Wildgänse“ (Kraniche) ziehen sehen, sondern auch die berüchtigten „Geheim- oder Vergeltungs- bzw. Wunderwaffen“ Hitlers (V1 und V2) mit ihren typischen Geräuschen erblicken, die durch den besonderen Schweif (Kondensstreifen) unverwechselbar waren.

Diese Beobachtungen führten zu Mutmaßungen und neuen Hoffnungen in den Köpfen einiger Landsleute. – Aber sie blieben eine „Fata Morgana“.

Einige dieser Fernraketen-Einheiten mit ihren Abschuss-Tischen bzw. -rampen, die seit Juni 1944 gegen England, dann gegen Ziele in Frankreich und Belgien agierten, hatte man aus den Niederlanden in den Westerwald verlegt. Seit Mitte Oktober 1944 waren in den Wäldern zwischen dem „Auge Gottes“ und dem Asberg vier Abschussrampen installiert.

Das III./FlakRgt 155 soll V1-Raketen vorzugsweise auf Ziele in Belgien abgefeuert haben. – Einem Bericht (RZ vom 01.09.2005) zufolge war die V1-Anlage am Asberg bei Kriegsende noch nicht einsatzbereit, weil ihr der Bauteil „Schlitzohrschleuder“ gefehlt haben soll.

Da die Versorgung dieser Raketen-Einheiten mit Gerätschaften und Lebensmitteln über die Bahnhöfe in Kalenborn und Vettelschoß abgewickelt wurde, gerieten diese immer öfter ins Visier alliierter Flugzeuge.

Es mag im Dezember 1944 oder Januar/Februar 1945 gewesen sein, als der Mittagszug aus Neustadt am Vettelschosser Bahnhof (Ankunft 12.13 Uhr) wahrscheinlich von englischen Jagdflugzeugen angegriffen und die Lokomotive fahruntüchtig geschossen wurde.

Mehrere Flugzeuge umkreisten den Zug, der schnaufend den „Eichelsberg“ erkämpft hatte und sich nun ab der Brücke, die über die Provinzial-Straße von Vettelschoß nach Oberelsaff führte, bis zum Bahnhof in Vettelschoß im ungedeckten Schussfeld befand. Zwei Waggons des planmäßigen Personenzuges waren dem deutschen Militär reserviert und mit einer “Vierlingsflak“ bestückt.

Einige Fahrgäste erkannten rechtzeitig die Gefahr, verließen fluchtartig die Waggons und suchten Schutz im Bahnhofsgebäude oder in dessen Kellerräumen. Die feindlichen Flieger hatten gewendet und begannen mit der Beschießung der Lokomotive und der Eisenbahnwagen. Sie drehten erst wieder ab, nachdem die „Vierlingsflak“ das Feuer erwiderte. Dabei wurde der Kamin des Bahnhofes getroffen und das Dach des Bahnhofsgebäudes teilweise abgedeckt.

Die Batterie der III. Abteilung, deren Gefechtsstand unter dem Tarnnamen „Zauberflöte“ in Weyerbusch lag, hatte man nördlich und nordostwärts von Linz und im Sauerland stationiert. Weitere Einsatz-Stellungen für V1-Raketen waren zwar in der Gemarkung Notscheid erkundet, im März 1945 aber noch nicht einsatzbereit.

Eine weitere V-Waffen-Einheit – die ArtAbt 836, seit Februar 1945 in ArtRgt zbV 901 umbenannt und vorher in den Niederlanden im Einsatz – hatte man 1944/1945 im Raume Hachenburg untergebracht, von wo auch V2-Raketen zum Abschuss gekommen sein sollen.

Am 27.03.1945 sind die letzten V2-Raketen und am 29.03.1945 die letzten V1-Raketen in Großbritannien eingeschlagen.

Bei Wintereinbruch 1944/1945 waren in den heimischen Wäldern und Büschen etliche Wehrmacht-Fahrzeuge untergestellt, die nach Einbruch der Dunkelheit an die Westfront fuhren, um die Kampftruppen mit Lebensmitteln, Brennstoffen und Kriegsmaterialien zu versorgen.

Verwundete, die in Linz ankamen, verlegte man mit dem „Waldi" oder „Westerwald-Express“ (Personenzug von Linz über Neustadt nach Altenkirchen) ins Hinterland bzw. in ein auf dem Weg liegendes Lazarett.

An den Weinbergterrassen hinter dem Linzer Bahnhof stand in großen Lettern zu lesen:

 

„Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will." 11

 

In den „Notscheider Fichten“ sollte eine große Tank-Kessel-Anlage mit Bahnanschluss zur Verlade-Stelle „Am Rampen“ (Kalenborn) gebaut werden, um Unmengen an Kerosin vorgeblich für den Westwall zu speichern. Die Pläne konnten jedoch wegen des Zusammenbruchs der Nazi-Diktatur nicht mehr verwirklicht werden.

Bis Kriegsende befand sich am Willscheiderberg in Vettelschoß eine Funkstation mit einem halben Dutzend Flakhelfern und Flakhelferinnen – auch Blitzmädchen genannt – und am „Quirgelstein“ (dort, wo man einst die Quader/Hausteine aus Tuffstein für das Zisterzienserinnenkloster St. Katharina und für den ersten Kirchenbau in Vettelschoß fertigte) war eine Scheinwerfer-Batterie mit etwa der gleichen Stärke postiert.

 

Die Endphase des Krieges

 

Am Nachmittag des 07.03.1945 waren in Kretzhaus hohe Parteifunktionäre der NSDAP „gestrandet“, die auf der linken Rhein-Seite vor den anrückenden Amerikanern die Flucht ergriffen hatten. Sie wirkten mutlos und verzweifelt. Von Kampfgeist, Heldentum und Verantwortung – wie von ihresgleichen in Berlin das Volk noch immer großkotzig belogen wurde – war nichts mehr zu spüren. Sie hatten schlicht „die Hosen voll“ und befanden sich auf dem Weg – alles hinter sich lassend – aus dem mitverschuldeten Schlamassel zu fliehen.

Der Einsatz zur Sicherung der „Remagener“ Brücke und schließlich der Rückzug der deutschen Truppen vom Rhein verlief zum Teil durch den vorderen Westerwald. Die „Linzerhöhe“ glich wegen der nahen Autobahn zeitweise einem Militärlager. In der letzten Phase des Zweiten Weltkrieges fluteten unzählige deutsche Wehrmacht-Kolonnen durch das Gemeindegebiet von Vettelschoß.

Als auch noch die Frauen im „totalen Krieg“ (Vernichtungskrieg unter Einsatz aller militärischen, wirtschaftlichen, psychologischen und geistigen Mitteln) verpflichtet wurden, entlang der Straßen tiefe Splittergräben zu ziehen und am 25.09.1944 alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum Deutschen Volkssturm aufgerufen worden waren, verfiel die restliche Bürgerschaft der Gemeinde Vettelschoß förmlich in Lethargie.

„Wollt ihr den totalen Krieg?" – so hatte Paul Joseph Goebbels (Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda sowie Präsident der Reichskulturkammer, Generalbevollmächtigter für den totalen Krieg, der am 01.05.1945 durch Selbstmord mit seiner Familie aus dem Leben schied) am 18.02.1943 im Berliner Sportpalast unter der Rhetorik für propagandistische Inszenierungen dem ekstatischen und bejahenden Jubel das deutsche Volk gefragt.

Die Einberufenen nach dem 25.09.1944 – das wirklich letzte Aufgebot – schickte man meistens an den Westwall, um Panzersperren zu bauen. Auch der Lehrer Egidius Bieger gehörte mit dazu. Ihn setzte man schon zum 01.09.1944 nach Perl in Marsch. Danach wurde die Schule in Kalenborn zunächst vorläufig geschlossen und zu guter Letzt im Oktober 1944 mit ukrainischen Kriegsgefangenen belegt, die Holz und Munition für die deutsche Wehrmacht verladen mussten.

Und in der Vettelschosser Schule taten schon länger Sanitätssoldaten ihr Bestes. Bis Kriegsende diente das Schulgebäude den Deutschen als Hauptverbandsplatz.

Lehrer Bieger konnte die Kalenborner Kinder nur noch sporadisch in seinem Wohnzimmer unterrichten. Am 25.11.1944 wurde er erneut in eine Wehrmacht-Uniform gesteckt, um am rechten Rheinufer mit anderen Offizieren den Rücktransport der deutschen Truppen zu koordinieren. Zwischen Willscheid und Oberwillscheid – auf dem „Hof-Feld“ und am „Krüzbaach“ – waren um diese Zeit die ersten schweren Bomben gefallen und hatten wüste Trichter hinterlassen.

Noch 1945 wurde Egidius Bieger nach Vettelschoß kommandiert. Er sollte auch hier mit anderen Offizieren für einen reibungslosen Verlauf des Truppenrückzuges sorgen. Das Motto hieß: „Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück!“ Die unter seinem Kommando stehenden Mannen von zwei Kompaniestärken unterstanden einer Stelle des OKW in Weyerbusch, wo bereits nach dem 15.02.1945 „Funkstille“ herrschte. – Nunmehr, für jedermann erkennbar, war die Endphase des Zweiten Weltkrieges unumkehrbar geworden. 12

Als die Ludendorff-Brücke in die Hände der Amerikaner gefallen war, hatte sich eine „Totenkopfdivision“ (SS-Einheit) 14 Tage lang in den Wäldern zwischen Bruchhausen und Rheinbreitbach verschanzt und die amerikanischen Einheiten vorübergehend wieder nach Ohlenberg zurückgedrängt.

Kalenborn wurde am Abend des 02.03.1945 erstmals und vereinzelt beschossen. Der dann einsetzende pausenlose „Beschuss“ (Panzer- und Artilleriegefechte) dauerte drei weitere volle Tage an.

 

Die Toten auf der Straßenkreuzung in Kalenborn/Kretzhaus

 

Spätabends am 07.03.1945 setzten ernstere Scharmützel der amerikanischen Artillerie ein, die sich auf die Straßenkreuzung in Kalenborn/Kretzhaus und auf den „Erpeler Bösch“ konzentrierten. Im „Erpeler Wald“ gab es größere Explosionen. Erst am nächsten Tag wurde Kalenborn schwerer getroffen. Die Bevölkerung „hauste“ schon Tage eingepfercht in Kellern, Bunkern und Stollen.

Bereits am 10.03.1945 rückten die Amerikaner bis kurz vor Kalenborn heran. Es gab verschiedene Rückschläge und heftige deutsche Abwehrgefechte.

Einen Tag danach (11.03.1945) entbrannten in Kretzhaus an bzw. auf der Straßenkreuzung Kalenborn/ Kretzhaus harte und verlustreiche Panzerkämpfe mit amerikanischen Truppenverbänden. Fünf Ketten- und andere Militärfahrzeuge setzte ein kleiner deutscher und fanatischer „Haufen“ mit Maschinengewehren (MG) und Panzerfäusten außer Gefecht. Diese Nahkämpfe zollten auf beiden Seiten hohe menschliche und materielle Verluste.

Sieben blutjunge deutsche Soldaten waren durch einen Volltreffer auf ihr Fahrzeug zu Tode gekommen. Der total von einer Panzergranate zerstörte deutsche Laster lag noch lange auf dem Parkplatz der Gastwirtschaft „Zur Linde“ in Kretzhaus.

In oder zwischen den zerschossenen und ausgebrannten Wracks und Vehikeln lagen die toten Landser, die erst nach und nach geborgen und vorübergehend am „Platten Hüvvel“ – der sich auf der Wiese gegenüber der früheren Gastwirtschaft „Zur Linde“ (Stüber/Becker) bzw. des heutigen Seniorenheimes „Linzer Berg“ in Kretzhaus (Asbacher Straße 35) befand – in einem Soldatengrab beigesetzt werden konnten.

Bei den deutschen Soldaten – die in Kretzhaus/ Kalenborn auf der Straßenkreuzung ihr Leben ließen – handelte es sich überwiegend um siebzehn oder achtzehnjährige „Kinder-Soldaten“ aus einem so genannten „Kinderregiment“, vielleicht waren die Burschen noch jünger, die auf dieser Kreuzung regelrecht als „Kanonenfutter“ ihr blutjunges Leben sinnlos einbüßten.

Einige von ihnen hatte man noch Tage zuvor für Panzerabschüsse in Ohlenberg/Untererl/Obererl ausgezeichnet, ihren Hitler-Fanatismus bestärkt und für diese unsinnigen Kampfhandlungen in Kretzhaus/Kalenborn motiviert.

Die verführten Soldaten im „Kindesalter“ waren möglicherweise in „Wehr-Erziehungslagern“ für den Kriegsdienst ausgebildete Hitlerjungen (HJ), die im Todeskampf lautstark und immer wieder nach ihren Müttern riefen. Sicher ist, dass diese in unverantwortlicher Weise zu Soldaten gemachten Kinder keine Judenvernichtungslager kannten und nichts mit dem im Namen von Hitler-Deutschland begangenen Kunstraub in Frankreich, Belgien, Holland und vor allem in der Sowjetunion zu tun hatten.

Über die Drahtzieher dieser Aktion am „Kretz“, die im sicheren Hintergrund ihre „Verführungen“ vollbrachten und sich wahrscheinlich dazu noch rühmten, ist nichts bekannt. Das furchtbare Gemetzel haben die wenigen noch lebenden Zeitzeugen in Kalenborn/Kretzhaus bisher nicht vergessen und auch nicht verdrängen können, obwohl sich die Betroffenen das manchmal wünschten.

Die „Gaststätte Kretzhaus“ der Gretel Kretz geborene Nelson 13 und das Haus des Elektrikers Johann Manns in Kretzhaus waren völlig zerstört. Bis auf das Haus von Jakob Kretz hatten alle anderen Häuser und auch die Gastwirtschaft „Zur Linde“ (Stüber/Becker) schwere Beschädigungen aufzuweisen.

Zwischenzeitlich waren die amerikanischen Truppen von Bruchhausen aus mit Panzern, Soldaten und Gerätschaften verstärkt und nach Kretzhaus beordert worden. Zu dieser Zeit tobte am „Teer-Werk“ (Deutag-Mischwerke GmbH. & Co. aus Köln) in Kalenborn ein erbitterter Kampf um den Kalenborner Bahnhof, der mehrmals zwischen den deutschen und amerikanischen Frontlinien wechselte.

An den Fenstern des Objektes Bahnhofstraße 8 hatten sich ein deutscher Feldwebel und wenige Soldaten mit MGs und/oder Panzerfäusten postiert, die jeden amerikanischen Nahangriff mit ihren „tödlichen Munitionsgarben“ erwiderten, sodass nach dem Hörensagen zig GIs um den Kalenborner Bahnhof als Tote gezählt werden mussten, die gleich abtransportiert wurden.

Im Frontverlaufs-Bericht soll von über 100 Gefallenen die Rede gewesen sein. Erst weitere Panzer-Verstärkungen der Amerikaner haben die deutschen Schützen zur Aufgabe gezwungen bzw. sie wurden einfach „liquidiert“.

Einer anderen Version zufolge waren etwa 10 deutsche Soldaten an dieser schrecklichen und irrsinnigen Schießerei um den Bahnhof in Kalenborn beteiligt. Die Kampfhandlungen sollen Tage gedauert haben, bis die deutschen MGs aus Mangel an Munition schwiegen, die Widerstandsnester um den Bahnhof „ausgehoben“ bzw. die Soldaten für „Volk und Vaterland" den Tod gefunden hatten.

Als die amerikanischen Soldaten in den Keller des schwer beschädigten Hauses in der Bahnhofstraße 8 in Kalenborn und auch in den des Nachbarhauses vordrangen und die dort seit Tagen ausharrenden Kinder, Frauen und Männer sehnlichst befreiten, wurden die völlig verunsicherten „Kellerkinder“ an den zahlreichen deutschen Toten vorbei zunächst in den früheren „Knollenkeller“ des Gutes Waldhof (Kalenborner Straße 2/4) geführt.

Das Schlimmste mutmaßend setzte man eine Gruppe der Verängstigten (Greise, Frauen und Kinder) zu Fuß nach Linz und die andere nach Ohlenberg in Marsch.

Der im Ersten Weltkrieg beinamputierte Egidius Stockhausen wurde mit Hilfe eines Stockes von zwei Männern gestützt und konnte so die Strapazen unbeschadet überstehen. Eine Rückkehr in ihre Häuser und Wohnungen wurde den Leuten aus Kalenborn/Kretzhaus an Ostersonntag des Jahres 1945 wieder gestattet.

Erst zu diesem Zeitpunkt ist den Betroffenen das Ausmaß der Zerstörungen in Kretzhaus/Kalenborn und auch an den eigenen vier Wänden voll bewusst geworden. Mit den Plünderungen, die zwischenzeitlich erfolgt waren, hatte eigentlich keiner gerechnet. Es war auch das verschwunden, was niet- und nagelfest schien. Verdächtigt wurden nicht nur die Besatzer, sondern leider auch die Daheimgebliebenen.

Nach dem Desaster auf der Kreuzung in Kretzhaus hatten die Amerikaner vorsorglich zwei der Kettenfahrzeuge ihrer Verstärkungen (Panzer) im Garten des Schuhmacher-Meisters Karl Zilz stationiert. Da das Haus weder durch ein weißes Tuch oder sonst wie als „feindfrei“ deklariert schien, aber im Keller und an den Fenstern sich neugierige männliche Erwachsene zeigten, feuerte eine amerikanische Panzerbesatzung am 14.03.1945 frühmorgens aus nächster Nähe in die Kellerräume.

Das Panzer-Geschoss detonierte an der Kellerdecke und richtete im und am Haus schwerste Schäden an. Anna Maria Zilz, die Ehefrau von Karl Zilz, und ein Dienstverpflichteter aus Wuppertal wurden tödlich getroffen. Der knapp 12-jährige Sohn (Karl-Willi) der Eheleute Zilz erlitt links einen Oberarm-Durchschuss. Eine weitere männliche Person aus dem Umfeld von Köln kam mit leichten Verletzungen davon.

Karl-Willi Zilz, seit 1995 erblindet und am 12.02.2007 verstorben, brachte man zunächst zum amerikanischen Verbandsplatz nach Ohlenberg. Die Amerikaner entschuldigten sich offiziell für dieses Missgeschick, machten aber die Betroffenen selbst dafür verantwortlich. Danach begannen für Karl-Willi Zilz langwierige und zahlreiche Krankenhaus- und Klinik-Aufenthalte. Trotz dieser schweren Verletzung stand Karl-Willi Zilz später im Beruf voll seinen Mann. Er lebte zuletzt in Rheinbrohl.

 

Die Schule in Kalenborn als gewichtiger Befehlsstand

 

Als der Kalenborner Bahnhof erobert war, richteten die Amerikaner ihre Kampfhandlungen verstärkt auf Kalenborn und die dortige Volksschule, in deren Keller sich Bewohner des Unterdorfes in Sicherheit glaubten. Von den GIs dagegen wurden in diesem Bau eine deutsche Beobachtungsstation mit zahlreichen Soldaten und Gerätschaften vermutet. Dem war zwar nicht so! – Doch in der Schule von Kalenborn hatte sich eine hochrangige deutsche Kommandozentrale eingenistet, wovon die Bevölkerung und auch die dort weilenden Schutzsuchenden aus Kalenborn und Oberwillscheid nichts ahnten.

In der Kalenborner Schule traf Generalleutnant von Wietersheim mit dem General der Infanterie, Joachim von Kortzfleisch, zusammen. Noch am Vormittag des 08.03.1945 erschien der Oberbefehlshaber im Westen der Heeresgruppe „B“, Generalfeldmarschall Otto Moritz Walter Model, in der Schule in Kalenborn, um Entscheidungen über den „Brückenkopf von Remagen“ zu sondieren und Befehle zu konzipieren.

Nach dem Hörensagen soll ein hoher deutscher General (Model oder von Wietersheim) im damaligen ansehnlichen und gepflegten Fachwerkhaus der Familie Maria (auch „Tüttenmarie“ genannt) und Anton Hecken in Kalenborn (unweit der Donauer-Kurve am Ortsanfang von Kalenborn) logiert haben. Das Haus wurde in den letzten Kriegstagen schwer beschädigt, ist später wieder in Stand gesetzt und im Laufe der Jahre umgebaut worden.

Die Amerikaner hatten inzwischen widerstandslos Kasbach, Ockenfels und Teile von Linz eingenommen und besetzt.

Am Nachmittag des 09.03.1945 war Generalfeldmarschall Walter Model in der Kalenborner Schule mit Generalleutnant Fritz Beyerlein, dem kommandierenden General L III (53.) Armeekorps, zusammengetroffen, um ihm den Befehl zum Einsatz gegen den „Brückenkopf Remagen“ zu erteilen. Sein Quartier befand sich in Walgenbach unweit Asbach, das am 20.03.1945 nach Oberirsen verlegt wurde. Am 15.04.1945 kapitulierte Beyerlein im „Ruhrkessel“.

Die 11. Pz. Div. unter Wend von Wietersheim errichtete am 09.03.1945 in Kalenborn (Ost) ihren Gefechtsstand ein und am Abend rückte die „Kampfgruppe des Majors Helmut Hudel“ zum Einsatz am „Brückenkopf Remagen“ vor.

Das III./Pz. Rgt. 119 – südlich von Düsseldorf stationiert – erhielt den unaufschiebbaren Befehl, im Raum Kalenborn mit Einwirkungsmöglichkeiten auf die „Remagener Brücke“ in Stellung zu gehen. Die Einheit rollte Hals über Kopf noch in der darauf folgenden Nacht über die teilweise zerstörte Autobahn unter schwerem amerikanischen Artilleriebeschuss an dem lichterloh brennenden Köln vorbei und erreichte frühmorgens des 08.03.1945 das ahnungslose, verdunkelte und schlafende Kalenborn/Kretzhaus. Bei der Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit für eine Nachrichtenzentrale entschied man sich rasch für das Verwaltungsgebäude der „Schmelz“, in dem der Abteilungsgefechtsstand eingerichtet wurde.

Generalleutnant Wend von Wietersheim, der Jahre vor und nach dem Zweiten Weltkrieg in Aegidienberg wohnte, traf kurze Zeit später als seine Einheit in Kalenborn ein. Seinen Befehlsstand schlug er unverzüglich in der Kalenborner Volksschule auf.

Der Divisionsgefechtsstand der 11. Pz. Div. wurde am 11.03.1945 von Kalenborn nach Günterscheid verlegt. Ein überraschender feindlicher Artilleriefeuerschlag verursachte erhebliche Ausfälle im deutschen Divisionsstab, der ab 14.03.1945 für einen Tag nach Bertenau und dann ins Kloster Ehrenstein verlegt wurde.

Noch in der Nacht zum 15.03.1945 fand der letzte Transport auf der Eisenbahnstrecke von Altenkirchen nach Linz statt. Ein auf einem Spezialwaggon verlastetes überschweres Geschütz wurde herangeschafft und bei Vettelschoß in Stellung gebracht, von wo aus das so ge­nannte „Karl-Geschütz seine tonnenschweren Granaten vom Kaliber 54 cm gegen die Ludendorff-Brücke verschoss, ohne die Brücke zu treffen oder zum Einsturz zu bringen.

In der Nacht zum 18.03.1945 wurde der Koloss zurückgebracht, bevor die befohlene Sprengung der Wied-Tal-Brücke am frühen Nachmittag des 18.03.1945 in die Tat umgesetzt wurde.

Wie am 16.03.1945 vermeldet wurde, verlief der „Brückenkopf Remagen“ der amerikanischen Armee in der Linie Linz – Vettelschoß – Rottbitze – Aegidienberg – Großer Ölberg – Königswinter und hatte eine Breite von 18 km und eine Tiefe von 10 Kilometern.

Die 9. US-Pz. Div. verzeichnete im Kampf um Aegidienberg über 2.000 Tote und Verwundete und hatte selbst kein Verbandsmaterial zur Erstversorgung ihrer verletzten Soldaten. Das 1. und 2. Btl. des 39. Inf. Rgt. eroberten Kalenborn.

16.03.1945: „In der Nordflanke der III. Corp-Zone erobert die 39th Infantry Kalenborn, während die 47th etwas Geländegewinne in der Nähe von Vettelschoß macht und die 60th Strödt einnimmt.“

17.03.1945: „Die 9th Division schneidet die Autobahn in Nähe Windhagen, ihre Mannen überrennen Vettelschoß und erobern teilweise Boden entlang der Wied bis Strödt.“

18.03.1945: „Die 9th Division drückt gegen Objekte auf der Linie Pfeffer und der Wied, nimmt Windhagen und Oberwindhagen ein, verbessert die Position östlich von Vettelschoß und greift Strödt entlang der Wied an.“

Generalfeldmarschall Walter Model verlegte sein Hauptquartier aus einem engen Waldtal der Eifel in die Gemeinde Rimbach nahe Altenkirchen. In Oberirsen wurde das „Fliegende Standgericht“ eingerichtet, das fünf deutsche Offiziere zum Tode verurteilte, die mit der „Remagener Brücke“ zu tun hatten und denen Feigheit, Versagen und Dienstpflichtverletzungen zum Vorwurf gemacht wurden.

Noch am 20.03.1945 frühstückte und konferierte Walter Model in einem Dorfgasthaus im Westerwald mit Albert Speer, Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, der in einem Bauernhaus übernachtet hatte. Es wurde im Wesentlichen über den „Zerstörungs- oder Vernichtungsbefehl Hitlers“ (überall nach dem Rückzug der deutschen Truppen sollte „verbrannte Erde“ hinterlassen und die gesamte Infrastruktur für die Zivilbevölkerung zerstört werden) diskutiert, dem sich Speer und Model widersetzten.

Im März/April 1945 waren das Ruhrgebiet und die Truppen Models ausweglos von den Amerikanern eingeschlossen worden. Die Amerikaner wollten das Industriegebiet von Dortmund, Essen und Duisburg voll funktionsfähig erhalten, was Model anerkannte und Speer darüber überrascht schien.

Doch Hitler plante neue Offensiven zur Entlastung der Truppen, die dem Generalfeldmarschall unterstanden und „bombardierte“ Model fortwährend mit Funksprüchen. Dieser verleugnete den Empfang und erklärte zuletzt, sie in den Kriegswirren nicht erhalten zu haben.

Walter Model schickte schließlich über Funk an Adolf Hitler folgende Meldung: „Ich bin noch hier. Wo sind Sie? Model.“ – Am 18.04.1945 kapitulierte Generalfeldmarschall Walter Model vor den bestens ausgerüsteten und kampfstarken Amerikanern und nahm sich am 21.04.1945 im Wald bei Lintorf (zwischen Düsseldorf und Duisburg) das Leben.

Das Schulgebäude und Kalenborn lagen und litten schon seit dem 08.03.1945 unter schwerem Artilleriebeschuss, der sich zeitweise zum „Trommelfeuer“ steigerte. Dabei ist die Süd- und Westwand der Schule zertrümmert worden. Neben dem Dachstuhl wurde eine Kellerwand, hinter der sich die Schutzsuchenden in Sicherheit wähnten, schwer beschädigt und Kinder verwundet.

In den Schutzräumen der Kalenborner Schule befanden sich zwar große Mengen an Lebensmitteln, doch Milch und Wasser mussten von Zeit zu Zeit frisch zugeführt werden. So hatte sich am 15.03.1945 Anton Donauer aus Kalenborn auf den Weg zu dem zwischen Kalenborn und Oberwillscheid gelegenen Dorfbrunnen gemacht, um Wasser zu schöpfen. Von dort kehrte er nicht mehr lebend zurück.

Er wurde später von deutschen Soldaten – ein Granatsplitter hatte ihn tödlich getroffen – auf dem „Wasserpfad“ gefunden.

Man bahrte Anton Donauer zunächst in der Kalenborner Volksschule auf. Als das Artilleriefeuer etwas nachgelassen hatte, wurde er vorerst im Schulgarten beerdigt und später auf den Vettelschosser Friedhof überführt. Die Einsegnung und das Sterbeamt erfolgten zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem die Kriegswirren verebbt waren.

 

Der Krieg war endlich aus

 

Am Freitag, 16.03.1945, morgens gegen 08.00 Uhr, kamen die lang ersehnten Amis des 1. und 2. Bataillons des 39. Infanterie-Regiments als Befreier in den Schulkeller von Kalenborn, um den dort ausharrenden Bürgern mitzuteilen, dass die Schießereien und der Zweite Weltkrieg für sie nunmehr zu Ende sind.

In Oberwillscheid und Willscheid waren die Kämpfe nicht minder heftig verlaufen. Ein deutscher Leutnant und ein paar Soldaten leisteten dem amerikanischen „Beschuss“ zunächst erbitterten Widerstand. Aus Mangel an Munition warfen sie letztlich ihre MGs und Panzerfäuste weg und ließen sich in amerikanische Kriegsgefangenschaft abführen.

Willscheid hatte den Tod des Landwirts Johann Stockhausen zu beklagen. Er war Ortsbauernführer und amtierender Bürgermeister der Gemeinde Vettelschoß. Der über Willscheid hinaus äußerst beliebte „Kaut“ – wie man Johann Stockhausen im Volksmund nannte – hatte am 16.03.1945 in seinem Gehöft den Tod gefunden. Wegen der Kriegs- und Nachkriegswirren musste er zunächst an seinem Wohnhaus in Willscheid beerdigt werden. Die Beisetzung auf dem Vettelschosser Friedhof – unter großer Anteilnahme der Bürgerschaft – wurde nachgeholt, als in der Gemeinde Vettelschoß fast wieder Normalität eingekehrt war.

Die altehrwürdige St.-Bernhardus-Kapelle in Willscheid von vor 1570 glich – wie alle anderen Behausungen – einem Trümmerhaufen. Zahlreiche Soldaten (amerikanische und deutsche) hatten im Umfeld von Willscheid durch schwere Kämpfe ihr Leben verloren.

Vettelschoß war an einem dunstigen und später sonnigen und sehr warmen Frühlingstag (Samstag, 17.03.1945, Gertrudentag) – nach einem 10- bis 14-tägigen „Beschuss“ – von Angehörigen der amerikanischen 9. Panzerdivision, die von Vierwinden über Hallerbach und Willscheid vordrangen, eingenommen worden.

Noch kurz vorher kam ein Evakuierter namens Esser in Vettelschoß durch ein Geschoss oder einen Granatsplitter ums Leben. Er wohnte in der Kuhl bei den „Kotebachs-Männcher“ (Gebrüder Kurtenbach, die unverheiratet geblieben waren) und befand sich auf dem Weg zum oder vom Brunnen („Kullingsborren“), der links  hinter der Schreinerei von Peter Kolling in Richtung „Geißenhügel“ gelegen war.

Etwa um die gleiche Zeit wurde in der Kuhl „dat Matthes Dringchen“ (Katharina Kurtenbach) – eine Schwester der „Kotebachs-Männcher“ – in der Küche von einem Splitter tödlich getroffen.

Es bleibt für den Verfasser dieses Aufsatzes unvergessen, als in der Nacht auf den 17.03.1945 zunächst versprengte deutsche Soldaten in zerrissenen Uniformen vom Willscheiderberg kommend (sie waren angeblich in den Steinbruch gerutscht) im Keller des Hauses Michaelstraße 69 in Vettelschoß erschienen und sich nach dem Frontverlauf erkundigten.

Frühmorgens – wenige Stunden danach – klopften die ersten amerikanischen Landser an die Kellertür und musterten mit einer Taschenlampe die verängstigten und lange Zeit ungewaschenen „Bleichgesichter“, die eingepfercht dem Kriegsende und letztlich der Befreiung mit einem zunächst ungewissen Schicksal entgegen zitterten.

„Wir „hausten“ seit Tagen im schummerigen und klammen Keller. An das Kerzenlicht und die pausenlosen Artillerie-Einschläge hatten wir uns allmählich gewöhnt. Völlig neu waren die ersten Farbigen, die wir zu Gesicht bekamen und uns mit Kaugummi, Schokolade und Apfelsinen allmählich aus den Schutzräumen lockten.

Im Wohnhaus hatten die Besatzer aus Übersee eine Funkstation eingerichtet und am Hauseingang einen Panzer platziert. Das Mündungsrohr zeigte durch die unverglaste Veranda auf den Vettelschosser Bahnhof und auf die Straße ins Elsafftal. Wir Kinder bekamen durch die von den Funkern durchgegebenen Buchstaben- und Zahlenreihen (Schlüssel zum Dechiffrieren) den ersten Englischunterricht.“

Nun hatten die „Yankees“ das Sagen und die „Krauts“ – wie die Amis und Tommys vor allem die angeblich auf Sauerkraut versessenen deutschen Landser spöttisch betitelten – waren besiegt und schmachteten in Gefangenen- und Internierungscamps der Alliierten oder hungerten und schufteten lange Zeit in den Weiten Russlands in sowjetischen Arbeitslagern.

Erst nach hartnäckigen Verhandlungen erreichte der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Konrad Adenauer, im Jahre 1955, dass die UdSSR insgesamt 10.000 deutsche Kriegsgefangene freiließ. Unter den „Spätheimkehrern“ befanden sich auch zwei Bürger (Wilhelm Buslei und Johann Mohr) aus Vettelschoß.

Der Spuk der Nationalsozialisten und vor allem der Dorf-Nazis hatte ein Ende. Sie zählten allerdings mit zu den Ersten, die ihre Symbole des untergegangenen „Tausendjährigen Reiches“, das nur 12 Jahre währte und schrecklich endete, verbrannten, an ihren Häusern über Nacht die provokante Flagge – von den Nazis war 1920 das „Hakenkreuz“ – das schon 4.000 – 3.000 Jahre v. Chr. verehrte altindische Swastika-Symbol (Wohl-Seins-Zeichen) – zum „Kampfabzeichen“ und Symbol des Nationalsozialismus erklärt bzw. missbraucht worden – einzogen und nun – zum Teil noch vor Einmarsch der Amerikaner – weiße Tücher, so groß wie Bettlaken, aus den Fenstern baumeln ließen.

Einige lokale Bonzen der NSDAP kamen und sinnierten hinter „schwedischen Gardinen“ in Diez/Lahn, von wo die „verblühten Sonnyboys“ – meist geläutert – nach Monaten wieder heimkehren konnten. Die Häme, den Spott, die Schikanen, Brüskierungen und Einschüchterungen durch die Akteure der NSDAP konnten die Bürger der Gemeinde Vettelschoß so leicht nicht vergessen.

Der Bahnhofsvorsteher Josef Saal musste von seinem Nachbar (Aloys Lorscheid) auf der „Kaufstraße“ zwischen Willscheid und Hallerbach eine gehörige Dresche hinnehmen. Danach zog er es vor – wie die meisten seiner anderen verflossenen Pgs – schnellstmöglich aus Vettelschoß zu verschwinden.

Auch der Volksschullehrer Karl Becker entfernte sich sang- und klanglos aus Vettelschoß, nachdem er im Schulgarten noch viele seiner belastenden Unterlagen und wahrscheinlich auch die wesentlichen Teile der Vettelschosser Schulchronik mit den Eintragungen während der NS-Zeit einem lange lodernden Feuer übergeben hatte. Vorher war es ihm vergönnt, in Unterelsaff von einem Einheimischen eine Tracht Prügel für seine „Verdienste als überzeugter Parteigenosse“ hinzunehmen.

Durch die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 08. Mai 1945 endete nach 6 Jahren bzw. 2077 Tagen der Zweite Weltkrieg – das tragischste Kapitel der deutschen Geschichte – in Europa. 14

Als die Kriegsfurie unsere Heimat schon fast zwei Monate verlassen hatte, waren die Wege in den Dörfern bereits vom Schutt befreit, die schweren Kriegsschäden mit Bedauern registriert, die Toten beklagt und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beerdigt worden. Es waren die ersten trotzigen Lebenszeichen aus einem zertrümmerten Dorf, das noch wenige Woche davor wie ausgelöscht wirkte.

Nun kam die Zeit der Hamsterer und des Schwarzmarktes, die bis zur Währungsreform dauerte. Die „Bauerndevisen“ ersetzten bis 1948 die wertlos gewordene Mark (RM) als Zahlungsmittel.

Die Jeeps der Amis mit den farbigen Soldaten flitzten über die staubigen Dorfstraßen. Von den Bürgern waren die Löcher auf den Wegen und Straßen – durch Bomben- und Granateinschlägen verursacht – mit Trümmerschutt, Erde und Sand notdürftig ausgebessert worden. Einige Uniformierte der Siegermacht nutzten ihre Patrouillen nicht selten auch für ein Rendezvous oder suchten nach einer Gelegenheit für eine Liaison!

Nach dem Kriege galt der „Erpeler Bösch“ als ein Dorado für Militaria-Freaks, wie man heute zu sagen pflegt. Aber auch wir Kinder experimentierten dort oder daheim leidenschaftlich mit herumliegenden Waffen und Munition aller Art, die wir uns am „Kretz“ holten oder im Dorf fanden.

Wenn es wieder einmal im Hof, Garten, in Feld und Wald oder am „Geißen-Hüvvel“ bzw. auf den Halden des Willscheiderberges rauchte, zischte oder krachte, waren gleich die Stimmen der besorgten Eltern oder Großeltern zu hören, die sich lautstark nach dem Befinden der Sprösslinge erkundigten und wieder einmal Verbote aussprachen sowie das sofortige Heimkommen befahlen. Doch die meisten Spielereien mit den gefährlichen Militär-Geräten und vor allem mit der Munition sind – bis auf wenige leichtere Verletzungen oder Verbrennungen – in der Regel glimpflich verlaufen.

Aber auch von den Bauers-Leuten wurde im „Erpeler Wald“ das geholt, was brauchbar schien – wie Rohre, Drahtrollen, Dach-Bleche, Reifen, Räder, Karren, Motoren, Kanister, Benzin, Werkzeugkästen, Batterien und vieles mehr.

An der altehrwürdigen Vettelschosser St.-Michaels-Kapelle von vor 1550 hatte der „Beschuss“ schwere Kriegsschäden hinterlassen. Sie ist leider 1945/1946 abgerissen worden. Aus heutiger Sicht ist es kaum verständlich, dass von den Vettelschossern der Verlust ihres historischen „Schatzes“ so einfach hingenommen wurde. Aber den Leuten von damals bedrückten so kurz nach Kriegsende ganz andere Sorgen!

Der ersten Pfarrkirche „Heilige Familie“ in Vettelschoß, die durch den „Beschuss“ ebenfalls schwer beschädigt worden war, wäre beinahe gleiches Schicksal widerfahren; denn Trier hatte sie bereits als irreparabel („ganz oder fast ganz zerstört“) eingestuft. Sie wurde jedoch auf Betreiben der umsichtigen Kirchengemeinde von Vettelschoß durch den Maurermeister Matthias Weinberg aus Oberelsaff († 14.01.1971) mit handwerklicher Unterstützung einiger Einwohner der Gemeinde Vettelschoß restauriert und stabilisiert.

Die dafür erforderlichen Baumaterialien konnten nur aufgrund großzügiger Spenden der Landwirte (Ackerer) und mit „Bauerndevisen“ (Butter, Speck, Eier) beschafft werden. Im Herbst 1974 wurde die Kirche dann doch der Spitzhacke überantwortet und 1977 durch einen Zweckbau aus Beton als die „moderne“ Pfarrkirche St. Michael ersetzt.

Seit dem 01.01.2008 bilden die Pfarreien St. Katharina (St. Katharinen) und St. Michael (Vettelschoß) eine Kirchengemeinde mit dem Namen „Pfarrei St. Katharina/St. Michael“ und mit nur einem Pfarrgemeinderat.

Zur Pfarrkirche dieser neuen Pfarrei wurde die altehrwürdige und frühere Klosterkirche St. Katharina von 1317/1324 der Zisterzienserinnen in St. Katharinen bestimmt. Am 01.01.2010 haben auch die Kirchenchöre St. Michael (Vettelschoß) und St. Katharina (St. Katharinen) fusioniert. 15

In Oberelsaff lieferten sich an dem unvergessenen 15.03.1945 (nach einer anderen Version war es am 17.03.1945) deutsche und amerikanische Soldaten im Nahkampf schwere und verlustreiche Kämpfe. Spätnachmittags trafen die ersten GIs des 39. Inf. Rgt. unter Befehl der 9. Pz. Div. in Oberelsaff ein. Die Deutschen hatten sich in der „Hohnermühle“ (Gemeinde Rederscheid, Amt Asbach, Erzbistum Köln) von vermutlich 1670 (Ölquetsche), die 1848 – nach Aufhebung des Mahlzwanges im Jahre 1845 – um eine Mehl- oder Schrotmühle erweitert wurde, des Müllermeisters Johann Schiefer († 06.12.1966) verschanzt, die Brücke über den Hallerbach gesprengt und waren dann aus der Hintertür der Mühle in Richtung Hohn geflohen. Und die Amerikaner lagen im Wohnhaus des Müllers (Gemeinde Vettelschoß, Amt Neustadt, Bistum Trier). Das Kampfgebiet trennte nur der fischreiche Hallerbach.

Dieser Bach markiert von je her die Trennung zwischen den Diözesen Köln (Pfarrei Windhagen) und Trier (Pfarrei Neustadt bzw. Vettelschoß/St. Katharinen). Durch Volltreffer war die „Hohnermühle“ fast ganz zerstört worden und musste später von Grund auf neu aufgebaut werden.

Die Bürgerinnen und Bürger von Mittel-, Ober-, Unterelsaff und aus der Nachbarschaft hatten sich unweit der Mühle einen Schutzbunker angelegt. Das Wasser im Mühlgraben war abgelassen und der Boden mit Scheunen- und Eisentoren, Bohlen und Stroh abgedeckt worden. Ein- und Ausgang des Tunnels verbarrikadierte man mit gefüllten Mehlsäcken, die als Splitter-Schutz dienen sollten.

In diesem Verlies „lebten“ schlecht (schlicht) und recht über 230 Menschen volle 16 Tage und Nächte. „Wir lagerten und biwakierten in diesem selbst gewählten „Kerker“ wie die Heringe in der Büchse“ – meinte eine Zeitzeugin aus Oberelsaff – „und über uns auf dem Bahndamm waren Granatwerfer positioniert, die unerlässlich in den „Erpeler Bösch“ (Erpeler Wald bzw. Kirchenwald von Erpel) feuerten – wo massenhaft Munition zur Sicherung der Ludendorff-Brücke lagerte. Zur Wasserversorgung in Oberelsaff standen mehrere Brunnen mit reichlich und gutem Wasser zur Verfügung.“

Nach dem „Beschuss“ waren alle Wohnobjekte in Mittel- und Oberelsaff schwer beschädigt und an und in der St.-Antonius-von-Padua-Kapelle das Dach, die Fenster und Bänke zertrümmert. Im Innern hatten sich die „Yankees“ eine Feuerstelle hergerichtet, die heute noch zu sehen ist.

Am 01.08.1945 wurde die Gemeinde Vettelschoß (wie der gesamte Kreis Neuwied) nach dem Viermächteabkommen der französischen Besatzungszone zugeschlagen. Das fast freundschaftliche Verhältnis der Bewohner zu den Besatzern aus Übersee war vorbei.

Die Franzosen ließen Waffen und Munition einsammeln und machten Bestandsaufnahmen von Mensch und Tier. Das Suchen nach Verantwortlichen der NS-Zeit sowie deutschen Kriegsverbrechern und die Entnazifizierung nahmen ihren Lauf. Die deutschen und auch die amerikanischen Truppen hatten unzählige Munitions-Reste, aber auch Kriegsgeräte und erbeutete Fahrzeuge stehen und liegen gelassen.

So waren „Auf dem Schmalscheid“ ein deutsches Geschütz und „In der Walheld“ hatten die deutschen Soldaten einen defekten Panzer „vergessen“. Die größeren Kriegsgerätschaften waren von Einheimischen in nur wenigen Monaten vollkommen „ausgeschlachtet“ worden. Man hatte in dieser schweren und entbehrungsreichen Zeit fast alles brauchen können.

Kein Tag verging, ohne dass nicht Transporte mit Gefangenen und auf Militärfahrzeugen der Siegermächte in dem vom Krieg gezeichneten und zerstörten Vettelschoß kurz Halt machten oder es zügig passierten. Mit der im Westerwald eingesammelten menschlichen „Fracht“ ging es in die Internierungs- oder Kriegsgefangenenlager – vermutlich nach Andernach, weil die Lager Sinzig und Remagen um diese Zeit schon aufgelöst waren.

Die ausgemergelten Gestalten – in meist zerlumpten deutschen Uniformen mit abgerissenen Dienstgradabzeichen – ließen ab und zu zerknitterte Papierfetzen fallen, die sich als Lebenszeichen für ihre Angehörigen entpuppten und vielfach von den begleitenden Militärpolizisten (MP) wieder eingesammelt wurden.

Bei den Gemeindebürgern – wie überall – begann das Bangen und Hoffen um das Schicksal der Väter und Söhne, die sie noch in Uniform wähnten. Befanden sie sich in Kriegsgefangenschaft oder waren sie gefallen? Diese Fragen beherrschten damals das Tagesgeschehen der Anverwandten im Dorf und in den Weilern, wo jeder jeden kannte. Manche Väter und Söhne, deren Aufenthaltsorte noch ungeklärt schienen, mussten später als gefallen für Volk und Vaterland beweint werden.

Dass es weiterhin 5kein elektrisches Licht gab, das Wasser für den täglichen Bedarf in Eimern am Wasser-Joch aus dem „Borren“ (Brunnen) heimgetragen werden musste und die großen Schäden an Haus und Hof wurden zu dieser Zeit mit Engelsgeduld ertragen und als Gottesfügung hingenommen. Man zeigte sich schon zufrieden, dass alles vorbei war, es keine Kampfhandlungen mehr gab und das Bibbern und Beten bei diffusen Licht- und ungenügenden Hygiene-Verhältnissen in den Stollen, Bunkern und Kellern, die meist feucht und äußerst gesundheitsschädlich waren, dennoch ein Ende gefunden hatte. Zaghaft hoffte man auf einen Neubeginn.

Wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP hatten sich in der Gemeinde Vettelschoß nach Kriegsende im Verfahren zur Entnazifizierung 66 Personen zu verantworten. 1933 waren 14 Bürger in die Nazi-Partei eingetreten, die anderen erst nach und nach. Als Motive gaben sie Erwerbslosigkeit und berufliche wie familiäre Gründe an. Das Parteilokal der NSDAP in der Gemeinde Vettelschoß war die Gastwirtschaft „Zur alten Post“.

Von den 1.439 Männern über 18 Jahren der Bürgermeisterei Neustadt waren 366 bzw. nur 25 % Mitglieder der NSDAP. Bei der Reichstagsneuwahl am 05.03.1933 votierten im Amt Neustadt von 3.023 Wahlberechtigten um die 2.000 für die Zentrumspartei (Partei des politischen Katholizismus) und nur 600 für die Nazis.

Bei der Volksabstimmung mit Reichstagswahl am 12.11.1933 hatten von 708 Wahlberechtigten in der Gemeinde Vettelschoß nicht weniger als 656 (93%) die NSDAP gewählt. 16

Symptomatisch für die Zeit nach Kriegsende ist ein antifaschistisches „Umerziehungsgedicht“, das die Stuttgarter Zeitung am 15.12.1945 veröffentlichte:

 

"Mit Achtzehn Leutnant, mit Zwanzig Major /

E.K. (Eiserne Kreuz) und Nahkampfspange .../

Du kamst dir wie der Herrgott vor, – /

und warst's auch – viel zu lange. /

Du hattest Moneten, du hattest Schnaps /

und Macht über bärtige Männer. /

Das steigt zu Kopf, man kriegt einen Klaps, /

Megalomanie (Größenwahn) nennt's der Kenner. /

Und Katzenjammer, das weißt du ja schon, /

ist immer ein übles Erwachen. /

Du fühlst dich enttäuscht, du fühlst dich entkernt? /

Du hast für Hitler sterben gelernt, /

nun lerne für Deutschland zu leben!"

 

Das einzig Positive der NS-Zeit in der Gemeinde Vettelschoß – so meinen ältere Bürgerinnen und Bürger – waren die ersten Kindergärten in Kalenborn und Vettelschoß, die im Sommer/Herbst 1938 eingerichtet wurden und im Spätherbst 1944 wegen der Kriegsereignisse schließen mussten. 17

 

Die Dorf-Nazis hatten die Bürgerschaft schikaniert

und geschädigt und die Gemeinde beschädigt

 

Bereits 1933 zerrten die „Goldfasane“ – Spott-Bezeichnung im „Dritten Reich“ bzw. in der Nazi-Zeit für Amtsträger der NSDAP – den beliebten Vettelschosser „Pastur“ Alois Löw (1930 – 1937) vor den Kadi, weil er am Sonntag,19.02.1933, von der Kanzel seiner Kirche „Heilige Familie“ in Vettelschoß verkündet haben soll, „es sei ihm bisher immer noch gelungen, Versammlungen der NSDAP zu verhindern, er werde im Laufe des Tages noch Schritte unternehmen, um eine für Mittwoch, 22.02.1933, anberaumte Versammlung der NSDAP zu verhindern.“

Der Pfarrvikar Alois Löw wurde schließlich nach vielen Vernehmungen und Zeugenaussagen in einer Gerichtsverhandlung am 04.08.1934 in Neuwied freigesprochen, obwohl es im Verfahren um den Geistlichen aus Vettelschoß tatsächlich „Spitz auf Knopf“ gestanden haben soll.

Während des Verfahrens gegen Alois Löw und seinem Freispruch gelobte insbesondere die Bürgerschaft von Ober- und Mittelelsaff die St.-Antonius-von-Padua-Kapelle in Oberelsaff zu errichten, die am 09.06.2010 drei viertel Jahrhundert alt wird.

Durch den zahlreichen alten Baumbestand und wegen des ländlichen Idylls durfte sich Vettelschoß schon 1920/1930 „Erholungsort“ nennen. Aber schon um 1913 gab es in Vettelschoß eine kleine „Fremdenpension“, und zwar die von Josef Manns. Der Volksmund nannte ihn „Kleins Manns“). Als Gäste hatte er und seine Ehefrau (Anna Eva geb. Klein) gut situierte und zum Teil in der Wirtschaft allgemein bekannte Industrielle aus dem Westerwald, vom Rhein und aus dem Ruhrgebiet zu verzeichnen und zu bewirten.

Dieser unbedeutende Pensionsbetrieb gehörte bis in die 1930er Jahre zur ersten Adresse im „Erholungsort“ Vettelschoß. Im Jahre 1933 baute sich das Ehepaar Manns in der Hauptstraße 43 ein neues Objekt, das „Gasthaus mit Pension Josef Manns“.

Wenige Jahre später wurden die Sommerfrischler durch die Nationalsozialisten (was die unbedarften Dorf-Nazis unter dem Lehrer Karl Becker angezettelt hatten) wegen ihres jüdischen Glaubens vom Bahnhofsvorsteher (dem Erz-Nazi Josef Saal) in Vettelschoß nach Neustadt (Hotel „Wiedischer Hof“ von Karl Platen“) kostenlos „umgeleitet“.

Doch der couragierte Josef Manns strengte gegen den vermeintlichen Urheber der Kampagne, den „braunen“ Vettelschosser Lehrer Karl Becker („S.A.-Mann/Nationalsozialist der ersten Stunde) vor dem Amtsgericht in Asbach ein Verfahren auf Schadenersatz an, obwohl der Vettelschosser Pastor Alois Löw mit „Engelszungen“ versuchte, Josef Manns von diesem Schritt abzuhalten.

Letztlich wurde der Rechtsstreit erwartungsgemäß „kostenpflichtig abgewiesen“. Die „Rhein- und Wiedzeitung“ (die konservativ-katholisch geprägte „RWZ“) berichtete am 28.11.1938 über den Verfahrensausgang mit der Überschrift „Dem Judenknecht geschah wirklich recht!“

Nun veranlassten die NS, dass die inzwischen gut gehende Fremdenpension in Vettelschoß und auch das für die Gäste aus der Stadt gebaute Schwimmbad von Josef Manns in der Vettelschosser Flur „Züngsiefen“, in dem sich auch gerne die Schulkinder in der warmen Jahreszeit tummelten, mit fadenscheinigen Begründungen geschlossen wurden. Auch das wöchentliche „Tagesbüro“ der Kreissparkasse Neuwied musste kurzerhand verlegt werden, und zwar in das benachbarte Parteilokal der NSDAP, in die Gastwirtschaft „Zur alten Post“.

Nach den Kriegswirren kehrten einige frühere Gäste – die wenigen, die den Holocaust überlebt hatte – wieder nach Vettelschoß zurück, um vor allem zu berichten, was ihnen ehemals durch die Nazis widerfahren war. Doch altersbedingt konnte der Gastwirt mit seiner Ehefrau die Fremdenpension nicht mehr lange weiterführen.

Bis zum heutigen Tag gelang es Vettelschoß nicht, den Fremdenverkehr (wie in den 1910er und 1920er Jahren bis 1938 und von etwa 1948 bis Mitte der 1950er Jahre) wieder zu beleben.

 

 

 

Die Kriegs- oder Soldatengräber in Kalenborn/Kretzhaus,

Oberwillscheid, Willscheid, Vettelschoß, Kau, Oberelsaff und Mittelelsaff

 

Der 1865/1866 angelegte und für Bestattungen von Angehörigen der Kirchengemeinde freigegebene Friedhof gehörte ursprünglich der Kapellen-Gemeinde „St. Michael“ in Vettelschoß.

Die Gemeindevertretung (Vettelschoß) erklärte sich am 08.02.1953 einstimmig damit einverstanden, „dass die zur Zeit noch in den Fluren und Ortschaften der Gemeinde Vettelschoß in „Kriegsgräbern“ liegenden Soldaten auf den Friedhof in Vettelschoß umzubetten.“

„Das katholische Pfarramt Vettelschoß beantragt namens der Kirchenvorsteher, den konfessionellen Charakter des Friedhofs auf Grund der veränderten Bevölkerungsstruktur aus ihrer Sicht in einen Zivilfriedhof zu ändern. Dieses Vorhaben wird (von der Vettelschosser Gemeindevertretung am 14.03.1962) einstimmig gebilligt und beschlossen, daß die Mitglieder des Bau­ausschusses für Baufragen nach dem Bundesbaugesetz mit dem vom Kirchenvorstand gewählten Ausschuss Näheres verhandeln.“

Der Vettelschosser Gemeinderat nahm am 29.05.1963 von dem Beschluss des Kirchenvorstandes vom 05.05.1963 Kenntnis, wonach „die Kirchengemeinde den Friedhof Vettelschoß mit allen Rechten und Pflichten kostenfrei unter der Bedingung der Gemeinde überträgt, dass alle zur Pfarrgemeinde Vettelschoß (Kalenborn, Kau, Kretzhaus, Kuhl, Mittelelsaff, Oberelsaff, Oberwillscheid, Reifstein, Seiferhof, Vettelschoß, Willscheid) gehörenden Personen auf dem Friedhof beerdigt werden können. Es handelt sich bei dem Gelände um die Flur 7, Gemarkung Vettelschoß, Parzelle 235, Acker im Kornacker, 390 qm groß. Vor der Umgestaltung soll eine Ortsbesichtigung stattfinden.“

Im Jahre 1979 wurde der neue Friedhof in Vettelschoß eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben. Seine Erweiterung erfolgte 2003.

 

„Und Friedhöfe, die wir mit wachem Auge begehen,

sind Fingerzeige der Vergangenheit.“

 

Die wohl ersten Kriegs- oder Soldatengräber in der Gemeinde Vettelschoß befanden sich auf dem „Civilbegräbnisplatz“ – dem heutigen alten Friedhof in Vettelschoß – und waren für die am 24.06.1943 nahe Oberwillscheid infolge des Absturzes der britischen Militärmaschine („Stirling“-Bomber) zu Tode gekommenen Soldaten-Crew (ganz oben rechts) geschaufelt worden.

Die toten Soldaten nach der „Schlacht“ auf der Straßenkreuzung am 11.03.1945 in Kalenborn/Kretzhaus wurden zunächst auf der Wiese vis-a-vis des heutigen Seniorenheimes „Linzer Berg“ in Kretzhaus beerdigt. Später erfolgten ihre Umbettungen auf verschiedene Soldatenfriedhöfe (Ittenbach oder Montabaur).

Zwei einzelne Soldatengräber befanden sich gegenüber des Anwesens von Friedrich (Fritz) Hönscheid (Omnibusbetrieb Theo Sinzig). Diese beiden Soldaten sollen auf dem Verbandsplatz, der sich in dem mit einer riesigen „Rote-Kreuz-Fahne“ gekennzeichneten Haus der Hönscheids (Asbacher Straße 43 in Kretzhaus) befand, verstorben sein.

Ein Soldaten-Doppelgrab hatte man in Kretzhaus direkt hinter der Eisenbahnbrücke und vor der Einfahrt nach Bruchhausen angelegt. Die Soldaten waren erst im Sommer/Herbst 1945 im „Erpeler Bösch“ gefunden worden. Ihre sterblichen Überreste wurden 1946 – ein Soldat stammte aus Berlin – von ihren Familien nach Hause geholt. Einer der beiden Gefallenen – wohl kaum 20 Jahre alt – soll mehrere amerikanische Panzer auf der Straßenkreuzung Kalenborn/Kretzhaus abgeschossen haben. Dieser Soldat ist dem Vernehmen nach infolge einer Verwundung in der Küche der Familie Radusch/Frank (Manfred Frank) in Reifstein verblutet. Nach dem Hörensagen wurde diesem Soldaten posthum das Ritterkreuz verliehen.

Auf dem Weg zum Asberg an der Abzweigung zum „Auge Gottes“ befand sich ein weiteres Soldatengrab.

Auch „Am Rampen“ – am westlichen Ende der Brücke über die Staatsbahn – waren zwei Soldatengräber angelegt worden. Sie wurden von Gertrud Kretz („Kretzen Traud“), die in der Nähe ihr Basalt-Büro hatte, fürsorglich gepflegt. Auch diese Soldaten-Leichen holten Angehörige heim. Einer der Landser stammte aus Heide (Holstein).

Am Oberwillscheider Weg – in der Nähe des „Instituts Jeanne d'Arc“ (Oberwillscheider Weg 73) – war für sieben Soldaten, die von Bewohnern aus Oberwillscheid/Kalenborn in den umliegenden Fluren und Wäldern geborgen wurden, ein Soldatengrab angelegt worden.

Die meisten deutschen Landser um Kretzhaus oder am Mehrberg (Düstermich) waren unter der Aufsicht der Amerikaner von deutschen Kriegsgefangenen geborgen worden. Eine so genannte „Sammelstelle“ hatte man hinter den Stallungen des Gutshofes „Waldhof“ in Kalenborn, dessen Verwalter/Pächter damals Josef Lorscheid hieß, eingerichtet.

Gegenüber des Einganges der zerstörten St.-Bernhardus-Kapelle in Willscheid fanden die im Umfeld gefundenen Leichen von amerikanischen und deutschen Soldaten zunächst eine gemeinsame Grabstätte. Das war eigentlich eine Ausnahme; denn die Siegermächte transportierten rasch ihre Kriegstoten in die Heimat oder sorgten dafür, dass sie rasch aus Wald und Flur entfernt und auf einem Soldatenfriedhof eine würdige Ruhestätte fanden.

In Vettelschoß hatte man Kriegsgräber – wie die Soldatengrabstätten im Volksmund genannt werden – am Willscheiderberg (unterhalb des „Betriebsleiter-Gebäudes“) und „Im alten Hohn“, unweit der einstigen Eisenbahnbrücke und einer guten Wasserquelle, angelegt. Der „Im alten Hohn“ vorläufig beerdigte deutsche Soldat fand den Tod an seinem im/am Bahndamm positionierten Geschütz.

Auch in der Kau in der Nähe des Wohnhauses von Peter Prangenberg („Büttche“) befand sich ein Soldatengrab.

Erst im Spätsommer 1945 wurde die letzte Leiche eines deutschen Soldaten in der Gemeinde Vettelschoß von Brombeeren-Pflückern im Gestrüpp „Am Rampen“ in Kalenborn gefunden. Die Beisetzung erfolgte „ovve janz reechs“ (oben ganz rechts) auf dem Friedhof in Vettelschoß, der sich damals noch in der Obhut der Kirchengemeinde von Vettelschoß befand.

Zwei Kriegsgräber befanden sich auf der Wiese oberhalb der „Antoniuskapelle“ in Oberelsaff. Eine Grabstätte hatte man in Mittelelsaff angelegt. Die gefallenen deutschen Soldaten wurden später auf den Soldatenfriedhof in Montabaur umgebettet.

Wenn die gefallenen Soldaten identifiziert werden konnten, wurden die Kriegsgräber mit Namensschildern und einfachen Birkenholz-Kreuzen sowie mit aufgesetzten deutschen Stahlhelmen versehen.

Die Kriegsgräber trugen später meist beschriftete Holzkreuze, die Einheimische gefertigt oder gestiftet hatten. Für die unentgeltliche Pflege dieser Soldatengräber fühlten sich einige Personen verpflichtet.

Von Toleranz und religiöser Offenheit gegenüber Andersgläubigen war in Vettelschoß noch während des Zweiten Weltkrieges wenig zu spüren. An der Beerdigung eines am 13.03.1901 im Steinbruch des Wöls- oder Willscheiderberges tödlich verunglückten und sicherlich katholischen italienischen Gastarbeiters nahmen auf dem Friedhof in Vettelschoß über 200 Arbeitskollegen teil.

Als aber während des Zweiten Weltkrieges im Basaltsteinbruch am Mehrberg mehrere junge sowjetische Kriegsgefangene nach einem schweren Betriebsunfall zu Tode gekommen waren, gelangten ihre Leichen – in einfachen Holzkisten auf ratternden „Hunnen“ (Waggons für den Säulentransport) von einer Werkslokomotive gezogen – an den Willscheiderberg. Arbeiter trugen ihre toten Kollegen durch Vettelschoß zum noch „konfessionellen“ Friedhof.

Wieder oben ganz rechts an der Zypressenhecke wurden die Sowjets beigesetzt und schnell vergessen – ohne Gebet, ohne Gruß, ohne Kreuze und ohne eine nennenswerte Grabpflege. Vielleicht haben die Arbeitskollegen ihre Kappen oder Mützen kurz gezogen und still ein Gebet gesprochen? – Man weiß es nicht mehr! Vielleicht waren es russisch-orthodoxe Christen oder Muslime, die am „Düstermich“ verunglückt waren. Sie alle beriefen sich auf denselben Abraham und Moses sowie auf fast alle Propheten des Alten Testaments!

Als 1940/1941 – der Zweite Weltkrieg tobte an der Ostfront und die Soldaten hatten wegen der Kampfhandlungen kaum Zeit, ihre gefallenen Kameraden in den Weiten von Galizien, Polen, der Ukraine und Russlands unter die Erde zu bringen – ein Mitglied (Vater von Reinhold Simon) der ersten in Vettelschoß sesshaft gewordenen und allseits geschätzten evangelischen Familie verstorben war, durfte der Sarg nicht durch den Friedhofs-Eingang und an den verstorbenen einheimischen Katholiken vorbei zum ausgehobenen Grab (wieder rechts ganz außen) getragen, sondern musste seitwärts über die Zypressenhecke in die unmittelbare Nähe der Begräbnisstätte bugsiert werden.

Um diese Zeit beherbergte Vettelschoß viele deutsche Soldaten und Offiziere. Im Hause von Johann Klein („Kleins-Hannes“) in der „Hüwelseck“ – er war Mitglied des Kirchenvorstandes – hatte man einen evangelischen Militärpfarrer einquartiert. An einem Sonntag war der katholische „Hausvater“ der Einladung seines evangelischen Gastes gefolgt und hatte sich in die katholische Vikariats-Kirche „Heilige Familie“ zum evangelischen Gottesdienst begeben. Urplötzlich erschien der katholische Pastor (Fritz Blanckart) und erklärte dem verduzten auch Christen: „Herr Klein, Sie müssen die Kirche verlassen!“

Zu Tode gekommene Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Ländern, gegen die Hitler-Deutschland Krieg führte, sollen in der „Abraumhalde“ am Mehrberg mit Schutt überdeckt worden sein. Nach einer anderen Version mussten später deutsche Kriegsgefangene die Leichen wieder „ausbuddeln“. Sie sollen dann doch auf dem Friedhof in Vettelschoß klammheimlich eine Grabstätte gefunden haben.

In der ersten und späteren Vettelschosser Pfarrkirche „Heilige Familie“ ließ der erste Pfarrer, Dr. Dr. Peter Eck (1946 – 1959), links vom Eingang eine „Kriegergedächtnisecke“ mit der Pieta (Maria mit dem Leichnam Christi auf dem Schoß) einrichten. Das restaurierte Vesperbild von um 1750 stammte aus der 1945/1946 abgerissenen St.-Michaels-Kapelle in Vettelschoß.

Der Bildstock war umgeben von kleinen Holzkreuzen, die man mit den Namen der Vermissten und Gefallenen im Zweiten Weltkrieg aus der späteren Pfarrei Vettelschoß versehen hatte. Es sollen wenigstens 112 gewesen sein.

Allein Mittel- und Oberelsaff hatte 13 junge Männer als Gefallene oder Vermisste zu beklagen, die im Alter zwischen 15 und 27 Jahren überwiegend an der Ostfront während des Russlandfeldzuges für Volk und Vaterland starben.

Nach dem Ersten Weltkrieg waren es 31 bzw. 33 Vermisste und Gefallene sowie durch Kriegsverletzun­gen verstorbene Bürger, die in der Kirchengemeinde Vettelschoß beweint und um die getrauert wurden.

 

Dumm gelaufen!

 

Es war schon eine schwierige Zeit, die Zeit im „Dritten Reich“ oder „Tausendjährigen Reich“, das letztlich keine zwölf Jahre währte! Dennoch lässt sich über die eine oder andere Episode noch in unseren Tagen herzhaft lachen.

Ganz beiläufig wusste Gertaliese Albers geborene Manns aus Vettelschoß vor kurzem die folgende und lange zurückliegende Begebenheit zu berichten: Eines Tages während des Zweiten Weltkrieges habe ihr Vater – der Pensions- und Gastwirt Josef Manns – den in jenen Tagen amtierenden Bürgermeister der Gemeinde Vettelschoß, Johann Stockhausen (im Volksmund auch der „Stinks-Kaut“ genannt), angerufen und gefragt, wann er zur „Fleischbeschau“ vorbeikommen könne; denn er habe der Genehmigung entsprechend ein Schwein geschlachtet?

Johann Stockhausen war Bürgermeister, Ortsbauernführer und der so genannte „politische Fleischbeschauer“. – Bei dem amtlichen Fleischbeschauer handelte es sich um Johann („Hännes“) Schmitz aus Rederscheid. Sein Kollege in Hargarten hieß Jakob Günther. Nur bei erkrankten Tieren musste der Kreistierarzt hinzugezogen werden und die Fleischbeschau vornehmen.

Zu Rationierung von Nahrungsmitteln im damaligen Deutschen Reich waren am 27.08.1939 Berechtigungsscheine eingeführt worden, um Lebensmittel und Fleisch aufgrund der Schlachtungen zu reduzieren.

Johann Stockhausen fragte Josef Manns todernst am Telefon zurück: „Mit oder ohne „Sakramente“? – „Natürlich ohne“, war die Antwort von Josef Manns; „denn Johann, ich bin ein ehrlicher Mensch!“

Daraufhin erwiderte Johann Stockhausen, dass er erst kürzlich bei einer Bürgersfrau die „Fleischbeschau“ durchgeführt habe, die ihm partout weismachen wollte, nur ein Schwein geschlachtet zu haben, obwohl die beiden Schweinehälften noch mit je einem kompletten Schweineschwänzchen versehen waren. – Dumm gelaufen!

Johann Stockhausen aus Willscheid war der Schwiegervater von Josef Rüddel. Er ist der betagte und seit 1963 fungierende Bürgermeister der Gemeinde Windhagen.

 

Die „Wiedtalbrücke“ – Sprengung und Wiederaufbau

 

Noch am 18.03.1945 wurde unsinnigerweise die imposante „Wiedtalbrücke“ von deutschen Landsern (Pionieren des Pz.-Pi.-Btl. 209, das der 11. Panzer-Division unter dem Kommando des Generalmajors Horst Freiherr Treusch von Buttlar-Brandenfels unterstand) der früheren Reichsautobahn (RAB) Köln – Frankfurt und der jetzigen rechtsrheinischen Bundes-Autobahn A 3 (BAB 3) – Kurzform Autobahn 3 (Abkürzung A 3) – mit acht Tonnen Dynamit gesprengt.

Nach der Sprengung der Wied-Tal-Brücke blockierten 60.000 m³ Schutt den Abfluss der Wied und das aufgestaute Terrain von Wiedmühle bis Panau glich einer kleinen idyllischen Seen-Landschaft, in der sich rasch Stockenten und Fischreiher heimisch fühlten und für Nachwuchs sorgten.

Diese Autobahnbrücke, die damals eine Höhe von zirka 54 Metern und eine Länge von 425 Metern hatte, überspannte das romantische Wied-Tal. Sie wurde am 01.09.1939 mit Eröffnung der RAB Köln – Frankfurt für die noch verkehrsarme Autobahn freigegeben. Bereits zur Zeit der Weimarer Republik hatte man mit den Planungen und dem Bau von Schnellstraßen begonnen, aber unter den Nationalsozialisten wurde ihr Ausbau forciert.

Wegen der rasanten Entwicklung im Straßenverkehr „von der Schiene auf die Straße“ und vor allem durch die vielen Verkehrsunfälle mit nicht selten tödlichem Ausgang unmittelbar vor und auf den unfallträchtigen Umgehungsstraßen von und auf der Autobahn unweit von Ammerich/Neustadt/Wiedmühle erfolgte bereits im Laufe des Jahres 1947 die Planung und der Baubeginn einer 1.300 Tonnen schweren Stahl-Behelfs-Brücke mit zwei Fahrbahnen über das beschauliche Wied-Tal.

Die Einweihung und Freigabe dieses Viadukts erfolgte bereits am 10.01.1950. Man glaubte, dass auf der berüchtigten und gefürchteten „Todesstrecke“ die schrecklichen Unfallserien nunmehr der Vergangenheit angehörten, was jedoch nicht der Fall war.

In der „Neuwieder Zeitung“ vom 01.12.1955 stand zu lesen: „Seit dem 01.01.1950 – 01.09.1955 wurden auf dem 8 km langen Abschnitt der Autobahn 462 Verkehrsunfälle mit 37 Todesopfern, 133 Schwerverletzten und 349 Leichtverletzten registriert. Der Sachschaden übertrifft bei weitem die Baukosten der Brücke. Die Verantwortung für die Unfälle schob man auf das Gefälle von 5,55 %. Auch die Fahrzeugdichte soll eine Rolle gespielt haben.“

Schon am 03.02.1955 hatte diese Stahlkonstruktion als Autobahnbrücke ausgedient und wurde gesperrt; denn zwischenzeitlich war der Wiederaufbau einer neuen Stahlbetonbrücke über die Wied soweit fortgeschritten, dass zwei Fahrbahnen bereits am 01.12.1953 und der zweite Brückenabschnitt mit zwei weiteren Fahrstrecken zwei Jahre später (01.12.1955) für den Autobahn-Verkehr freigegeben werden konnten.

Den Abbau der Stahl-Behelfs-Brücke erledigten die Firmen Fried. Krupp AG aus Essen und die Rheinbrohler Hilgers AG.

Die Firma Streif als GmbH aus Frankfurt/Main – ihr Spezialgebiet bestand von jeher aus dem Schalungs-Bau – war mit der Hochtief GmbH. & Co. OHG aus Essen (Niederlassung Koblenz) maßgebend am Wiederaufbau der „Wiedtalbrücke“ in Wiedmühle beteiligt.

Denn die Verschalung der Stahl-Beton-Brücken-Teile mit den Pfeilern und den 12 Bogen wurde von der Firma Streif GmbH aus Frankfurt/Main in enger Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Weltkonzern und Bauspezialisten, der Hochtief GmbH. & Co. OHG aus Essen, durchgeführt. Die Planungsbüros beider Firmen waren in Baracken inmitten der Baustelle unweit des Wiedmühler Bahnhofs untergebracht.

In den Büros und auf der Baustelle wurde Tag und Nacht und unermüdlich „malocht“. Für die Firma Streif war die Beteiligung am Wiederaufbau der Wied-Tal-Brücke ihr erster größerer Auftrag nach dem Zweiten Weltkrieg und überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland.

Demnächst jährt es sich zum 55. Male, dass der frühere Holzverarbeitungsbetrieb Streif GmbH. – später eine OHG – nach dem Wiederaufbau (1953/1955) der Wied-Tal-Brücke in Wiedmühle und einigen Jahren des „Geschäfts-Behelfs“ an jener Stelle unweit des Viadukts den endgültigen Firmensitz 1955 nach Vettelschoß verlegte und 1958 den „Schalungsbau“ dort in einer großen und in Rekordzeit aufgebauten Werkhalle aufnahm.

Es war die Firma von Hans Streif, die das noch weitestgehend landwirtschaftlich strukturierte Vettelschoß und auch das gesamte Gemeindegebiet veränderte. 18

Von 1973 bis zum Herbst 1974 wurde die Wied-Tal-Brücke bzw. die BAB Köln – Frankfurt auf drei Fahrbahnen und jeweils einer Standspur erweitert bzw. verbreitert. Zur „alten“ Wied-Tal-Brücke baute man eine komplette neue hinzu, um einen reibungslosen Verkehrsfluss auf der inzwischen viel befahrenen Autobahn (A 3) zu gewährleisten und um Unfälle auf dieser steilen Strecke weitestgehend zu vermeiden. Es sind um die 90.000 Autos (Pkw und Lkw), die täglich die Wied-Tal-Brücke passieren.

Seit 1998/1999 verläuft fast parallel zu den Autobahnbrücken über das Wied-Tal eine dritte „Wied-Tal-Brücke“, und zwar die 387 Meter lange zweigleisige Eisenbahnüberführung der Schnellfahrstrecke Köln – Rhein – Main der Deutschen Bahn (DB). Mit 53 Metern ist es die höchste Brücke dieser Eisenbahnstrecke, die die Wied, die Landstraße 255 und die Kreisstraße 33 überquert.

 

„Der Krieg zwischen zwei gebildeten Völkern ist

ein Hochverrat an der Zivilisation"

meinte die lyrische Dichterin Carmen Sylva*

in ihrem vor 1890 erschienenen Werk „Vom Amboß".

 

*Pseudonym (Carmen = das „Lied“ und Sylva =

der „Wald“) der Königin Elisabeth von Rumänien

geb. Prinzessin zu Wied,

* 29.12.1843 im Neuwieder Schloss,

† 02.03.1916 in Bukarest,

Gattin Carls von Hohenzollern-Sigmaringen,

Fürst von 1866 – 1881 sowie König Carol I.

(1881 – 1914) von Rumänien.

 

 

 

 

Anmerkungen:

 

  1. 1.Elberfeld wurde 1929 mit Barmen, Cronenberg, Ronsdorf und Vohwinkel zu „Barmen-Elberfeld“ vereinigt und 1930 in „Wuppertal“ umbenannt. Die Bayer-Werke nahmen 1863 in Barmen die Produktion auf, übersiedelten 1867 nach Elberfeld und begannen dort noch im gleichen Jahr mit der Herstellung pharmazeutischer Erzeugnisse. 

 

  1. 2.Bei Egidius Bieger handelte es sich um den ersten Ortsgruppenleiter (NSDAP) der Gemeinde Vettelschoß, der sich parteipolitisch noch während der Nazi-Zeit vom „Saul“ zum „Paul“ bzw. vom „Saulus“ zum „Paulus“ läuterte. – Wegen seiner kritischen Äußerungen über das verbrecherische Naziregime hatten ihn seine Parteigenossen angeschwärzt. Dadurch geriet er in arge Schwierigkeiten, weshalb er versetzt werden sollte und mit weiteren Aufgaben schikaniert wurde. Mehrmals musste der Lehrer den Soldaten- bzw. Offiziers-Rock anziehen. Zuletzt hatte er die „Schnauze voll“ und türmte zusammen mit dem Gastwirt und Bäcker Josef Hecken („Backmann’s-Jupp“) und Pensions- und Gastwirt Josef Manns (dem ersten Nachkriegsbürgermeister der Gemeinde Vettelschoß) vom „Westwall“. 

 

  1. 3.Der 17. März ist der Tag der hl. Gertrud (* 626, † 17.03.659) von Nivelles. Sie war die Tochter Pippins von Landen (Domus major = Hausmeier von 623 – 640 des Frankenkönigs Dagobert und Ururgroßvater des Vaters Karl d. Gr.) und erste Äbtissin des von ihrer Mutter Idda gegründeten Klosters Nivelles im flämischen Südbrabant in Belgien. Ihr Vater schenkte ihr noch kurz vor dessen Tod im Jahre 639 den Meierhof im „dorp Brule“ = Dorf Rheinbrohl, der als „Gertrudenhof“ in die Geschichte eingegangen ist. – Jahrhundertelang galt der „Gertrudentag“ für die landwirtschaftlich geprägten Gemeindebürger von Vettelschoß als Beginn der ländlichen Frühjahrsarbeit. Die Heilige war die „Frühjahrs-Botin“, wurde gegen die Ratten- und Mäuseplage angerufen und wird als Schutzpatronin der Reisenden verehrt. Die Reisenden tranken einst zum Abschied und zur Ehre der hl. Gertrud die „Gertrudenminne“. Dieser Wein vom „Minneberg“ des Gertrudenhofes in Rheinbrohl stand in solch gutem Ruf, dass ihm in Köln noch um 1200 das Privileg der Zollfreiheit zugestanden wurde. In Nordwesteuropa und Skandinavien gehörte die hl. Gertrud im Mittelalter als „Seuchenheilige“ zu der „Spitalpatronin“ von Hanse-Gilden. – Auch die frühere Schlosskapelle („Gertrudiskapelle“) auf Altenwied war der hl. Gertrud geweiht. In den Kellerei-Rechnungen von 1430/1432 wurden neben dem Schloss-Kaplan auch die „Gertrudiskirchweih“ („Drutziendmissen“) erwähnt. 

 

  1. 4.„De schäl Sick“ ist beileibe kein Schimpfwort, sondern eine Redewendung aus dem Moselfränkischen, die schon zur Römer-Zeit für die Bürger am Rhein ein Begriff und unter den Pferdeknechten gebräuchlich war, als man die beladenen Kähne oder Treidel-Schiffe durch Pferdegespanne mit dem Schlepptau stromaufwärts „treidelte“. – Die Pferde, die an sonnigen Tagen stundenlang die Kähne rheinaufwärts ziehen mussten, sind allmählich durch die Sonnen-Spiegelung auf dem reflektierenden Rhein-Strom auf den linken Augen erblindet oder bekamen einen „schielenden“ Blick. Von den Fuhrleuten wurde schließlich diese Partie und die rechte Rhein-Seite als „De schäl Sick“ betitelt. – In Kripp stand die Krippe (Futterplatz) mit Wasser-Tränke für die treuen und fleißigen Vierbeiner. Auch die Knechte gönnten sich dort oft eine Ruhepause oder die Gespanne wurden ausgewechselt. 

 

  1. 5.Bei „Fucken“ oder „Vocken“ oder „Fokken“ oder „Focken“ könnte es sich um einen abgewandelten Insassen-Namen handeln, also von einem, dem die eingefriedigte „hohn“ = Wiese bzw. gabelförmige oder gerodete Parzelle („Im Hohnen“, „Am Hohn“ (Hohnstück) = Wiese oder Landstück beim Dornbusch oder in der Flur „Hagen“ = Hain/Dornbusch mit einer Einfriedung/Verhau einst gehörte. – Nicht abwegig scheint auch, dass Eigentümer dieses Gebietes frühere Hun- oder Honschafts-Führer gewesen sind. Die benachbarte Flur „In der Hähn“ oder „In der Haehn“ oder „In den Hähnen“ wird als „Haenbuche“ oder „Haynboiche“ oder „Hagenbuoche“ (Hain- oder Weißbuche) gedeutet. 

 

  1. 6.Soissons – eine Stadt mit heute über 28.000 Einwohnern – war bereits zu Zeiten der römischen Besetzung als Augusta Suessionum bekannt und zwischen 486 und 497 Hauptstadt des Franken-Reiches. 

 

  1. 7.Die Kölner Alexianer waren eine katholische Kongregation für Laienbrüder in der Krankenpflege. Sie gründeten 1904 in Eschweiler ihre erste Filiale. Es war eine in der Peilgasse gelegene Wohnung mit sieben Räumen. 1937 erfolgte ihre Auflösung. Das Haus ging 1944 offiziell an die Ursulinen in Köln und 1956 übernahm es der „Eschweiler Bergwerksverein“. 1960 wurde das Objekt an einen Fabrikanten verpachtet und schließlich verkauft. Wenige Jahre später ließ er das frühere „Kloster“  abreißen. An die Alexianer in Eschweiler erinnert nur noch das Sträßchen „Im Klostergarten“. 

 

  1. 8.Der „Melatenfriedhof“ in Köln – der Zentralfriedhof von Köln mit vielen historischen Grabanlagen – wird am 29.06.2010 zweihundert Jahre alt. 

 

  1. 9.Angela Merici (* um 1470/1474 in Desenzano del Garda (Gardasee), † 27.01.1540 in Brecia) war 1535 die Gründerin der „Compagnia di Sant'Orsola“, aus der sich der Orden der Ursulinen entwickelte. Die ganzheitliche Formung, die die Mitglieder durch die Gründerin erfuhren, machte sie fähig, eine wesentliche Rolle in der Katechetischen Bewegung nach dem Konzil von Trient (1545 – 1563) zu übernehmen. Und hier liegen die Wurzeln für die Entwicklung zum Schulorden. Angela Merici wird von der katholischen Kirche als Heilige verehrt. Ihr Gedenktag ist der 27. Januar. 

 

  1. 10.Die Gemeinschaft der ADJC wurde 1851 von Maria Katharina Kasper zur Krankenpflege und Mädchenerziehung gegründet und 1870 vom Papst anerkannt. Auch werden die Schwestern nach ihrem Mutterhaus in Dernbach im Westerwald die „Dernbacher Schwestern“ genannt. Der Kongregation gehören heute noch rund 750 Schwestern in Deutschland, den Niederlanden, England, USA und Indien an. Haupttätigkeitsbereiche sind Krankenpflege, Kinderfürsorge, Erziehung und Bildung sowie pastorale Dienste. 

 

  1. 11.(Aus dem „Bundeslied des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins“, das 1863 Georg Herwegh (1817 – 1875) dichtete und sich die Nazis auf ihre Fahnen geheftet hatten.) 

 

  1. 12.Lehrer Egidius Bieger – er war wohl schon 1933/1934 Ortsgruppenleiter der NSDAP, wurde vermutlich 1939/1940 abgelöst, am Dreikönigstag 1934 zum Vorsitzenden des Kapellen-Bau-Vereins von Kalenborn gewählt und gehörte von 1935 bis 18.07.1944 dem Vettelschosser Gemeinderat an – zählte schon lange vor Kriegsende zu den Kritikern des NS-Regimes. Er sollte von Kalenborn versetzt werden, wogegen er sich erfolgreich wehrte. Schließlich musste er zusätzlich als Berufsschullehrer in Kalenborn und Lehrer-Vertreter in Hallerbach fungieren. 

 

  1. 13.Gretel Kretz nahm später in dem heil gebliebenen Kuhstall den Gaststättenbetrieb wieder auf. Sie verehelichte sich mit August Kagel. Aus dem dunklen Stallgebäude entstand 1952 das „Landhaus Kagel“ mit Tankstelle in der Notscheider Straße 1 in Kalenborn. 

 

  1. 14.Er kostete bis zu 60 Millionen Menschen das Leben. Allein die Sowjetunion beklagte im Jahre 1945 zwischen 25 und 30 Millionen Tote. Es waren meistens Zivilisten. Am 24.06.1945 fand auf dem Roten Platz in Moskau ein triumphaler Festakt mit Militärparade statt, erbeutete Wehrmachts- und SS-Standarten wurden vor dem Leninmausoleum zusammengeworfen. Wenn die Russen heute gefragt werden, auf welche Ereignisse und Leistungen aus der Vergangenheit sie stolz sind, dann erinnern sie sich wohl an Dichter, Komponisten und Kosmonauten. Am größten aber ist der Stolz in allen Generationen auf den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg. – Deutschland lag in Schutt und Asche. Der Krieg mit seinen Zerstörungen hatte überall Tabula rasa gemacht. – Wie die USA und die Sowjetunion holten auch Frankreich deutsche Raketenspezialisten (Techniker und Ingenieure, die zum größten Teil im Raketenforschungszentrum Peenemünde an der V2 gearbeitet hatten), um die eigenen Rüstungsprojekte (Raketenindustrie) voranzutreiben. Doch auch Franzosen und – in geringem Umfang – die Engländer mischten zwischen den Siegermächten mit. Die deutschen „Gastarbeiter“ sollen erheblich dazu beigetragen haben, dass Frankreich zur drittgrößten „Weltraummacht“ aufrückte. 

 

  1. 15.Nach dem 8. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung im Lande Rheinland-Pfalz vom 28.07.1970, das am 07.11.1970 in Kraft trat, wurde die Verbandsgemeinde, die ehemalige Bürgermeisterei bzw. das frühere Amt Neustadt aufgelöst. Mittel- und der größere Teil von Oberelsaff – die bisher zur Gemeinde Elsaffthal gehörten – kamen zur Gemeinde Neustadt (Verbandsgemeinde Asbach). – Zwei Wohnobjekte in Oberelsaff – das Wohnhaus der Familie Lorenz Fink (ehemals Johann Schiefer) und das von Johannes Heidt (ehemals Wilhelm Heidt) und die St.-Antonius-von-Padua-Kapelle – zählen wie bisher zur Gemeinde Vettelschoß (Verbandsgemeinde Linz). Mittel- und Oberelsaff gehören aber zur Pfarrei Vettelschoß bzw. nach der Fusion (2008) mit St. Katharinen zur Pfarrei St. Katharinen/Vettelschoß. 

 

  1. 16.Viele meinten später, sie seien eigentlich schon immer „Herzens-Wider-Ständler“ gewesen. Von den massenhaften Nazi-Verbrechen hätten sie nichts gewusst. Offensichtlich verdrängten diese Leute die ungeheuren Geschehnisse und zerflossen nun vor Selbstmitleid. Dem Verfasser ist noch in Erinnerung, dass 1945/1946 ein erwachsener Mann weinend auf der grün gestrichenen Bank in der „Hüvvelzeck“ saß und mit seinem Großvater (Johann Klein) über die jüngste Vergangenheit palaverte. Auf dieser Bank war ab und an auch Dr. Egidius Schneider anzutreffen, wenn er seine Besuche in Vettelschoß absolvierte. – Jahre danach – es war kein Einzelfall – erfuhr ich, wer das war und worum es in diesen Gesprächen ging: Die Entnazifizierungsverfahren hatten begonnen und die Betroffenen brauchten Entlastungszeugen, um wieder in Arbeit und Brot zu kommen. In einem Falle weiß ich, dass der „Kleins-Hannes“ (Johann Klein) die Wiedereinstellung dieser Person bei seinem vorherigen Arbeitgeber erreichte. Es war derselbe Arbeitskollege, der während des „Dritten Reiches“ permanent aber vergeblich versucht hatte, den Bruchmeister am Willscheiderberg für die NSDAP zu gewinnen. Wäre er PG geworden, hätte er nicht nur Johann Rüddel – der sich wegen einer vorschnellen Partei-Aktion im Gemeinderat nicht mehr blicken lassen wollte oder konnte – als Bürgermeister der Gemeinde Vettelschoß vertreten, sondern wäre sicher zum Nachfolger bestimmt worden. 

 

  1. 17.Sie gingen in der Tat auf Initiativen der Ortsgruppenleiter der NSDAP zurück. Und die hießen: Egidius Bieger (Kalenborn), Fred-August Rohde (1940) bzw. Kurt Förster (1942 – 1944) aus Kretzhaus/Kalenborn und Anton Knopp (Vettelschoß). Diese Kindergärten waren eigentlich so genannte Kinder-Verwahr-Stätten und galten als „Babies“ der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Von 1940 an nahmen die Ortsgruppenleiter fast regelmäßig an den Gemeinderatssitzungen der Gemeinde Vettelschoß teil. 

 

  1. 18.Wiedmühle (eine Siedlung, die um die einstige Mühle des kurkölnischen Amtes Altenwied entstanden ist) gehörte damals zur Gemeinde Elsaffthal und diese zum Amt bzw. zur Verbandsgemeinde Neustadt. Nach deren Auflösung (28.07.1970/07.11.1970) zählt Wiedmühle zur Gemeinde Neustadt und diese zur Verbandsgemeinde Asbach. Die Gemeinde Vettelschoß, die seinerzeit ebenfalls dem Amt bzw. der Verbandsgemeinde Neustadt angehörte, wurde der Verbandsgemeinde Linz zugeschlagen. 

 

 

 

 


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