Am 02.06.1888 wurde unter Führung des Kölner Steinbruchbesitzers Wilhelm Zervas die ,,Basalt-Actien-Gesellschaft`` (BAG) gegründet. Nach dem Beschluss der Generalversammlung vom 25.03.1891 verlegte man den Gesellschaftssitz von Köln nach Linz mit einer Zweigniederlassung in Rotterdam. Acht der elf Gründungsmitglieder waren Holländer. Sechzehn Steinbrüche (Hummelsberg, Dattenberg, Naak, Willscheiderberg, Asberg, Ginsterhahn, Finkenberg, Mehrberg, Minderberg, Dungkopf, Scheidskopf, Stümperich, Schwarzenberg, Erpeler Ley, Peschberg und Wolfsacker) hatte die BAG am 01.07.1888 vereint. In der zweiten Hälfte 1888 und bis zur Jahrhundertwende kamen noch weitere hinzu. Das Hauptgeschäft machte man in den ersten Jahren mit Säulen, Satz- und Senksteinen im Wasserbaugeschäft. Der Rhein war zunächst die ,Hauptverkehrsstraße` für die Basalttransporte. Überall wurden gesunde und kräftige Arbeiter für die schwere und schweißtreibende Steinbrucharbeit gesucht. Nach alter Tradition zog der Vater seine Söhne meist schon im 12. Lebensjahr oder nach der Schulentlassung zu Handarbeiten im Steinbruch heran. Daraus entstand nicht selten ein festes Arbeitsverhältnis.
Spätnachmittags am Donnerstag, 16.03.1893, tagte in Vettelschoß der sechsköpfige Gemeinderat unter dem Vorsteher (Bürgermeister) Heinrich Reufels (Landwirt und Bruder des ,Siefer-Halfe` bzw. Pächters = Matthias Reufels vom ,,Sieferhoff`` oder Seiferhof), um den Pachtvertrag mit der Basalt-Actien-Gesellschaft (BAG) in Linz vom 10.03.1893 über eine ,Gemeindewaldfläche am Willscheiderberg' zu genehmigen. Zu dieser für die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde Vettelschoß so entscheidenden Gemeinderatssitzung hatte der Bürgermeister (Amtsbürgermeister von 1872 - 1909 des Amtes Neustadt/Wied) Karl Johann Baptist Zimmermann am 06.03.1893 schriftlich eingeladen. Die Einladung war durch den Gemeindediener Anton Ewens aus Vettelschoß am 07.03.1893 zugestellt worden. Neben Heinrich Reufels, Seiferhof, handelte es sich um die Gemeinderatsmitglieder Peter Joseph Fischer, Kalenborn; Bartholomäus Heuser, Vettelschoß; Heinrich Kurtenbach III., Vettelschoß; Georg Schmitz, Vettelschoß, und Anton Weißenfels, Kalenborn, die dem Pachtvertrag mit großer Freude und zum Wohle aller in der Gemeinde Vettelschoß und ohne Wenn und Aber zustimmten. Nun war alles - wovon man lange geträumt hatte - ,geritzt` (schriftlich festgehalten) und der Aufwärtsentwicklung stand nichts mehr im Wege. Bereits am 30.10.1890 hatten sich dieselben Gemeindeväter auf dem Seiferhof damit einverstanden erklärt, dass der BAG ,,gemäß Zeichnung des Areals - näher bezeichnet mit den Buchstaben b1g1 groß 48 Ar + 32 Quadratmeter - in einer runden Summe von 4000 Mark jährlich auf die Dauer der Pachtzeit bis 1900 verpachtet wird.``
Nach dem ,,Pachtvertrag zwischen der Gemeinde Vettelschoß und der BAG betreffend des Willscheiderberges vom 01.01.1893 - 31.12.1939, 01.01.1894 - 31.12.1939 bzw. 01.04.1898 - 31.12.1939 ist die Dauer des Basaltabbaues gemäß Hauptvertrag vom 10.03.1893 mit den beiden Nachträgen vom 11.01.1895 und vom 02.05.1898 über den 31.12.1939 hinaus bis zur restlosen Ausbeute des Basaltvorkommens verlängert`` worden. - 1893 zählte die Gemeinde Vettelschoß um die 550 Einwohner. Es gab 1895 neun Höfe und 120 Behausungen.
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Vertragsgemäß verpflichtete sich die BAG, ,,bei der Steingewinnung an der Wand nicht mehr als 50 Brucharbeiter zu beschäftigen.`` - ,,Die BAG zahlt an die Gemeinde Vettelschoß als einmalige Entschädigung für die ganze Pachtdauer den Betrag von Hunderttausend Mark (Goldmark). Hiervon sind bei Abschluß des Vertrages bzw. sobald die obrigkeitliche Genehmigung erfolgt ist, sofort Zwanzigtausend Mark bar auszuzahlen; der Rest von Achtzigtausend Mark ist in 8 gleichen Jahresraten von je 10.000.- Mark vom Jahre 1894 ab in acht aufeinanderfolgenden Jahren, jedesmal am 1. Januar an die Gemeindekasse Vettelschoß zu zahlen. Die stehenbleibende Restpachtsumme ist mit % zu verzinsen und zwar vom 1. Januar 1893 ab.`` - ,,Der Pachtpreis für die neu anzupachtende Fläche beträgt 2.653,77 Mark und ist ab 01.01.1895 zu zahlen - für die ganze Dauer der Pachtzeit, mit Zinsen vom 01.01.1894 gerechnet zu %.`` - ,,Der Pachtpreis für die neu anzupachtende Fläche beträgt 847 Mark und ist am 01.01.1899 zu zahlen für die Dauer der Pachtzeit, mit den Zinsen vom 01.04.1898 gerechnet zu %.``
,,Für die Zeit vom 01.04.1937 ab bis zum Ende des Rechnungsjahres, in welchem der Betrieb wegen restloser Ausbeute des Bruches von der Pächterin eingestellt wird, zahlt die Pächterin der Gemeinde Vettelschoß: 1.) eine Jahrespachtsumme von 2.300 RM (Reichsmark). Diese Jahrespachtsumme ist jeweils am 02.01. für das laufende Rechnungsjahr an die Amtskasse in Neustadt/Wied zu zahlen. - Gegen diese Zahlung fällt die mit Schreiben des Bürgermeisteramts Neustadt/Wied vom 12.03.1924 J.Nr. 784 H. bestätigte außerordentliche Sonderleistung von jährlich 250 RM mit Wirkung vom 01.04.1937 ab fort. Sollte der Betrieb länger als 100 Arbeitstage jeweils innerhalb der Zeit vom 01.04. - 31.03. des folgenden Jahres stilliegen, so erhöht sich die Jahrespacht für das betreffende Jahr um 1.000 RM. Diese Erhöhungssumme braucht nicht gezahlt zu werden, wenn das Stilliegen infolge höherer Gewalt oder behördlicher Anordnung ohne Verschulden der Pächterin erfolgt. 2.) Eine Abgabe für das geförderte Material, und zwar: für Prellsteine, das sind Säulen mit zwei bearbeiteten Köpfen von 1,20 m Länge aufwärts, für das Stück 0,25 RM, für sonstige A-Erzeugnisse, das sind Grenzsteine, Säulen, Kopfsteine und Satzsteine, Polygonalsteine, Groß- und Kleinpflastersteine je Tonne 0,45 RM, für B-Erzeugnisse, das sind alle übrigen Erzeugnisse, insbesondere Brecher- und Schlagkrotzen, Packlage und Senksteine je Tonne 0,10 RM. - Zu dem geförderten Material zählen auch diejenigen Erzeugnisse, für die das Rohmaterial, z.B. Brecherkrotzen, aus etwaigen Halden gewonnen wird.``
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,,Sollte sich der allgemeine Preisstand für ein Rechnungsjahr gegenüber dem Stand von 1937 um mehr als 5 % erhöhen, so erhöhen sich die vorgenannte Jahrespachtsumme zu 1) und die Materialabgabensätze jeweils entsprechend für die Zeit des erhöhten Preisstandes.`` - ,,Der Gemeinde Vettelschoß sowie jedem Bürger dieser Gemeinde steht das Recht zu, für den eigenen Bedarf und Gebrauch aus den Halden eine beliebige Menge Steine unentgeltlich zu entnehmen, jedoch darf hierdurch der Betrieb in keiner Weise gestört werden.`` - ,,Die Basalt-Actien-Gesellschaft ist verpflichtet, der Gemeinde Vettelschoß für ihren Bedarf in dem Vertragsjahr Splitt, Kleinschlag, Packlage oder unbehauene Mauersteine (lagerhafte rohe Bruchsteine) nach Wahl der Gemeinde bis zur Höchstmenge von zusammen 170 cbm jährlich unentgeltlich ab Bruch bzw. am Kretzhaus abzugeben. - Haldensand und Hammerschlag, soweit derselbe anfällt, für den Eigenbedarf der Gemeindeeingesessenen ist ab Bruchhalde oder nach Vereinbarung am Lagerplatz in Kretzhaus stets in hinreichender Menge bereitzustellen.`` - ,,Die Basalt-Actien-Gesellschaft verpflichtet sich, für vorhandene geeignete Arbeitsplätze im Steinbruch Willscheiderberg und in allen etwa sonst noch in der Gemarkung Vettelschoß hinzukommenden Steinbruchbetrieben nur Arbeiter aus der Gemeinde Vettelschoß, welche sich zur Übernahme der betreffenden Arbeit melden, entsprechend in den nachgenannten Betrieben der Verwaltung Kalenborn: Sägewerk, Mehrberg und Minderberg, restliche Arbeiter aus der Gemeinde Vettelschoß, dann sonstige aus der Gemeinde Elsaffthal, dann aus andern Gemeinden des Amtes Neustadt/Wied, und dann erst aus sonstigen Gemeinden anzunehmen; für den Steinbrecher und die Bergbahn gilt dies entsprechend, doch tritt die Gemeinde Elsaffthal an erste Stelle. - Für die aus dem Heeresdienst entlassenen Angehörigen der Gemeinde Vettelschoß sind notfalls die erforderlichen Arbeitsplätze freizumachen, wenn solche jungen Leute sich unmittelbar im Anschluß an ihre Entlassung aus dem Heeresdienst zur Arbeitsaufnahme melden. - Kraftwagen- und Gespannfuhren, Lieferungen und Handwerkerarbeiten jeglicher Art, besonders Neuanfertigungen, die für die vorgenannten Betriebe vergeben werden, sollen an Einwohner der Gemeinde Vettelschoß übertragen werden.``
1896 entstand an der ,,Sternerhütte`` (Linz) eine Steinbrecheranlage zur Herstellung von Basaltschotter und Edelsplitt, nach dem 1895 der 1882 gebaute und am Schwarzen Berg (Leubsdorf) aufgestellte kleine Brecher der Firma D. Zervas Söhne abgebaut und als erster Steinbrecher der BAG am Hummelsberg neu aufgebaut und in Betrieb genommen worden war. Vorher wurde der ,Kleinschlag`, den man als Wasser- und Wegebaumaterial sowie als Gleisbettung zur Erweiterung des Eisenbahnnetzes benötigte, ausschließlich manuell von Hand- oder Steinschlägern mit dem Spalt- oder Kipphammer hergestellt. Das Basaltinwerk in Linz wurde Anfang November 1901 gebaut und nahm im April 1902 die Produktion von Kunststeinen (Betonsteinen) auf. Da die Grauwacke-Industrie für die Basalt-Actien-Gesellschaft eine ernst zu nehmende Konkurrenz darstellte, sind von ihr nach 1910 verschiedene Steinbrüche aufgekauft und in eigener Regie betrieben worden.
Im Jahre 1907/1908 hat die BAG eine Brecheranlage am Willscheiderberg gebaut, weil große Mengen an Kleinschlag für den Ausbau von Wegen und Straßen sowie für die konzipierten neuen Eisenbahnstrecken (wie die von Linz nach Altenkirchen im Jahre 1909/1912) benötigt wurden. Brechermeister um 1909/1910 war Josef Ewens (Iwens Jüpp) aus der ,Hüvvelzeck` in Vettelschoß. Er war auch Fluraufseher und in der Gemeinde sehr gefürchtet. Im Frühjahr 1906 arbeiteten am Wöls- oder Willscheiderberg annähernd 200 Personen und in den Quarzitgruben innerhalb der Gemeinde Vettelschoß schufteten um die 80 Arbeiter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der ,Brecher` am Willscheiderberg nicht wieder in Betrieb genommen und demontiert worden. Die Brecheranlage wurde noch mit einer stationären Dampfmaschine betrieben. Letzter Brechermeister war Franz Gemein (Kolonialwarengeschäft Franz und Gertrud Gemein bzw. ,,Wönisch Traud``) aus Vettelschoß. Als letzter Maschinist fungierte Wilhelm Homscheid ( 15.03.1876, 17.11.1948) aus der Kau. Sein gepflegtes ,Dampfross` galt oft als das Vorzeigeobjekt in der ansonsten verstaubten Brecheranlage. Sowohl der ,Brecher` der Firma Uhrmacher am Bahnhof in Vettelschoß als auch der am Willscheiderberg entwickelten im Zerkleinern des Basaltgesteins neben dem ohrenbetäubenden Betriebslärm weithin sichtbare Staubwolken. Das umliegende Gebüsch und die Bäume glichen - bis zum nächsten Regen - das ganze Jahr über einer Winterlandschaft.
Am 26.07.1898 trafen am Wölsberg die ersten 32 italienischen Gastarbeiter ein. Zur Unterbringung hatte die BAG ein großes Gebäude errichten lassen. Es sollten weitere Fremdarbeiter folgen. 1910 waren es 28 und Anfang August 1915 arbeiteten 25 französische Kriegsgefangene im Steinbruch, die am 01.05.1917 durch 30 belgische Zivilisten ersetzt wurden. Sie verdienten 5 Mark am Tag und hatten für Beköstigung und ,Logis` täglich 2,50 Mark zu bezahlen. Der ,Gastarbeiterkomplex` - den Franzosen und Belgier ihre ,,Menage`` nannten - befand sich zwischen dem 1938 erbauten Aufenthalts-, Wasch- und Duschraum, Magazin, Küche und Büro sowie Lokomotivschuppen mit den Werkstätten. Das Gelände - unweit des im Frühjahr 1893 angelegten Schwarzpulver- oder Dynamitlagers für die Kammersprengungen im Steinbruch - bezeichnete man als den ,Franzosenplatz`. Dort wurden von Basaltkippern und Schotterschlägern aus Säulen die begehrten Grenz- und Senksteine sowie Pflastersteine und Kleinschlag hergestellt. Die Fremdarbeiter verbrachten auf diesem Gelände oftmals ihre Freizeit, spielten Karten, Ball oder Boccia. Im Mittelpunkt dürften aber die Diskussionen und der Austausch von brieflich übermittelten Erkenntnissen über Lage und Lebensumstände ihrer Familien in der Heimat gestanden haben.