Basalttransporte in Hunt und Hunnen mit Werkslokomotiven

Das Basaltgestein im Steinbruch - nach Bohrung und Sprengung, mit Ausnahme der Säulen, zertrümmert - ist anfangs mit der Hand auf ,Hunnen` (Kippkastenwagen) oder auf den ,Hunt` (für den Säulentransport) geladen worden. Diese gelangten auf der Abbausohle von Arbeitern geschoben, später mittels Pferdegespann, dann mit Dampfloks durch die Stollen oder an den alten Bremsweg und zuletzt mit Dieselloks an den neuen ,Bremsberg/Bremsweg/Bremsbahn`. Dieser hatte 1973/1974 eine Länge von 220 Metern. Der alte ,Bremsweg` war schon in den 1930er-Jahren aufgegeben worden. Zur Betreibung des Aufzuges stand hinter dem neuen Lokomotivschuppen eine stationäre Dampfmaschine. Letzter Maschinist war Karl Hecken aus Vettelschoß, der später als Lokomotivführer sein ,Brot` verdiente.

Abbildung 15: Betriebsleiter Wilhelm Münch (? 1947) mit Schäferhund ,,Passauf`` und Lokomotivführer Peter Lehmann (? 1959) sowie der Heizer Wilhelm Hecken (,,Lückswill``, später selbst Lokführer, ? 1994) im Führerhaus der Werkslok, die am 17.03.1921 unweit des Steinbruchrandes von Wöls- oder Willscheiderberg positioniert wurde.
(Bild: Elisabeth Lehmann, Vettelschoß)
Image DampflokLehmannMuench

Am neuen ,Bremsberg` wurden die schwer beladenen Wagen vom Aufzug aus einzeln von je einem der zwei leistungsstarken und voneinander unabhängigen Elektromotoren mit einem Drahtseil auf einem der Gleisstränge aus dem Steinbruch gezogen. Die Gleispaare waren durch eine Treppe (242 Stufen im Jahre 1956 - knapp 300 sollen es 1974 gewesen sein) zur Erreichung der Arbeitsplätze im Steinbruch getrennt. Das starke und schwere Seil koppelten zwei Arbeiter ab und schoben die Wagen zum Abtransport zusammen. In langen Wagenketten - von Dampflokomotiven auf den Werksgleisen der Schmalspurbahn gezogen oder geschoben - gelangte das Basaltgestein zum Brecher, an den ,Rampen` in Kalenborn zur Verladung in Staatsbahnwaggons oder für den Autotransport, an das Schmelzbasaltwerk oder an den ,Düstermich` (Mehrberg) in die dortige Brecheranlage bzw. zur Umladung in Seilbahnloren für die Schiffsverladung am Rhein. Die Inbetriebnahme der Verladestelle in Kalenborn führte in den 1930er-Jahren zu einer Verdoppelung der Arbeiterzahl am Mehrberg und Willscheiderberg. Im eigenen Büro am ,Rampen` saß das ,Fräulein` - eine resolute Persönlichkeit, die es verstand, sich in der Männerwelt sowohl am ,Hörnchen` (Telefon) als auch in direkten Gesprächen durchzusetzen. Es war Gertrud Kretz ( 21.03.1896, 27.01.1987) - auch ,Kretzen Traud` genannt - aus Kretzhaus.

Die Loks waren mit je einem Führer und einem Heizer besetzt. Um die Sicherheit der ,Kettenzüge` aus Hunt und Hunnen bemühten sich ein oder zwei Bremser. Neben dieser gefährlichen Tätigkeit - jeder Wagen verfügte über ein Hand- oder Drehbremsgestänge, das zu lockern oder festzudrehen galt - mussten sie zusätzlich gegen alle Witterungswidrigkeiten ,ankämpften` und ab und zu mithelfen, die entgleisten Waggons wieder flott zu machen. Den Bremsern oblag auch das Stellen der Weichen - eine wiederum keine leichte Aufgabe. - 1926 verunglückte Matthias Heßler aus der Kau. Er war zwischen die Puffer der Waggons geraten. Als Beinamputierter fand er nachher seine Beschäftigung in den Werkstätten am ,Birch` und entwickelte sich zu einem passionierten und geschätzten Handwerker.

Das Herablassen der leeren Wagen vom Aufzug aus in den Steinbruch und die Seilbremsung erfolgte durch die Elektromotoren. Die Bremsbeläge bestanden aus Holz, das jedes Mal glühte und nach kurzer Zeit ersetzt werden musste. Im Aufzugsgebäude war es stets ,gemütlich` warm. In den Sommermonaten herrschten dort fast tropische Temperaturen, obwohl alle Fenster und die Tür geöffnet waren und in diesem ,Kraftzentrum` permanent Durchzug bestand. Das verbrannte Buchenholz vermittelte trügerisch den Eindruck, als brenne ein Kaminfeuer. Die schweren Motoren ließen das ganze Gebäude zittern und beben, als wollten sie alles aus den Angeln reißen. Zudem verursachten sie einen ohrenbetäubenden Lärm, sodass eine notwendige Verständigung nur mittels Gebärdensprache möglich war. Viele Jahre und bis zuletzt wurde der ,Aufzug` von Wilhelm Saal aus Vettelschoß ( 08.02.1913, 17.03.1989) - den man auch ,,Iwens/Ewens Will`` oder ,,Laib`` nannte - meisterhaft gefahren.

Abbildung 16: Aufenthaltsraum mit Magazin und Aufzugsgebäude. Davor der Wagenpark.
(Bild: Elisabeth Kretz geb. Steffen, Vettelschoß)
Image LorenundAufzug

Mit Gemeinderatsbeschluss vom 12.09.1922 ist der Firma ,Elektrizitätsvertrieb und Bahnen im Kreis Neuwied` gestattet worden, eine 12.000 Voltleitung mit den erforderlichen Masten an den Willscheiderberg zu verlegen. Das ,Niederspannungsnetz` kam durch eine Firma ,Becker & Co.` an den ,Birch`. Die Zeit der Elektrifizierung nahm ihren Anfang. Es galt umzurüsten und zu modernisieren. Im Alltag der Beschäftigten am ,Wellschenderbirch` gab es manche Veränderungen und Erleichterungen.

Am 01.10.1928 war am Willscheiderberg ein Arbeiterheer von über 100 Personen (Steinbrecher, Steinarbeiter, Steinbrucharbeiter, Steinklopfer, Steinkipper, Stein- oder Schotterschläger, Bremser, Lokomotivführer, Heizer, Maschinisten, Schmierer, Meister, Laufburschen und ,,Henkelmanngucker`` - man nannte diese Tee-, Kaffeekocher und Henkelmannwärmer auch spöttisch ,Betriebskellner` - sowie verschiedene vorbildliche Handwerker) tätig. Im Schmelzbasaltwerk in Kalenborn gab es 125 Beschäftigte und in den Steinbrüchen des Türken- und Geißenhügels in Vettelschoß mit Seilbahn und Brecheranlage arbeiteten 50 Personen.

Von der Steinindustrie wurde zwar propagiert, den Arbeitern genügend Zeit für die eigene ,Ackerwirtschaft` zu lassen, um die Sesshaftigkeit zu erhalten, doch die Brecheranlagen liefen wegen der anhaltenden Basaltkonjunktur nonstop 24 Stunden lang. In den Steinbrüchen war Akkordarbeit angesagt, weil für Straßenbeläge, Häuserbau, den Eisenbahnoberbau und Einfassung des Rheins der Bedarf an Packlage und Splitt kaum gedeckt werden konnte. Wegen des guten Basaltgesteins am Willscheiderberg legte die BAG andere Steinbrüche still, um die Basaltförderung am ,Birch` noch intensiver und mit einem größeren Wagen- und Lokomotivpark zu betreiben.

Der Amtsbezirk Neustadt zählte 1928 erst 4525 Einwohner mit 869 Haushaltungen. Allein 639 Arbeiter waren in Steinbrüchen beschäftigt. Von den Basaltarbeitern gehörten fast alle dem ,Berufsverband deutscher Steinarbeiter` (Christliche Gewerkschaft) an. Am 07.03.1928 war die Gemeinde Vettelschoß finanziell in der Lage, der ,Bürgermeisterei` Neustadt sage und schreibe 8000 Mark als Kredit zu 7 % Zinsen zur Deckung der Kosten für die Erwerbslosenfürsorge zu geben. Am 27.04.1934 billigten die Gemeindeväter dem ,Amt` Neustadt ein weiteres Darlehen von 2500 Mark. Über diesen Verwendungszweck ist nichts bekannt. Auch fehlen Hinweise, wann die Gelder zurückgeflossen sind.


Hans Heinrich Mohr, März 2004
Diese Broschüren zur Heimatgeschichte der Gemeinde Vettelschoß sind beim Autor erhältlich.